Wie sieht der Energiemix in 30 Jahren aus

In ihrer neuesten Energieprognose geht ExxonMobil (in Deutschland bekannt unter der Marke Esso) der Frage nach, ob Erdgas in den nächsten 30 Jahren eine Brücken- oder eine Basisenergie sein wird.

Gemäß diesem Bericht hat sich in den vergangenen zwei Jahren die Grundausrichtung der deutschen Energiepolitik komplett geändert. Im September 2010 hatte die Bundesregierung ihr Konzept für eine sichere und umweltschonende Energieversorgung Deutschlands bekannt gegeben. Die Laufzeiten der Kernkraftwerke wurden um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Nach Fukushima wurde jedoch die Energiepolitik komplett geändert und beschlossen, dass die Atomkraftwerke in den nächsten 10 Jahren sukzessive vom Netz gehen müssen. Die 2010 formulierten Klimaschutzziele haben weiterhin Bestand, müssen jedoch schon ab 2022 ohne die emissionsfrei betriebenen Kernkraftwerke erreicht werden. Die Studie geht davon aus, dass die erneuerbaren Energien in den nächsten 28 Jahren nicht im nötigen Umfang wirtschaftlich genutzt werden können. Ihrem geplanten Wachstum sind natürliche Grenzen gesetzt.

Zunächst gilt es, die Grundlagen anzugehen, von denen diese Studie ausgeht. Das Bruttoinlandsprodukt wird in den nächsten knapp 30 Jahren weiter kontinuierlich wachsen. Am Ende dieses Zeitraums wird das Wachstum allerdings geringer ausfallen, weil die Einwohnerzahlen in Deutschland zurückgehen. Im Jahr 2040 werden statt 82 Millionen rund 77 Millionen Menschen in Deutschland leben. Die Lebenserwartung steigt und der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter geht zurück.

Obwohl die Wirtschaft wächst, wird der Energieverbrauch um rund 25 Prozent zurückgehen. Der Grund dafür ist – neben dem bewussten Umgang mit Energien – auch der Einsatz immer effizienterer Technologien.

Mit einem Anteil von zusammen fast 60 Prozent bleiben Mineralöl und Erdgas auch 2040 die wichtigsten Energieträger. Erdgas ist flexibel einsetzbar, z.B. auch für die Stromerzeugung, und hat einen niedrigeren CO2-Gehalt als Mineralöl. Ab 2030 löst Erdgas Mineralöl als Energieträger Nummer 1 ab. Die Kernenergie spielt ab 2020 kaum noch eine Rolle und ab 2023 ist sie aus dem Energiemix in Deutschland ganz verschwunden. Die Bedeutung der Kohle, 2011 noch zweitgrößter Energieträger, geht ebenfalls zurück. Kohle emittiert bei der Verbrennung am meisten CO2 und soll aus diesem Grund ebenfalls in seiner Bedeutung zurückgedrängt werden. 2040 trägt Kohle nur noch 13 Prozent zur Energieerzeugung in Deutschland bei.

Die erneuerbaren Energien verzeichnen das größte Wachstum. Ihr Anteil am gesamten Energieverbrauch wird sich bis 2040 auf 25 Prozent erhöhen und damit fast mit dem Mineralöl gleichziehen. Von den erneuerbaren Energien werden im Jahr 2040 Biomasse und Biogas mehr als zwei Drittel dieses Bereiches ausmachen. Im Gegensatz zu Wind und Sonne stehen beide unabhängig vom Wetter zur Verfügung. Der Ausbau der Windenergie wird ebenfalls deutlich voranschreiten. Die Anteile von Photovoltaik und Solarthermie werden sich verdoppeln, allerdings im Jahr 2040 nur insgesamt 8 Prozent zum Mix der erneuerbaren Energien beitragen. Wasserkraft, Geothermie, Wärmepumpen und sonstige erneuerbare Energien spielen bis 2040 nur eine untergeordnete Rolle. Durch die hohen Energiepreise wird in Deutschland Energie heute schon sehr effizient genutzt. Diese Energiesparpotenziale sind noch nicht ausgeschöpft und moderne Techniken werden dazu führen, dass gerade die Energieeffizienz noch erhebliche Fortschritte erzielt.

Die CO2-Emissionen, die energiebedingt sind, werden zwischen dem Basisjahr 1990 bis 2040 um fast 50 Prozent zurückgehen. Dies ist trotz des Verzichts auf CO2-freie Kernenergie für die BRD ein großer Erfolg. Dennoch wird das Ziel der BRD, den CO2-Ausstoß bis 2040 um 70 Prozent zu reduzieren, gemäß dieser Prognose nicht erreicht. Auch bei einem steigenden Anteil von Erdgas zur Energieerzeugung, das von allen fossilen Energieträgern die niedrigsten Emissionen aufweist, verläuft die CO2-Reduzierung zu einem sauberen Energiemix langsamer als geplant.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie sieht es in den einzelnen Verbrauchssektoren aus?

Die benötigte Prozesswärme für die Industrie wird infolge des Wirtschaftswachstums noch weiter ansteigen und zu einem entsprechenden Bedarf führen. Der Raumwärmebedarf der privaten Haushalte wird hingegen sinken. Gründe sind: modernere Heizungstechnologien sowie bessere Wärmedämmung. Obwohl die Bevölkerungszahl abnimmt, steigt der Wohnungsbestand und die Größe der Wohnung weiter an. Trotzdem geht der Bedarf an Heizenergie in diesem Zeitraum bis 2040 um mehr als 10 Prozent zurück. Die Bundesregierung hat sich sogar das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 den Wärmebedarf für Raumwärme um 20 Prozent zu reduzieren. Dies würde allerdings eine Verdoppelung der heute erreichten Rate bedeuten und scheint aus diesen Gründen unwahrscheinlich, so die Studie. Auch der heutige Energiemix der privaten Haushalte wird sich in den nächsten 30 Jahren ändern. Zwei Drittel der Wohnheizung werden heute mit Öl und Gas beheizt. Nimmt man noch die Fernwärme hinzu, die aus Erdgas erzeugt wird, erhöht sich der gesamte Anteil auf mehr als 70 Prozent. Bis zum Jahr 2040 wird der Anteil von Öl, Gas und Fernwärme im Haushaltsbereich auf 55 Prozent zurückgehen. Die erneuerbaren Energien werden im Gegenzug an Bedeutung gewinnen. Ältere Öl- und Gasheizungen werden abgelöst durch moderne Brennwertkessel, die Energieeinsparungen von bis zu 30 Prozent ermöglichen. Außerdem werden heute Heizungen immer mehr mit anderen Wärmequellen kombiniert.

Wie wird sich der Straßenverkehr darstellen? Insgesamt werden zum Ende des Prognosezeitraums rund 53 Millionen Pkws auf deutschen Straßen fahren. Der Anteil der Pkws mit alternativen Antriebstechnologien wird von heute 600.000 auf rund 12 Millionen im Jahr 2040 zunehmen. Sie erreichen dann gemeinsam etwa den gleichen Anteil wie die mit Ottomotor betriebenen Pkws. Die Mehrzahl der Pkws (19 Millionen) wird mit Dieselkraftstoff angetrieben. Positiv bleibt zu vermerken, dass, obwohl die Anzahl der Pkws zwischen 2010 und 2040 auf deutschen Straßen leicht ansteigen wird, sich die Emissionen, die von diesen Pkws ausgehen, um rund 60 Prozent reduzieren werden.

Die alternativen Antriebsarten werden im Prognosezeitraum vielfältiger. Es wird eine bunte Mischung von Flüssiggas-, Erdgas-, Hybrid- und Elektroautos auf den Straßen zu finden sein. Die Plug-in-Hybride werden sich gerade in Kombination mit den Otto-Motoren durchsetzen, da sich mit deren Hilfe die geforderten CO2-Grenzwerte am besten erreichen lassen. Außerdem sind diese Fahrzeuge – im Gegensatz zu Elektroautos – unabhängiger von neu zu schaffenden Infrastrukturen, weil sie auch in Kombination mit konventionellen Kraftstoffen gefahren werden können. Im Prognosezeitraum wird auch die Anzahl der Erdgasfahrzeuge zunehmen, allerdings wird dieser Markt laut ExxonMobil nur eine untergeordnete Rolle spielen. Inwieweit Erdgas in verflüssigter Form (LNG) für Lkw, Busse oder auch im Schiffsverkehr eingesetzt werden kann, bleibt noch abzuwarten. Diese Kraftstoffe haben eine höhere Energieeffizienz und würden deshalb dazu beitragen, die Emissionen zu reduzieren. Allerdings bleibt hier die Entwicklung der Technik abzuwarten.

Der Pkw-Bestand in Deutschland wird bis 2030 wachsen und dann, infolge der abnehmenden Bevölkerungszahl, auf rund 43 Millionen Fahrzeuge zurückgehen. Innerhalb des Prognosezeitraums sinkt der Bedarf an Ottokraftstoff um nahezu 80 Prozent. Das liegt nicht nur am sinkenden Verbrauch der Fahrzeuge, sondern auch die jährlichen Fahrleistung und besonders die Zahl der mit Ottokraftstoff betriebenen Pkws verringert sich. Diese sinkt von ca. 30 Millionen im Jahr 2011 auf rund 12 Millionen im Jahr 2040. Der Dieselbedarf geht mit 13 Prozent vergleichsweise nur leicht zurück, was nicht zuletzt auf die steigende Straßengüterverkehrsleistung im Fernverkehr zurückzuführen sein wird. Zudem erhöht sich der Anteil der Pkws, die mit Diesel betrieben werden, da durch ihren geringeren spezifischen Verbrauch die vorgeschriebenen CO2-Grenzwerte schneller erreicht werden können.

Bei den Flugtreibstoffen macht sich die positive Wirtschaftsentwicklung bemerkbar, da Frachtaufkommen und Passagierzahlen weiter zunehmen werden. Aber auch in diesem Bereich verbessert sich die Energieeffizienz, sodass der Verbrauch zum Ende des Prognosezeitraums sinkt.

Insgesamt stellt die Studie Folgendes fest:
Die Mobilität und die Anzahl der betriebenen Fahrzeuge wird zwischen 2010 und 2030 weiter wachsen. Erst mit Abnahme der Bevölkerungszahl zwischen 2030 und 2040 werden die zugelassenen Kraftfahrzeuge in Deutschland weniger werden. Der Mineralölverbrauch von Otto-, Dieselkraftstoff und biogenen Beimischungen wird bis 2020 nur leicht sinken und, bezogen auf einen Zeitraum von 20 Jahren, das heißt bis 2030, um 15 bis 20 Prozent (jährlich 0,75 – 1 Prozent) zurückgehen.

In den nächsten 20 Jahren dürfte Erdgas im Gesamtwärmemarkt, allerdings nicht im Tankstellenbereich, zum Energieträger Nummer 1 aufsteigen. Erdgas wird im Wärmemarkt der Haushalte, aber auch bei Prozesswärme in den Unternehmen, nachhaltig gebraucht und zudem in der Stromerzeugung – und hier insbesondere bei der Grundlast – Kernenergie und Kohle ablösen. Im Straßenverkehr, so die Studie, wird Erdgas bis 2040 keine entscheidende Rolle spielen.

Der Energiemix der Zukunft wird noch vielfältiger und bunter und es gilt von Seiten der Politiker, die richtigen Weichen zu stellen, damit die Industrie in Deutschland nicht nur eine sichere, sondern auch eine bezahlbare und emissionsärmere und damit umweltschonendere Versorgung hat. Zwischen diesen Zielsetzungen gilt es immer wieder abzuwägen, wenn die entsprechenden Entscheidungen getroffen werden.