Falsch zertifiziertes Palmöl im Biodiesel?

Die deutsche Biokraftstoffindustrie hat im Juni Alarm geschlagen: Die Produktion von Biokraftstoffen in Deutschland und Europa könnte innerhalb weniger Monate zum Erliegen kommen, so die Branche oder dauerhaft gar verschwinden. Der Grund ist, dass immer mehr „mutmaßlich falsch deklarierter Biodiesel“ aus China eingeführt wird, so der Vorwurf des Verbands der deutschen Biokraftstoffindustrie (VDP). Gemäß Eurostat-Daten wurden zwischen Januar und April 2023 rund 831.000 Tonnen Biodiesel aus China in die EU eingeführt, und das war doppelt so viel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Deshalb äußerte der Verband der Biodieselerzeuger den Verdacht, dass ein Teil der Importe aus China fälschlicherweise als „fortschrittlich“ bezeichnet wurden. Als fortschrittliche Biokraftstoffe gelten solche, die aus bestimmten Reststoffen produziert werden. Die EU hat in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) aufgeführt, welche Rohstoffe diese Voraussetzung erfüllen. Gerade der fortschrittliche Biodiesel ist auf dem deutschen Markt besonders gefragt, da Mineralölunternehmen diesen benötigen, um die EU-Vorgaben der Treibhausgasemissionen zu erfüllen.

Fortschrittlicher Biodiesel kann mit dem doppelten Wert von Raps- oder Sojaöl angerechnet werden. Das Ziel der EU war, dass mehr Biodiesel aus Reststoffen (Stichwort Pommes-Fett) oder Produktionsresten (Halm statt Frucht) gewonnen werden soll. Biodiesel gilt weltweit als eine Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. Dieser Kraftstoff soll helfen den CO2-Ausstoß im Verkehr zu reduzieren. Deshalb sollen Mineralölunternehmen in Europa ihren Kraftstoffen Bioöle beimischen. Doch was ist, wenn diese Öle gar nicht klimaneutral sind?

Die deutschen Biokraftstoffhersteller sind laut VDP in den vergangenen Monaten dazu gezwungen gewesen, die Kapazitätsauslastung in ihren Anlagen auf 20 Prozent zu reduzieren. Die Produktionsmargen seien durch das zusätzliche Angebot von Biodiesel aus China negativ gewesen. Im Wesentlichen steht der Verdacht im Raum, dass falsch zertifizierte Biokraftstoffe aus China auf den europäischen und hier insbesondere den deutschen Markt drücken. Wie die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ berichtete, kommen über die chinesische Insel Hainan riesige, umdeklarierte Mengen Palmöl aus Indonesien und Malaysia nach Europa. Palmöl darf seit diesem Jahr in der EU nicht mehr als Biodiesel angeboten werden. Die Firma Hainan Hanpu Import and Export Trading verkauft – neben drei weiteren chinesischen Händlern – Biodiesel nach Europa und steht unter dem Verdacht Biodiesel umzudeklarieren.

Der Export von Biodiesel ist für chinesische Firmen attraktiv, weil die EU ein lukratives und viel zu komplexes System für Biokraftstoffe geschaffen hat. Um die Angaben der Biodieselhersteller zu prüfen, haben sich auf dem Markt private Zertifizierungsunternehmen etabliert. Eines der weltweit größten Unternehmen, die ISCC System GmbH, sitzt in Bonn. Dieses Unternehmen zertifiziert auch den verdächtigen Biodieselhersteller in Hainan, wie Die Zeit berichtete.

Der Vorwurf aus der deutschen Branche ist, dass ISCC die Prüfung/Audits in China anderen Unternehmen überlasse, deren Personal zu schlecht ausgebildet seien. Zudem habe das Unternehmen kein Interesse irgendwelche Händler auszuschließen, da jede Zertifizierung mehr Umsatz bringt, so Die Zeit. Laut dem Geschäftsführer von Verbio Deutschland, Claus Sauter, ist das Zertifizierungssystem der EU betrugsanfällig. ISCC weist dies zurück und betont, dass ihr System nicht auf Vertrauen, sondern auf Kontrolle basiere. In Deutschland soll die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung das hochkomplizierte System für Biodiesel überwachen und verwalten. Sie hat aber kaum Kontrolle über die ISCC, da sie in der Regel auf die Hilfe anderer Länder angewiesen ist. Eine Einreise nach Hainan wurde dem deutschen Ministerium von China verweigert. Letztlich entscheidet ohnehin nicht die Behörde über die Zertifizierung, sondern die ISCC. Diese hat nun erstmal die Händler von Hainan für gut sechs Wochen suspendiert. Die europäische Kommission will den Vorwürfen eines möglichen Betrugs in China nachgehen.

Grundsätzlich ist es ohnehin bedenklich, wie wir in Deutschland die Zertifizierung von fortschrittlichen Biokraftstoffen in nichteuropäischen Ländern – und hier insbesondere aus China beziehungsweise Fernost und Südamerika – nachhalten wollen. Das Verbot von Palmöl in der EU führte dazu, dass Palmöl jetzt als fortschrittliches, zertifiziertes Bioöl nach Europa strömt. Dass ein komplexes System zu Betrug von Firmen und Zertifizierungsunternehmen weit weg von Europa einlädt, ist nicht überraschend. Die Formulierung „schlecht ausgebildetes Personal“, sagt übersetzt nichts anderes als dass es in Hainan Korruption an den entsprechenden Stellen gibt.