Raffinerien werden einen Anpassungsprozess vollziehen – die Versorgung des Marktes wird sich weiter ändern

Der Energieinformationsdienst (EID) hat einen Ausblick auf die Raffinerielandschaft in Deutschland für die nächsten 15 Jahre vorgenommen und die Fakten in Hamburg auf einer Veranstaltung der Mineralölbranche präsentiert. Wir haben diese Fakten auf ihre Auswirkungen für unsere Branche betrachtet.

Zunächst gilt es, einen Rückblick auf die Entwicklung der vergangenen 35 Jahre zu werfen. Wir hatten 1979 in Deutschland (ohne die neuen Bundesländer) eine Raffineriekapazität von knapp 170 Millionen Tonnen. Da der Mineralölabsatz sank, wurden auch immer weniger Raffinerien für den deutschen Markt gebraucht. Bis zum Jahr 2013 hat sich die Raffineriekapazität auf 104 Millionen Tonnen reduziert. Im Osten sind nach der Wiedervereinigung große Raffinerien in Leuna bzw. Schwedt entstanden. Im Westen wurden kleinere Raffinerien geschlossen und große Raffinerien weiter optimiert. Lag der Schwerpunkt im Mineralölabsatz in den 70er Jahren noch in hohem Maße auf leichtem Heizöl für den Endverbraucher und schwerem Heizöl für Industrie und Kraftwerke, so hat sich der Mineralölabsatz bis 2013 stark verändert. 54 Prozent des Konsums entfielen im Jahr 1979 auf leichtes und schweres Heizöl. Im Jahr 2013 machten diese Produkte nur noch 23 Prozent des Mineralölverbrauchs aus. Gewinner in dieser Zeit waren die Produkte Dieselkraftstoff und Flugturbinenkraftstoff, die heute zusammen für 40 Prozent des Mineralölabsatzes stehen. 1979 waren es gerade einmal 13 Prozent, die als Flugturbinenkraftstoff bzw. Dieselkraftstoff vermarktet wurden. Der Anteil des Ottokraftstoffes ist mit 16-17 Prozent unverändert geblieben, wobei der absolute Verbrauch auch bei diesem Produkt gesunken ist. Auch wurden Mineralölprodukte durch das Beimischen von Bioprodukten verdrängt.

Das heißt, der Konsum hat in der Zeit von 1979 bis 2013 von 149 Millionen Tonnen auf 110 Millionen Tonnen = 39 Millionen Tonnen in Deutschland abgenommen. Im gleichen Zeitraum sank die Raffineriekapazität von rund 171 Millionen Tonnen auf 104 Millionen Tonnen im Jahr 2012, sodass 67 Millionen Tonnen Raffineriekapazität abgebaut wurden.

Die Raffinerien sind für die Mineralkonzerne Mittel zum Zweck, um aus dem Rohstoff Rohöl ein verkaufsfähiges Endprodukt mittels Raffination zu gewinnen. Die Raffination ist ein komplexer Prozess. Eine Raffinerie technisch und wirtschaftlich optimal zu führen, ist keine einfache Aufgabe. Die Raffinerien müssen unterschiedliche Rohöle mit unterschiedlichen Eigenschaften verarbeiten können. Hinzu kommt, dass die in der Raffination erzeugten Fertigprodukte im Markt unterschiedlich nachgefragt werden. Das heißt, bei dem einen Produkt erzielt der Raffineur eine positive Marge und bei dem anderen eine negative. Letztlich muss das gesamte Fass, was am Bohrloch gewonnen wird, verkauft werden. Manche Raffinerien sind ausschließlich auf die Erzeugung von Mineralöl ausgerichtet und andere sind petrochemische Raffinerien, die neben Öl auch einen Schwerpunkt bei chemischen Produkten haben.

Dass die Wirtschaftlichkeit von Raffinerien nicht einfach ist, zeigt auch folgende Bilanz:

In den letzten 20 Jahren, das heißt zwischen 1993 und 2013, haben die Raffinerien in Deutschland 10 Jahre rote Zahlen geschrieben und 10 Jahre schwarze Zahlen. Zwischen 2000 und 2008 spricht man vom goldenen Raffineriezeitalter. Zu dieser Zeit haben die Raffinerien, insbesondere in Europa, gutes Geld verdient, denn die überschüssigen Ottokraftstoffmengen, die in europäischen Raffinerien anfielen, konnten mit hohen Gewinnen nach Übersee, insbesondere in die USA, verkauft werden.

Dass der Raffineriemarkt ständig in Bewegung war, zeigt auch folgende Zahl:

In den letzten 30 Jahren sind 17 Raffineriegesellschaften aus dem deutschen Markt ausgeschieden. Einige durch Fusionen, wie z. B. Fina/Elf und Total bzw. Mobil und Exxon, Shell und DEA sowie BP und VEBA-Oel. Auch sind Ölhändler (Trader) in diesen Raffineriemarkt eingestiegen. Petroplus war einer der ersten Ölhändler, der dies versuchte und schon wieder aus diesem Sektor ausgeschieden ist. Die Firma Gunvor, ebenfalls ein internationaler Ölhändler, ist in Ingolstadt eingestiegen. Die Vitol-Gruppe, ein weiterer Händler, hat sich an der Bayernoil beteiligt und die russische Ölgesellschaft Rosneft ist an der Ruhrölraffinerie von BP beteiligt, um nur einige Wechsel zu nennen.

Einige Raffinerien sind aus dem deutschen Markt ausgeschieden. Die verbleibenden Lagertanks wurden oftmals zu Großtanklagern (Depots) umfunktioniert. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Umwidmung einer Raffinerie zum Großtanklager ist die ehemalige DEA-Raffinerie in Raunheim. Diese wird heute als Großtanklager genutzt und ist eine wichtige Versorgungsbasis für den Frankfurter Flughafen. Das heißt, wenn Raffinerien verschwinden, bleiben oft deren Lager- und Verladekapazitäten erhalten. Wenn diese Tankläger über eine gute logistische Versorgung verfügen, wie z. B. Schifffahrt, Gleisanschluss und eventuell gar Fertigproduktpipeline, können diese eine ähnliche Versorgungsfunktion wie eine Raffinerie übernehmen. Auf der anderen Seite muss selbstverständlich die logistische Anbindung, was das Straßennetz für Tankwagen und ein um die Raffinerie gelegener Absatzmarkt betrifft, die nötige Infrastruktur für den Absatz bieten. Andererseits hatte die Schließung der Raffinerie in Wilhelmshaven für den deutschen Markt keine große Bedeutung, da es sich hierbei um eine Exportraffinerie handelte und somit eine Umwandlung zu einem Depot auch nicht in Frage kam.

Da die Fertigprodukte im internationalen Wettbewerb mit Raffinerieprodukten aus anderen Ländern stehen, gibt es neben der Eigenerzeugung von Rohöl in den innerdeutschen Raffinerien auch die Möglichkeit, entsprechende Fertigprodukte über Nachbarländer bzw. über die entsprechenden Handelsplätze an der Nord- und Ostsee oder des Mittelmeers über Wasserstraßen oder Pipelines nach Deutschland zu importieren.

In den nächsten Jahren wird nach Angaben des Petroleum Economist die Raffineriekapazität weltweit um 530 Millionen Tonnen zunehmen. Dies entspricht einem Zehntel der derzeit weltweiten Verarbeitungskapazitäten. Bereits in den letzten fünf Jahren sind 200 Millionen Tonnen Raffineriekapazität weltweit zusätzlich entstanden. Diese Raffinerien werden in Nahost und Asien entstehen, da dort zum einen die Märkte noch wachsen und zum anderen mit wesentlich geringeren Energiekosten Raffinerien betrieben werden können als in Europa. Diese Fertigprodukte werden auf die Weltmärkte drängen und in Konkurrenz zu den Produkten aus europäischen Raffinerien stehen.

Gleichzeitig wird in Europa der Absatz an Fertigprodukten schrumpfen, da die Effizienz der Kraftfahrzeuge, der Flugzeuge, der Schifffahrt und des privaten und gewerblichen Brennstoffverbrauchs weiter zunehmen wird.

Der Energieinformationsdienst (EID) geht in seiner Schätzung davon aus, dass der heutige Inlandsabsatz von 110 Millionen Tonnen Mineralölprodukten bis zum Jahr 2030 auf 80 Millionen Tonnen sinkt. Diese Entwicklung wird zwangsläufig Auswirkungen auf die Raffineriekapazitäten haben. Unter Umständen werden die Raffineriekapazitäten in Deutschland stärker abnehmen als der Konsum. Denn auf der einen Seite sinkt der inländische Konsum und auf der anderen Seite haben die Inlandsraffinerien in der Effizienz Nachteile gegenüber den großen Neubauprojekten in Asien mit der Folge, dass diese Mengen zu günstigeren Preisen nach Europe drängen.

Die Politik ist an diesem Thema, wie viele Raffinerien dauerhaft in Deutschland bzw. in Europa stehen werden, wenig interessiert. In Deutschland kommt hinzu, dass es seit dem Ausscheiden einer DEA bzw. einer VEBA-Oel aus dem deutschen Raffineriemarkt Anfang des neuen Jahrtausends keinen innerdeutschen Mineralölproduzenten mehr gibt. Folglich werden die Interessen der Raffineure auch nicht mehr von deutschen Firmen in der Politik vertreten. Auf europäischer Ebene gibt es in Frankreich, Großbritannien, Holland, Österreich, Italien, aber auch Ost-Europa und Skandinavien noch internationale Mineralölkonzerne mit europäischem Hintergrund. Dennoch, auch diese Konzerne werden an der Wirtschaftlichkeit ihrer Raffinerien gemessen, sodass der Abbau der Raffineriekapazitäten in Europa und damit auch in Deutschland in den nächsten 15 Jahren fortschreiten wird. Bei den großen Mineralölkonzernen ist zu beobachten, dass diese sich immer mehr auf ihre großen Raffineriestandorte konzentrieren, die mindestens 10 Millionen Tonnen, besser 15 Millionen Tonnen, pro Jahr erzeugen, weil in diesen Raffinerien oftmals eine bessere Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

Wenn immer mehr Fertigprodukte aus anderen Ländern zu uns nach Europa kommen, so sollte eventuell geprüft werden, ob die Infrastruktur noch stimmt, um diese Mengen über Wasser, Schienen, Straßen und Pipeline in die Großtankläger zu bringen, in denen die entsprechenden Mineralölprodukte gebraucht werden. Auch gilt es, rechtzeitig zu prüfen, ob die Großtankläger an den Küsten diese zusätzlichen Importmengen bei den Fertigprodukten bewältigt bekommen. In Deutschland wird zurzeit Mineralöl für 90 Tage als Reservekapazität gebunkert, um bei etwaigen internationalen Lieferstörungen Wirtschaft und Verbraucher kontinuierlich mit den entsprechenden Mineralölmengen versorgen zu können. Ob diese Bevorratung nicht aufgestockt werden sollte, sofern die innerdeutsche bzw. europäische Versorgung durch nahe gelegene Raffinerieproduktionen abnimmt, während die Lieferwege für Fertigprodukte länger werden, wäre auch zu gegebener Zeit zu hinterfragen.

Insgesamt hat die Studie des Energieinformationsdienstes (EID) ein paar interessante Fragen aufgeworfen, die in den nächsten Jahren mit Sicherheit eine entsprechende Antwort finden.