Durch die Hintertür wird die Steuer für die anderen Autofahrer steigen – Erdgas- und Elektroautos will der Staat fördern
Dirk Lehr

Die Bundesregierung prüft zurzeit, ob und in welcher Höhe Auto- und Erdgas auch nach 2018 weiter steuerbegünstigt bleiben. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium der Finanzen einen Abschlussbericht über die Energiesteuereinnahmen im Kraftstoffsektor vorgelegt. Hierbei hat das Finanzministerium konkrete und differenzierte Annahmen zu den Fahrzeugneuzulassungen, der Fahrleistung und der Entwicklung der Energieeffizienz neuer Fahrzeugkonzepte bis 2030 vorgenommen.

Auf Basis dieser Annahmen soll der Anteil der Hybrid-Pkws, batterieelektrischer Fahrzeuge und Plug-in-elektrischer Fahrzeuge bei den Neuzulassungen kontinuierlich zunehmen. Das Finanzministerium glaubt, bis zum Jahr 2030 haben die Fahrzeuge mit externer Stromversorgung einen Anteil von 19 Prozent an den Neuzulassungen, während der Anteil der konventionellen Fahrzeuge mit Benzin- und Dieselantrieb auf 52 Prozent bis 2030 zurückgeht. Die restlichen 29 Prozent der Fahrzeuge sind im Wesentlichen Hybrid-Pkws. Der Anteil der LPG-Fahrzeuge würde in diesem Szenario von heute 500.000 auf 700.000 Fahrzeuge ansteigen und für Erdgasfahrzeuge wird ein Wachstum von heute 100.000 auf 600.000 Fahrzeuge angenommen, da die Erdgasfahrzeuge politisch stärker gefördert werden sollen. Gemäß diesem Szenario würden bis 2030 die Steuereinnahmen aus dem Kraftstoffbereich von heute 35,7 Milliarden Euro auf 31,5 Milliarden Euro, und dies wären 10 Prozent, sinken. Der Rückgang der Steuereinnahmen geht hauptsächlich auf den sinkenden Benzinabsatz für Pkws zurück, deren Beitrag zum Steueraufkommen zwischen 2016 und 2030 um 29 Prozent abnimmt. Die Einnahmen durch Diesel-Pkws gehen dagegen zwischen 2015 und 2030, trotz Effizienzverbesserungen, nur um 5 Prozent zurück, da in diesem Zeitraum durch den Anteil von Diesel-Pkws an den Neuzulassungen der Bestand an Diesel-Pkws wächst.

Die Auswirkungen der im September 2015 aufgedeckten Manipulationen von Abgaswerten auf die Zulassungen von Diesel-Pkws können auch in diesem Bericht noch nicht abgeschätzt werden, so das Finanzministerium. Die Annahme eines auch zukünftig hohen Dieselanteils an den Neuzulassungen wird weiterhin vom Finanzministerium als plausibel angesehen, wenn der Kostenvorteil durch die niedrigere Besteuerung von Dieselkraftstoff als ein wichtiger Anreiz für deren Anschaffung erhalten bleibt. Die Steuereinnahmen durch den Dieselabsatz für den Güterverkehr bleiben nach Einschätzung des Ministeriums bis 2030 konstant, da Effizienzverbesserungen durch eine steigende Verkehrsleistung der Lkws kompensiert werden.

Dass aufgrund dieser Erkenntnis die Verkehrswege ausgebaut werden müssten, ist in dem Bericht nicht zu finden. Eine effiziente moderne Wirtschaft mit rollenden Lägern braucht nicht nur ein schnelles Internet, sondern auch moderne Verkehrswege mit einer intelligenten Verknüpfung des Transports zu Luft, Wasser, Schiene und Straße.

Auto- und Erdgasfahrzeuge stellen heute mit einem Anteil von etwa 1,4 Prozent am Gesamtenergieverbrauch im Straßenverkehr ein Nischenphänomen dar. Dennoch führt die aktuelle Steuerbegünstigung für Auto- und Erdgas wegen der deutlichen Ermäßigung zu jährlichen Steuermindereinnahmen in Höhe von 180 Millionen Euro. Der Autogasbestand hat sich von 40.000 Pkws im Jahr 2006 auf 500.000 Fahrzeuge Anfang 2015 mehr als verzehnfacht. Der Bestand an Erdgas-Pkws hat sich in 10 Jahren von 30.000 Pkws im Jahr 2004 auf 80.000 Pkws Anfang 2015 fast verdreifacht. Das Marktangebot an Serienfahrzeugen ist sowohl bei Auto- als auch bei Erdgas beschränkt. Bei Autogas spielt das Marktangebot der Hersteller allerdings eine geringere Rolle, da durch einfache Umrüstungsmaßnahmen Fahrzeuge mit Autogas nachzurüsten sind.

Um die zukünftige Entwicklung auf das Steuereinkommen abzuschätzen, hat das Ministerium drei Szenarien entwickelt. In dem Szenario niedrig wird davon ausgegangen, dass ab 2020 keine neuen Gasfahrzeuge mehr zugelassen werden und der Bestand bis 2030 zurückgeht. Im mittleren Szenario geht die Behörde davon aus, dass der Bestand nur leicht um 10 Prozent wächst und im Szenario hoch wurde ein Anstieg der Autogasfahrzeuge auf 1,3 Millionen Einheiten im Jahr 2030 und etwa 900.000 Erdgasfahrzeuge prognostiziert. Je nachdem, welche Annahmen man trifft, kommt es zu unterschiedlichen Steuerausfällen.

Für Steuerausfälle durch eine Verlängerung der Steuerbegünstigung muss es nach dem Koalitionsvertrag eine Gegenfinanzierung im gleichen Politikbereich geben. Das heißt, die Einnahmen, die aus Auto- oder Erdgas fehlen, würden zum Beispiel auf Kraftstoffe für Benzin- und Dieselkraftstoff umgelegt. Wenn man das mittlere Szenario für die Auto- und Erdgasentwicklung unterstellt, würden dem Finanzminister in einem Zeitraum von 6 Jahren 785 Millionen Euro an Steuereinnahmen entgehen. Über einen Zeitraum von 8 Jahren erhöht sich im Szenario mittel der Steuerausfall bereits auf 1,46 Milliarden Euro.

Würde der Finanzminister ausschließlich Erdgas steuerbegünstigen und Autogas ab 2019 voll besteuern, würde der Steuerausfall nur 188 Millionen Euro betragen. Auch bei einer langsamen Abschmelzung der heutigen Steuerbegünstigung für Autogas ab 2019 bis 2022 lägen die Steuerausfälle im mittleren Szenario über 6 Jahre bei gut 320 Millionen Euro und damit immer noch deutlich höher, als wenn man ausschließlich Erdgas begünstigen würde.

Als Schlussfolgerung ist dem Papier des Finanzministeriums zu entnehmen, dass eine energiesteuerliche Begünstigung für Auto- und Erdgas für einen Zeitraum von 6 Jahren, das heißt bis 2024 befristet, fortgesetzt werden kann. Ein Abschmelzen dieser Steuerbegünstigung ist in diesem Zeitraum zu erwarten, da die Steuerbegünstigung nicht unbegrenzt gewährt werden soll, so das Finanzministerium. Bei Erdgas kann man sich eine stärkere Förderung vorstellen, da der Marktanteil und die Tankstelleninfrastruktur bei Erdgastankstellen zurzeit weniger weit entwickelt sind als bei Autogas und somit der Förderbedarf als höher angesehen wird.

Zwischen den Zeilen des Berichtes kann man auch lesen, dass weitere Steuererhöhungen bei Otto- und Dieselkraftstoff kommen werden, da das effektive Aufkommen aus diesen beiden Kraftstoffsorten zwischen 2016 und 2030 um 4 Milliarden Euro schrumpft. Da der Finanzminister einerseits Auto- und Erdgas steuerlich begünstigt und auch darüber nachdenkt, eventuell Elektrofahrzeuge zu bezuschussen, muss dies andererseits von Otto- und Dieselkraftstofffahrern bezahlt werden, so die Forderung des Berichtes und der Politik.

In dieser Legislaturperiode wird der Gesetzgeber keine Mineralölsteuererhöhung beschließen, denn laut Koalitionsvertrag sind keine steuerlichen Veränderungen in dieser Legislaturperiode geplant. Nach den Wahlen 2017 gilt dieses Versprechen nicht mehr und die Erfahrung lehrt, dass geplante Steuererhöhungen direkt am Anfang einer Legislaturperiode durchgezogen werden. Wenn nach 4 Jahren wieder Wahlen anstehen, sind diese Steuererhöhungen bei den Wählern meist wieder vergessen.