Alte Batterietechnik behindern ein schnelles Laden

Wie das Handelsblatt berichtet, berät der europäische Rat über die Zukunft des Automobils. Leider tritt Deutschland erneut ohne eine einheitliche Position auf. Die Automobilindustrie hat sich beim Verkehrsminister beschwert und wurde an das federführende Umweltresort verwiesen. Die EU-Kommission will, dass die Hersteller die Pkw-Emissionen ihrer Neufahrzeuge bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 2021 senken. Bisher war das verfolgte Ziel 37,5 Prozent CO2-Reduktion. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten 2030 7,5 Millionen Stromer plus fünf Millionen Hybrid Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Gilt nun die Vorgabe von 55 Prozent, sind es bereits 15 Millionen Stromer und der Hybrid würde bei diesen Werten auch keine nennenswerte Rolle mehr spielen. Dies würde bedeuten, dass wir ab sofort pro Jahr 1,8 Millionen E-Autos auf die Straße bekommen müssten, so der Verband der Automobilindustrie (VDA). Im Jahr 2021 wurden jedoch gerade einmal 356.000 Stromer zugelassen. Für 2022 wird, laut Prof. Bratzel vom CAM Institut, mit 450.000 E-Fahrzeugen gerechnet, die mit 2,7 Milliarden Euro vom deutschen Staat subventioniert werden.

Das deutsche Umweltministerium will zwei Punkte auf EU-Ebene sogar noch verschärfen. Erstens ein Enddatum für neue Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035. Zweitens die Verschärfung der Reduktion der CO2-Emissionen für die Neuwagenflotte auf 75 Prozent gegenüber 2021 bis 2030. Das würde bedeuten, dass ab sofort noch mehr Stromer zugelassen werden müssten. Gleichzeitig will das Umweltministerium Zwischenziele für 2026 und 2028 festlegen, da wir das aktuelle Zwischenziel für 2025 (minus 15 Prozent) nach Aussage des Umweltministeriums problemlos erreichen. Nach unserer Meinung sind diese Vorgaben unrealistisch und die neuen Vorgaben der EU mit 55 Prozent bereits äußerst ambitioniert, da die nach 2026 in den Markt kommenden Pkws bereits jetzt schon von den Kfz-Herstellern konzipiert und entwickelt sind.

Zudem wird wieder das Henne-Ei-Problem diskutiert. Es sollte zum Beispiel das Energienetz um eine Million öffentlich zugängliche Ladesäulen erweitert werden, so die Forderung des VDA. Dies hat sich die alte wie auch die neue Bundesregierung zum Ziel gesetzt. Aktuell entstehen in Deutschland zwar 250 neue Ladepunkte pro Woche, nötig seien im gleichen Zeitraum laut VDA aber 2.000. Für die Ladeinfrastruktur trägt das Verkehrsministerium die Verantwortung. Aus diesem Grund hat Verkehrsminister Wissing eine Ladesäulenbeauftragte bestellt. Diese will das Laden von E-Autos einfacher und schneller machen. Ihre Forderung: Das Stromtanken muss in kurzer Zeit flächendeckend überall und barrierefrei möglich sein.

Das Handelsblatt berichtete, dass Folgendes dabei allerdings übersehen wird:
Ein Großteil der aktuellen Elektrofahrzeuge können maximal 150 Kilowatt an Ladeleistung aufnehmen. Ausschlaggebend für eine hohe Ladeleistung ist der Halbleiterwerkstoff Siliziumkarbid, der bestenfalls in eine 800 Volt Leistungselektronik verbaut wird. Und genau dies ist bei den preiswerteren Baureihen nicht geschehen. Bislang sind Ladeleistungen von mehr als 200 Kilowatt nur sehr teuren Fahrzeugen von Porsche, Audi, Mercedes und BMW vorbehalten.

Diese kosten in der Regel mehr als 100.000 Euro. Bezahlbare Elektroautos, die wirklich schnell laden können, bieten dagegen weder die deutschen noch andere europäische Autohersteller an. Bei den meisten Modellen ist bei 125 Kilowatt Schluss. Eine Schnellladesäule liefert aber bis zu 350 Kilowatt. Der Ladevorgang bei einem ID von VW von 10 auf 80 Prozent mit 125 Kilowatt dauert je nach Witterungsbedingungen zwischen 30 und 40 Minuten. Die dadurch aufgeladene Reichweite liegt zwischen 200 und 230 Kilometern. Könnten die Fahrzeuge mit mehr als 200 Kilowatt laden, verkürzte sich die Ladezeit auf 18 bis 25 Minuten und die Reichweite würde auf 250 Kilometer erhöht. Hochgerechnet auf 24 Stunden, unter der Annahme, dass ununterbrochen geladen wird, könnten in dieser Zeit an einer Schnellladesäule bis zu 75 Fahrzeuge mit einer Ladeleistung von 200 Kilowatt oder mehr geladen werden.

Mit einer Ladeleistung von 150 Kilowatt wären es nur 36 Fahrzeuge. VW wird die ID-Reihe über ein Update in der Ladeleistung von 125 auf 135 Kilowatt erhöhen. Technisch lässt sich wegen der fehlenden 800 Volt Leistungselektronik auf Siliziumkarbid-Basis nicht viel mehr optimieren. Erst mit einem Facelift oder sogar erst nach Einführung einer neuen Modellreihe dürften die Fahrzeuge der deutschen und europäischen Hersteller mehr als 200 Kilowatt Ladeleistung bewältigen können. Gleichzeitig müssten damit aber auch die Kosten der Fahrzeuge steigen, wenn höherwertige Materialien eingesetzt werden.

Das Problem der schwachen Ladeleistung bleibt daher für die kommenden vier bis fünf Jahre erhalten, meint der Direktor des CAM-Institutes Prof. Bratzel. Erst nach 2026 würden die Hersteller neue Elektroautos auf den Markt bringen, die schnelles Laden mit mehr als 150 Kilowatt ermöglichen. Es gilt auch zu bedenken: Je schneller geladen wird, desto mehr Energie geht verloren. Wenn 20 Kilowatt geladen und bezahlt werden, kommen in der Regel nur 15 Kilowatt an und hier muss man auch den Strompreis im Blick behalten. Bei einem Strompreis von 30 Cent kann der E-Autofahrer (bei 20 Kilowatt Verbrauch) mit sechs Euro 100 Kilometer bewältigen. Liegt der Strompreis bei 40 oder 60 Cent, werden auf 100 Kilometer schon acht bis zwölf Euro fällig. Aus Betreibersicht ist das Tanken an Schnellladern bisher in der Regel nur mit Preisen von 60 bis 80 Cent je Kilowattstunde wirtschaftlich zu bewerkstelligen. Und das war noch, bevor die Strompreise explodiert sind. Vermutlich reichen diese Beträge heute nicht mehr aus, um eine Schnellladesäule mit 300 bis 350 Kilowatt Leistung rentabel betreiben zu können.

Das heißt, das Henne-Ei-Problem liegt zum Großteil auch auf den Schultern der Automobilindustrie, die gerne darauf hinweist, dass es mit der E-Mobilität schneller gehen könnte, wenn nur genügend E-Ladesäulen entstünden. Da die Automobilindustrie kostengünstige Fahrzeuge herstellen will und muss, baut sie bei den Mittelklassemodellen und Kleinwagen eine günstige Technik ein, die ein schnelles Laden verhindert.

Die Strategieberatung P3 weist darauf hin, dass mit einer 800 Volt Leistungselektronik noch lange nicht die Probleme der Ladeinfrastruktur gelöst sind. Nach deren Meinung geht es vielmehr um die richtige Mischung an Elektroautos, die zu den Nutzgewohnheiten der Autofahrer passen. Die Politik ging bisher davon aus, dass 80 Prozent der Ladevorgänge zu Hause, am Arbeitsplatz oder auch beim Einkauf, das heißt immer dort, wo eine längere Verweildauer entsteht, stattfindet.

Zudem ist der Bedarf an Schnellladesäulen – vor allem in verdichteten Stadtbereichen – besonders hoch, da hier nicht jeder Anwohner über einen Garagen- oder Stellplatz verfügt und somit keine eigene Wallbox aufstellen kann. Je länger ein Ladevorgang dauert, umso länger ist auch der öffentliche Raum blockiert. Die Stadt Düsseldorf prüft daher, ob sie beim Laden von Elektroautos Sondernutzungsgebühren, gestaffelt nach der Ladedauer, erheben soll. Bereits jetzt gilt an Schnellladesäulen der Stadtwerke Düsseldorf eine 1-Stunden-Regel. Das bedeutet, wenn der Ladevorgang länger als 60 Minuten dauert, werden zum Strompreis noch Sondergebühren dazugerechnet. Die liegen etwa bei 10 Cent pro Minute. Die Folge ist: Wer ein Elektroauto besitzt, dem drohen an den Schnellladestationen entsprechend hohe Preise je Kilowattstunde und bei langsamen Ladestationen der vorzeitige Abbruch des Ladevorgangs.

Doch selbst wenn das Henne-Ei-Problem gelöst wäre – was, wie die vorstehenden Schilderungen zeigen, nicht ganz einfach ist – muss die Politik noch viel früher ansetzen. Wir benötigen erst einmal den nötigen ökologischen Grünstrom, wenn wir tatsächlich CO2-frei tanken wollen. Ende dieses Jahres muss Deutschland sechs Prozent seines Primärenergieverbrauchs, der aus Atomkraft kommt, ersetzen. Für diese sechs Prozent müssen neue Windparks und Solardächer entstehen. Doch in diesem Sektor tut sich zurzeit nicht viel.

Zudem sollen die Kohlekraftwerke bis 2038 durch Wind und Sonne ersetzt werden. Auch hier möchte die neue Bundesregierung bereits 2030 aus dem Kohlestrom aussteigen. Aber erst, wenn wir Kohle und Atom durch Wind und Sonne ersetzt haben, können wir den zusätzlichen Strom für E-Autos und weitere Wirtschaftsbereiche erzeugen. Wir müssen erst einmal den nötigen Grünstrom schaffen – und dies zu bezahlbaren Preisen – bevor wir über eine Elektrifizierung der Kfz-Flotten in Deutschland bzw. Europa nachdenken. Als Brückentechnologie greifen wir auf Gaskraftwerke zurück, die erst einmal gebaut werden müssen und die die weltweite Nachfrage nach Erdgas weiter befeuern werden.

Laut einer Forsa-Umfrage würden 60 Prozent der Autofahrer für den Klimaschutz lieber auf klimaneutrale Kraftstoffe statt auf Strom setzen. Der Vorteil von E-Fuels wäre, dass die Reichweite hoch ist und das Auftanken schnell geht. Produziert werden E-Fuels aus Wasserstoff und CO2. Das Problem ist, dass die Wirtschaftlichkeit noch nicht gegeben ist. Zudem wird gerne das Argument eingebracht, dass E-Fuels für Flugzeuge, Schiffe und vielleicht auch für Lkws benötigt würden. Die Kapazitäten für Pkws stünden nicht zur Verfügung oder nur mit einem immensen Aufwand.

Es gäbe auch die Möglichkeit über Beimischungen von E-Fuels oder Bioprodukten, letztere können mittlerweile aus Reststoffen hergestellt werden, um den CO2-Ausstoß im Fahrzeugbestand erheblich zu reduzieren. Allein der Fortfall von E5, entspricht der Neuzulassung von einer Millionen E-Fahrzeugen (3,1 Millionen Tonnen CO2-Einsparung). Noch höhere Beimischungen wären mit entsprechenden Bio-Fuels sowohl beim Benzinmotor als auch beim Dieselmotor möglich und würde zu CO2-Einsparungen im gesamten Kfz-Bestand führen.

In Deutschland gilt seit 2021, dass jeder Sektor eine Zielmarke erreichen muss. In 2021 war die Zielmarke für den Verkehrssektor 145 Millionen Tonnen CO2. Diese wurde erreicht, weil Corona-bedingt die Mobilität zurückging. Sollte der Inlandsverbrauch in 2022 – wie erwartet – um drei Prozent steigen, wird der Verkehrssektor rund 150 Millionen Tonnen CO2 emittieren. Die Vorgabe für 2022 für den Verkehrssektor sind jedoch 140 Millionen Tonnen CO2 gemäß Klimaschutzgesetz der deutschen Regierung. Ein Gegensteuern mithilfe von Bio-Fuels wäre zumindest ein Weg, der allerdings nicht gewünscht ist, da die Politik befürchtet, dass hierdurch der Umstieg auf E-Fahrzeuge an Dynamik verliert. Allerdings ist das nicht zu Ende gedacht. Die letzten Befragungen von Deloitte bzw. auch vom Car-Institut zeigen, dass nur 15 Prozent der deutschen Autobesitzer aktuell darüber nachdenken, bei der nächsten Anschaffung ein E-Auto zu kaufen. Die begrenzte Reichweite sowie die Länge des Ladevorgangs sind nach wie vor das Haupthindernis. Zudem zweifeln auch viele daran, ob E-Autos bei dem aktuellen Strommix die Umwelt tatsächlich entlasten.

Die aktuellen Diskussionen über Henne-Ei greifen folglich zu kurz. Wir müssen zunächst bezahlbaren grünen Strom in ausreichenden Mengen herstellen, um eine CO2-freie Wirtschaft zu ermöglichen. Es bringt nichts, Ziele zu formulieren, wie 15 Millionen E-Fahrzeuge bis 2030 auf deutschen Straßen, wenn die entsprechende Batterietechnik, die die Ansprüche der Kunden an Ladezeiten und Reichweite deckt, noch nicht zu einem bezahlbaren Preis zur Verfügung steht. Wenn gleichzeitig die Strompreise durch die Decke schießen, wird die E-Mobilität trotz Verteuerung der Kraftstoffe über die deutsche CO2-Abgabe für die reinen E-Autonutzer eventuell zu einem wirtschaftlichen Problem. Die Mehrzahl der heutigen E-Autos sind Zweitwagen und stehen deshalb für die Verbraucher nicht so im Fokus, wie für jemanden, der täglich auf sein Auto angewiesen ist.

Aktuell wird die E-Mobilität zudem über Subventionen beim Autokauf (6.000 Euro vom Staat) sowie bei der Kfz-Steuer und des Eigenanteils für betrieblich genutzte Pkws in einem enormen Umfang gefördert. Wenn ab sofort 1,5 Millionen E-Autos pro Jahr diese Förderung erhielten (9 Milliarden Euro), wäre die Regierung zu einem ähnlichen Handeln gezwungen wie aktuell im Gebäudesektor. Hier wurde kurzerhand die Förderung der Neubauten nach der KFW 55er Norm eingestellt, weil die entsprechenden Mittel im Bundeshaushalt in dieser Größenordnung dafür nicht vorgesehen waren.

Auf der einen Seite werden den europäischen Kfz-Herstellern sehr hohe CO2-Vorgaben aus der Politik gemacht und auf der anderen Seite sollen die Strafzahlungen der Automobilindustrie mit Hilfe von Kaufanreizen für den E-Käufer (letztlich für die Kfz-Hersteller) wieder vermieden werden. E-Mobilität funktioniert nur in Ländern, in denen den Käufern hohe Subventionen bei der Neuanschaffung von E-Fahrzeugen gewährt werden. In Deutschland werden solche Prämien seit mehr als drei Jahren bezahlt. Diese Fördergelder sollen bis 2025 fortgesetzt werden. Eine achtjährige Kaufpreissubvention für den Endverbraucher gibt es in keinem anderen Sektor. Zudem verdienen die Automobilhersteller, unter anderem Tesla, nur dank dieser Subventionen mit ihren E-Autos Geld, da sie ohne diese Prämien die Fahrzeugpreise senken müssten. Dies würde zu geringeren Erträgen oder gar Verlusten beim Verkauf von E-Autos führen.

E-Autobesitzer zahlen keine Energie- und Kfz-Steuer, die dem Staatshaushalt zurzeit jährlich 50 Milliarden Euro einbringen. Mittlerweile belastet die deutsche CO2-Abgabe und das EU-weite Treibhausgasminderungsziel die deutschen Kraftstoffpreise mit rund 16 Cent (10 Milliarden Euro) plus Mehrwertsteuer für den Endverbraucher. Der Wirtschaftsweise Volker Wieland schätzt, dass die 2021 eingeführte nationale CO2-Abgabe und die Treibhausgasminderungsziele, die 2021 erneut verschärft wurden, die deutsche Inflation in 2021 mit einem Prozent verteuerte. „Inflation ist Diebstahl am kleinen Mann“, sagte einmal der Sozialpolitiker und Arbeitsminister Norbert Blüm.