Oder ändert die neue Regierung die strikte Sektorenvorgabe für die CO2-Emissionen?

Die neue Bundesregierung muss Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen im Verkehrssektor vermeiden, um die Klimaziele zu erreichen.

20 Millionen Tonnen Kohlendioxid wird das Bundesverkehrsministerium 2022 einsparen müssen, um die Klimaziele im Verkehrssektor einzuhalten. In den vergangenen Jahren war der Konsum im Verkehrssektor Corona-bedingt gesunken. Geschlossene Geschäfte, Restaurants, Hotels, Betriebsstätten sowie das Homeoffice bewirkten, dass die Mobilität im Jahr 2020 und 2021 beträchtlich eingeschränkt war und der Kraftstoffverbrauch in 2020 sowie 2021 gegenüber dem Vor-Coronajahr 2019 um acht Prozent sank. 2022 wird dies nicht mehr der Fall sein und der Kraftstoffverbrauch und damit der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor wird wieder zunehmen. Allerdings hat sich der Staat durch sein neues Klimaschutzgesetz verpflichtet, dass in den Bereichen Verkehr, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft etc. zum jeweils gleichen Prozentsatz CO2 eingespart werden muss. Das Handelsblatt kam zu dem Ergebnis, dass der Benzinpreis durch eine drastische Verteuerung des staatlichen CO2-Preises in 2022 um rund 70 Cent steigen müsste, um das gesetzte Klimaziel im Verkehrssektor zu erreichen. Für eine Familie auf dem Land mit zwei Autos, steigen dann die Ausgaben für Mobilität um 1.800 Euro im Jahr, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet hat. Hält sich die nächste Bundesregierung an die bestehenden Gesetze, dann wird ihr kaum etwas anderes übrigbleiben. Ein Lichtblick ist in Sicht: Zurzeit wird in den Sondierungen der drei Parteien zum Koalitionsvertrag der neuen Regierung diskutiert, wieder zu einer mehrjährigen und sektorenübergreifenden CO2-Reduktion zurückzukehren. Eine Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes wäre die Folge. Dies würde die Situation für viele Branchen entschärfen, was auch viele Wissenschaftler begrüßen.

Das aktuelle Klimaschutzgesetz schreibt vor, dass jeder Sektor, in diesem Fall der Verkehrsbereich, das CO2-Einsparungsziel erreichen muss. Wird das Einsparungsziel verfehlt, muss das Verkehrsministerium binnen drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, das ein Expertenrat bewertet und das die Bundesregierung dann schnellstmöglich beschließt und umsetzt, damit das Ziel wieder erreicht wird. Wenn Ziele verfehlt werden, muss künftig schnell nachgesteuert werden, so der gewollte Mechanismus des Klimaschutzgesetzes, das unter Federführung des Umweltministeriums 2019/2020 entstand. Zurzeit geht die Bundesregierung davon aus, dass im Jahr 2022 im Verkehrssektor 20 Millionen Tonnen CO2 mehr anfallen als das Gesetz eigentlich erlaubt. Welche Maßnahmen bleiben, um dieses Ziel zu erreichen? Ein Tempolimit auf Autobahnen brächte eine einmalige Einsparung von zwei Millionen Tonnen. Ein sofortiges Verkaufsverbot von Verbrennermotoren spart sechs Millionen Tonnen, so die nationale Plattform „Zukunft der Mobilität“. Um 20 Millionen Tonnen einzusparen, müssten von heute auf morgen etwa doppelt so viele Menschen mit Bus und Bahn fahren, was allerdings nicht möglich ist. Faktisch ist das Ziel ohne eine Gesetzesänderung nicht zu schaffen.

Bis 2030 muss der Verkehrssektor nicht nur seine derzeitige Lücke von 20 Millionen Tonnen, sondern auch regulär die enorme Menge von 65 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Dabei wächst der Verkehr stetig. Waren 2008 41 Millionen Pkw mit Verbrennermotoren auf deutschen Straßen unterwegs, so waren es 2020 48 Millionen Pkw. Zudem hat auch die Verkehrsdichte bei Transportern und Lkws deutlich zugenommen. Die Wirtschaftsforscher Prognos und die Boston Consulting Group kamen bereits 2019 in einer Studie für den Bundesverband der Deutschen Industrie zu dem Ergebnis, dass die Klimaziele im Verkehr bis 2030 nur zu erreichen wären, wenn der CO2-Preis auf 250 Euro je Tonne steigt. In diesem Fall würde der Kraftstoffpreis um 70 Cent steigen.

Wir haben im Oktober 2021 schon sehr hohe Benzin- und Dieselpreise in Deutschland erlebt. Zum einen hat die CO2-Steuer, die Anfang des Jahres erstmalig griff, die Kraftstoffpreise inklusive Mehrwertsteuer um rund 10 Cent ansteigen lassen. Zum anderen ist der Rohölpreis auf 85 Dollar pro Barrel gestiegen. Die Bildzeitung berichtete bereits im Oktober, dass die Deutschen wieder verstärkt im Ausland tanken. In Tschechien, Polen, Österreich, Schweiz und Luxemburg sind die Kraftstoffpreise wegen niedrigerer staatlicher Abgaben deutlich günstiger als in Deutschland. Die Folge ist, dass der Tanktourismus in diese Länder immer weiter zunimmt. Am Wochenende fahren Menschen aus Koblenz zur Kaffeefahrt in das 120 km entfernte Luxemburg. Lkws tanken schon seit langem in Luxemburg, Österreich, Polen und Tschechien und verfahren den Kraftstoff in Deutschland. Die Folge: Der Kraftstoffverbrauch in Deutschland sinkt und damit auch der CO2-Ausstoß auf dem Papier. Allerdings ändert sich am gesamten CO2-Ausstoß innerhalb Europas hierdurch nichts. Daher ist der Gesetzgeber auch gut beraten, wenn weiter über eine CO2-Steuer nachgedacht wird, diese auf europäischer Ebene zu implementieren. Ansonsten bringt eine solche Steuer dem Klima in der EU nichts.