Deutsche verpassen den Anschluss im E-Automarkt in Fernost

Der Preiskampf, der seinen Ursprung Ende 2022 und Anfang 2023 in China hatte, als Tesla erstmals dazu überging Preissenkungen durchzuführen, ist mittlerweile auch über die Grenzen Chinas hinaus zu spüren. So kündigte Tesla kürzlich eine neue Rabattaktion für das Model 3 und Model Y in den USA an – die sechste in Folge. Auch in Europa senkt Tesla mittlerweile die Preise.

In China, dem größten Automarkt der Welt, sind die Auswirkungen jedoch am deutlichsten zu spüren. Der Nachrichtensender ntv berichtete kürzlich von einem „nie dagewesenen Preiskrieg auf dem chinesischen Automarkt“. So haben an die 40 Automobilhersteller zuletzt ihre Preise in China reduziert. Insgsamt tummeln sich rund 300 einheimische Hersteller von E-Autos auf diesem Markt. Mit den Preiskämpfen versuchen größere etablierte Hersteller von E-Autos – allen voran Tesla – kleinere Marktteilnehmer aus dem Markt zu drängen.

2009 hat der Chinesische Staat mit 120 Milliarden an Subventionen viele neue Unternehmen im E-Auto Segment angelockt. Experten gehen davon aus, dass die Preissenkungswelle noch nicht zu Ende ist. Tesla hofft durch niedrigere Preise die Auslieferungen zu erhöhen und die Konkurrenz weiter unter Druck zu setzen, was mit den ersten Preissenkungen bisher gelungen ist. Tesla verkaufte im ersten Quartal 422.000 E-Fahrzeuge, was ein Rekord war. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Tesla im ersten Quartal 18.000 Fahrzeuge mehr produzierte als man selber absetzten konnte, so dass Fahrzeuge auf Halde gingen, was Tesla bisher nicht kannte.

Tesla hat für 2023 ein Produktionsziel von 1,8 Millionen Einheiten. Vor dem Hintergrund immer neuer Wettbewerber, ein sehr ambitioniertes Ziel. Gerade im preisgünstigeren Bereich mischen die chinesischen Konzerne den Elektroautomarkt auf. Es war eine clevere Idee der chinesischen Regierung, als diese 2009 das Ziel der Elektromobilität verkündete, wohlwissend, dass China beim Verbrennungsmotor mit der westlichen Technik nicht mithalten konnte. Der deutlich einfachere Elektromotor bot den Chinesen damit die Chance, in dem neuen Automobilmarkt für Elektromobilität eine führende Rolle einzunehmen. China setzt weiter auf diese Technik und hofft, dass der Markt für die Verbrenner und damit für die ausländischen Hersteller kleiner wird. Zudem bieten die chinesischen Autos mehr technische Spielereien und Infotainment, was den europäischen Kunden weniger wichtig ist. Allerdings sind Neuwagenkäufer in China auch deutlich jünger als in Europa.

In China werden aktuell pro Jahr 21 Millionen Pkw abgesetzt. 74 Prozent sind noch Verbrenner, knapp 20 Prozent reine E-Fahrzeuge und sechs Prozent Plug-in-Hybride. Bei den Verbrenner kamen die deutschen Hersteller in 2022 auf einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent, bei den Elektroautos sind es nur noch fünf Prozent. VW wurde im ersten Quartal 2023 als Marktführer in China von BYD abgelöst. Verkaufte VW in guten Jahren 4 Millionen Pkw in China, waren es 2022 nur 3,2 Millionen Einheiten und im ersten Quartal 2023 ging der Absatz erneut um 14,5 Prozent zurück – auch bei der VW Schwester Audi. VW setzt 38,5 Prozent seiner weltweiten Produktion in China ab, Audi knapp 40 Prozent, bei Mercedes sind es 32 Prozent und bei BMW und Porsche jeweils 31 Prozent. Jeder zweite Maybach von Mercedes (Preis ab 175.000 Euro) geht nach China. 3.000 Maybach wurden dort allein im ersten Quartal 2023 verkauft. Von der Luxuslimousine EQS sind es nur 200 – 300 Stück je Monat. Porsche verkaufte im ersten Quartal 2023 20 Prozent mehr Fahrzeuge in China als im Vorjahreszeitraum und das waren überwiegend Cayenne mit Verbrennermotor.

Gerade BMW, Mercedes und Porsche verkaufen ihre teuren Verbrenner in China im Luxusbereich. Ohne die Anteile in China, so Ferdinand Dudenhöfer vom Car Institut, können die deutschen Hersteller nicht existieren. Oder wie ein anderer Berater sagte: „Wenn Porsche ein bisschen niest, wird der VW Konzern wahrscheinlich ins Krankenhaus gehen müssen.“

Dass Chinas Stromerzeugung zu 60 Prozent aus Kohlekraftwerken stammt und China weiter massiv auf Kohlekraftwerke baut, um den wachsenden Energiebedarf seiner Volkswirtschaft mit eigenem Rohstoff abzudecken, wird dort nicht weiter thematisiert. China subventioniert nach wie vor mit staatlichen Zuschüssen E-Fahrzeuge sowie Plug-in-Hybride. Im Plug-in-Hybrid-Bereich ist der chinesische Hersteller BYD Marktführer. Deutsche Hersteller spielen im Plug-in-Hybrid-Bereich in China keine Rolle mehr. Der Marktanteil von Volkswagen lag 2022 in diesem Segment bei 2,8 Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es noch fast 17 Prozent, wie das Handelsblatt berichtete. Audi kommt nur noch auf einen Marktanteil im Plug-in-Markt von 0,2 Prozent und wird deshalb auch aus diesem Segment in China aussteigen. Die chinesischen Hersteller erreichen mit ihren Plug-in-Hybriden und ihrem Elektromotor Reichweiten von mehr als 100 Kilometer. Die Reichweiten der deutschen Hersteller liegen oftmals nur bei 60 Kilometer.

Die Preise der chinesischen Anbieter sind zudem deutlich günstiger, als die der deutschen Konkurrenz. Während die Chinesen bei den Verbrennungsmotoren die deutsche technischen Überlegenheit mit höheren Preisen für deutsche Fahrzeuge anerkennen, ist diese bei Elektro- und Plug-in-Hybriden nicht mehr gegeben. Dass es bei den reinen Elektroautos in China für die Deutschen nicht rund läuft, zeigen folgende Zahlen: Im Januar und Februar 2023 wurden gerade einmal 22.300 reine Elektroautos von VW, BMW, Mercedes, Audi und Porsche in Fernost verkauft. Dies entspricht einem Marktanteil von lediglich 4,8 Prozent in diesem Segment.

Jetzt greifen die Chinesen auch in Europa an und wollen ihre E-Fahrzeuge im europäischen Markt positionieren. Im Zeitalter des Verbrennungsmotors blamierten sich die chinesischen Hersteller oftmals bei Sicherheitstests und mit Fahrzeugen von zweifelhafter Qualität. Mit dem Elektroauto wurden die Karten neu gemischt. Hier gelten chinesische Hersteller als Technologieführer. Zudem müssen die in China geschaffenen Überkapazitäten an E-Fahrzeugen irgendwo verkauft werden. Einen weiteren Vorteil haben die chinesischen Hersteller gegenüber den europäischen: Sie setzten in den vergangenen Jahren bei ihren Modellen mehr auf die Elektrifizierung der preiswerten Modelle. In Chinas Luxussegment spielen E-Autos kaum eine Rolle. In Europa ist es genau umgekehrt, hier werden die teuren Autos mit hohem CO2-Ausstoß elektrifiziert um die CO2 Flottenwerte zu realisieren.

Das Ranking bei den größten Elektroautohersteller sah 2022 wie folgt aus:

  • 1. Platz Tesla mit 1,35 Millionen Elektro-Pkw,
  • 2. Platz BYD (China) mit 920.000 Elektro-Pkw

danach folgen:

  • General Motors/Wuling (China Tochter von GM) mit 680.000 Elektro-Pkw,
  • VW mit 520.000 Elektro-Pkw,
  • Geely (China) mit 360.000 Elektro-Pkws,
  • Renault Nissan mit 340.000 Elektro-Pkw.

Zählt man die teilelektrifizierten Plug-in-Hybride mit, dominiert BYD das Elektroautogeschäft mit insgesamt 1,86 Millionen gebauten Fahrzeugen vor Tesla mit 1,35 Millionen und großem Abstand vor Volkswagen mit 750.000 Einheiten. Dies ergaben Daten des Beratungsunternehmens Inovev. Bei der aktuellen Tendenz kann es sein, dass BYD 2023 mehr reine Stromer als Tesla verkaufen wird. BYD erhöht aktuell seine Fertigungskapazitäten auf 2,65 Millionen Einheiten – mittelfristig sollen es 4,6 Millionen Einheiten werden. 2018 kam BYD mit mehrheitlich produzierten Verbrennungsmotoren auf nur 500.000 Pkw im Absatz. Die Produktion von reinen Benzinern hat BYD mittlerweile beendet.

In den letzten fünf Jahren wurden in China jährlich 21 – 24 Millionen Pkw neu zugelassen. Dort kommen aktuell erst 100 Pkw auf 1000 Einwohner, in Deutschland sind es 585 Pkw und in USA über 800. Laut Prognosen werden bis 2035 die jährlichen Pkw-Neuzulassungen in China auf 34 Millionen Einheiten wachsen. Ein Wachstumsmarkt, den die Chinesen im elektrischen Bereich eventuell unter sich ausmachen werden.

VW kommt mit dem ID.7 im Sommer zeitgleich in den chinesischen, europäischen und amerikanischen Markt, eine Limousine, die in Europa 55.000 Euro kosten soll. Die Preise für Nordamerika und China sind noch nicht entschieden. Allerdings sind das Tesla Modell 3 und Y sowie der Hyundai Ioniq 6 in Europa für 10.000 Euro günstiger am Start. Da der ID.7 für China auch in China gefertigt wird, sollten die dortigen Preise tiefer ausfallen können. Der ID.7 für Europa und die USA soll in Emden gefertigt werden und sollte in der Preisgestaltung ähnlich sein. Allerdings haben Limousinen in USA, dem Land der Pick-ups und SUVs, schon ein grundsätzliches Problem im Vertrieb. In 2022 waren in den USA 80 Prozent der Neuzulassungen entweder ein Pick-up oder ein SUV.

VW will bis 2026 ein neues Werk in South Carolina bauen und dort 200.000 vollelektrische Pick-up unter der Bezeichnung Scout und einen großen vollelektrischen SUV für den amerikanischen Markt produzieren. VW erklärte bisher, in keinen Preiskampf einsteigen zu wollen. Den Grund sieht ein ehemaliger Manager in den Margen für E-Autos: „Das sind Margen wie beim Discounter, aber nichts, womit sich bei kleinen Stückzahlen Geld verdienen lässt.“

Ford macht als einziger Hersteller Angaben zu seinen Verlusten mit E-Fahrzeugen von rund 800 Dollar je Fahrzeug. In den letzten drei Jahren waren es pro Jahr drei Milliarden Dollar. Dank der hohen Gewinne mit Verbrennern und insbesondere dem erfolgreichen Pickup-Verkauf in USA, kann Ford sich das leisten und plant Ende 2026 auch mit E-Autos in die Gewinnzone kommen. Es wird für alle E-Autohersteller schwerer, wenn jetzt noch die Preise unter Druck kommen. Eventuell reagieren die deutschen Hersteller mit „subtilen“ Maßnahmen wie Preissenkungen für E-Fahrzeuge im Firmenwagenbereich, um nicht eine generelle Preissenkung vorzunehmen, so Andreas Schmidt vom Branchendienst Schmidt, im Handelsblatt.

In Europa war der Volkswagenkonzern in 2022 mit knapp 350.000 verkauften E-Autos Marktführer in der EU und Großbritannien. Tesla kam auf 232.000 und Stellantis auf 230.000 Neuzulassungen. Alle chinesischen Marken zusammen kamen erst auf einen Anteil von 62.000 Einheiten. Allerdings haben die chinesischen Hersteller auch erst damit begonnen, den europäischen Markt ins Visier zu nehmen.

Dass wir in Europa für 2035 ein Verbrennerverbot beschließen, kann die E-Automobilproduzenten aus China nur freuen. Die Chinesen haben bis heute nicht beschlossen, dass sie auch aus dem Verbrennungsmotor aussteigen wollen.

Doch auch die Verbrennungsmotoren kommen 2023 unter Preisdruck. Der Autoexperte der UBS Patrick Hummel rechnet in 2023 mit einer weltweiten Automobilproduktion von 86 Millionen Fahrzeugen, denen aber nur eine Nachfrage von 81 Millionen Einheiten entgegenstehen wird. Die Experten von J.P. Morgan erwarten, dass in 2023 in den USA die Preise für Neuwagen um fünf Prozent und für gebrauchte um 10 Prozent sinken werden.

Laut dem Car Institut sind in Deutschland in den ersten beiden Monaten die Preise der 60 meistverkauften Autos im Schnitt um 2.300 Euro gesunken. Allerdings waren die Preise für Neuwagen in 2022 auch um 13 Prozent auf durchschnittlich 42.790 Euro gestiegen. Die Kfz-Hersteller kamen auf Traumrenditen von teilweise 14 Prozent. Aber wie diese Zahlen zeigen, wird es ab 2023 wieder schwieriger und besonders könnte dies für VW/Audi gelten, wenn sie weiter so hohe Marktanteilsverluste in China einfahren. Wenn die Werke nicht mehr ausgelastet sind müssen Werke geschlossen werden oder Preise senken und Absatz erhöhen, wie es Tesla aktuell vormacht.