Biosprit – die unendliche Geschichte

Zwischen dem europäischen Parlament und der EU-Kommission gehen die Kämpfe um den Anteil von Biosprit bei Otto- und Dieselkraftstoffen weiter. Die Interessenvertreter der Landwirtschaft, aber auch der Biokraftstoffproduzenten haben ihre Lobbyisten in Stellung gebracht. Der eine kämpft für Weizen, der andere für Zucker, der nächste für Raps, Soja oder Mais und wieder andere für Palmöl und freien Import. Biokraftstoffe der zweiten Generation aus Pflanzen werden ebenfalls angepriesen, wie Biokraftstoffe aus tierischen Abfällen. Argumentiert wird mit Nachhaltigkeit, Tank oder Teller bzw. Tank oder Trog und neuerdings auch Tank statt Tonne, wobei Letzteres im Hinblick auf tierischen Abfall gemeint ist. Hinzu kommt, dass, wenn über Bioquoten bei der Beimischung gesprochen wird, auf den Energiegehalt der Beimischung abgehoben wird und dieser Wert von den tatsächlichen Volumenprozent, die effektiv beizumischen sind, abweicht. Für den Laien ist dieses Thema mittlerweile kaum verständlich und man kann nur hoffen, dass die Politiker, die über die Beimischungsquoten abstimmen, erkennen, dass es Unterschiede zwischen Energiegehalt und Volumenprozent gibt.

Aus diesem Grund zunächst ein kleiner Exkurs. Zurzeit sind dem Otto- und Dieselkraftstoff insgesamt 6,25 Prozent Energiegehalt mit Biokraftstoffen beizumischen. 6,25 Prozent Energiegehalt entsprechen ca. 7 Volumenprozent Beimischungsquote von Biodiesel beim Diesel und beim Ottokraftstoff rund 9,5 Volumenprozent Ethanol. Gemäß EU-Norm ist beim Diesel eine maximale Beimischung von bis zu 7 Volumenprozent möglich (B7), beim Ottokraftstoff maximal 10 Prozent für den E10 und maximal 5 Prozent für den E5. Da mit den heutigen Absatzanteilen knapp 14 Prozent E10 und 86 Prozent E5 vom Gesamtottokraftstoffumsatz diese Quoten nicht zu erfüllen sind, muss die Branche jährlich entsprechende Pönalen an den Finanzminister überweisen. Diese Pönalen verteuern das Produkt und werden letztlich vom Endverbraucher getragen.

In Zukunft kann es in der EU noch etwas komplizierter werden. Die landwirtschaftliche Lobby will, dass die Biokraftstoffbeimischungsquoten aus Nahrungsmitteln weiterhin relativ hoch bleiben. Die EU strebt hier einen Wert von 6 Prozent Energiegehalt an. Andererseits sollen mindestens -und hier stellt sich die Frage, ob zusätzlich oder in den 6 Prozent Energiegehalt enthalten- weitere 2,5 Prozent des Endenergieverbrauchs durch Biotreibstoffe der zweiten Generation abgedeckt werden. Dies sind Biokraftstoffe aus Algen und bestimmten Arten von Bioabfällen. Diese Kraftstoffe der zweiten Generation sollen rechnerisch mit einem vierfach höheren Wert auf die erforderliche Beimischungsquote angerechnet werden als Biokraftstoffe der ersten Generation. Das heißt, wenn Biokraftstoffe der zweiten Generation dem Otto- und Dieselkraftstoff beigemischt würden, wäre die gesetzlich erforderliche Beimischungsquote mit einem Viertel der Menge bereits realisiert. Zudem werden heute schon Biokraftstoffe aus Tierfetten und Abfällen mit dem zweifachen Faktor angerechnet. Das heißt, Otto- und Dieselkraftstoffe, die mit diesen Bioprodukten gemischt werden, kommen mit einer 50-prozentigen Beimischungsquote aus. Wenn Biokraftstoffe der ersten Generation zugesetzt werden, muss die 100-prozentige Beimischungsquote erbracht werden, um die gesetzlich geforderte Quote zu erlangen.

Experten gehen davon aus, dass vor der Europawahl im Mai 2014 keine Entscheidung über die zukünftigen Beimischungsquoten fällt. Es ist damit zu rechnen, dass in der zweiten Hälfte 2014 die entsprechenden Weichen in Brüssel bzw. Straßburg gestellt werden und dass diese Verordnung dann frühestens 2015 in den jeweiligen Ländern umzusetzen ist. Die einzelnen europäischen Länder haben auch unterschiedlichste Interessenslagen. Agrarstaaten wollen selbstverständlich möglichst viele Bioprodukte der ersten Generation vermarkten. Andere Staaten, die in der Technik oder auch bei der Genmanipulation freier sind, möchten auf die zweite Generation setzen.

Ob am Ende des Tages die heutige Gesamtquote von 6,25 Prozent Energiegehalt weiter erhöht wird oder ob es bei der heutigen Verordnung, nur mit anderen Beimischungsquoten für die jeweiligen Bioprodukte, bleibt, ist im Ergebnis offen.

Aus heutiger Sicht müssen wir als Mineralölunternehmen davon ausgehen, dass in Deutschland die Produkte E5, E10 und B7 in der jetzigen Form in den nächsten Jahren im Markt erhalten bleiben. Auch die Pönale, die ja keine unbeträchtliche Steuereinnahme ist, wird so schnell nicht verschwinden, sodass für den Verbraucher diese Belastung bestehen bleibt. Da unsere Branche im Hinblick auf die Beimischung von Bioquoten, gerade im Bereich der Raffinerien und des mittelständischen Lagerwesens, in den letzten Jahren erhebliche Investitionen und Anstrengungen unternommen hat, wäre es gut, wenn diese Rahmenbedingungen verlässlich fortgeschrieben würden. Auf jeden Fall ist offensichtlich, dass weitere Aufstockungen bei Ottokraftstoff von E10 auf E20 – wie ursprünglich einmal angedacht- oder von B7 auf B15 im Rahmen der EU nicht weiter verfolgt werden. Scheinbar hat die Politik eingesehen, dass die Verbraucher das nicht mitmachen. Die Automobilindustrie hat auch zu erkennen gegeben, dass E10 und B7 für die heutigen Motorengeneration zurzeit das Maximum sind.

Die Politik spricht auch gerne vom Biokraftstoff der zweiten Generation. Doch was ist das und gibt es genug davon? Biokraftstoffe der zweiten Generation werden nicht aus der Frucht, das heißt, aus Raps, Mais oder Zuckerrübe gewonnen, sondern aus den Bioabfällen, wie Stroh oder nicht essbaren Gräsern. Allerdings gibt es hier nach wie vor ein Problem: Biomasse besteht zu einem guten Teil aus Lignin. Lignin ist in reiner Form ein äußerst zähes Material und dieses verhindert, dass die Bakterien und Hefen, die bewirken, dass die Zellulose aus den Pflanzen zu Ethanol vergären, gar nicht zu ihrem Ziel kommen. Diese Pilze aus dem zähen Ligninschutzschild zu entfernen, ist ein langwieriger und aufwändiger Prozess. Eine andere Alternative wäre es, mit hochkonzentrierten Säuren Holz- und Strohschnitzel über längere Zeit zu „kochen“. Letzteres kostet aber wieder eine Menge Energie und würde somit die Energiebilanz eines solchen Produktes in Frage stellen.

Einige Professoren sind auf die Idee gekommen, das Gen, das für die Ligninbildung zuständig ist, aus dem Produkt zu entfernen. So wollen Forscher zum Beispiel die Gene der Rutenhirse manipulieren. Diese schnellwüchsige Pflanze stünde dann zur Verwertung zur Verfügung. Allerdings räumen die Wissenschaftler ein, dass es noch längere Zeit dauert, bevor dieses Verfahren wirtschaftlich verwertbar ist. Hinzu kommt, dass diese genveränderten Pflanzen in Europa wahrscheinlich gar nicht zugelassen würden. Anders sähe es in den USA aus. In Europa gibt es bis heute nur wenige Anlagen, die in der Lage sind, aus Pflanzenabfällen Biosprit herzustellen. Das Fraunhofer Institut sagte auch ganz klar: “Biokraftstoffe der 2. Generation lassen sich, bedingt durch den hohen technischen und finanziellen Aufwand zurzeit noch nicht wirtschaftlich herstellen.“ Wo dieser Markt so rasch herkommen soll, ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar. Dennoch diskutiert die Politik, wie diese Produkte bei den Beimischungsquoten für Biosprit zu behandeln sind.

Eine weitere Variante ist es, aus Tierresten -unter anderem auch aus Schlachtabfällen- Biosprit herzustellen. Anlässlich unserer Partnertagung 2007 hatten wir zu diesem Thema geäußert, dass uns ein ungutes Gefühl beschleicht, wenn eines Tages unser liebgewonnenes Haustier nach seinem Tod in unseren Tanks landet und über den Auspuff als Abgas in die ewigen Jagdgründe einzieht.

Allerdings scheint es bei der Herstellung von Biosprit aus Abfällen einen weiteren technischen Fortschritt zu geben. Der finnische Ölkonzern Neste Oil gibt seit Dezember 2011 täglich tausende Tonnen unbrauchbares Tierfett aus Schlachtereiabfällen aus ganz Europa in die Tanks seiner größten europäischen Ökoraffinerie in Rotterdam. Zusätzlich werden Reste aus der Fischindustrie oder Bratfett aus Großküchen herangeschleppt und einer Verwertung zum Biosprit zugeführt. Die zähflüssige Abfallmixtur wird gereinigt und mittels einer chemischen Reaktion mit Wasserstoff versetzt. Hierdurch entsteht ein Biosprit, der Palmöl, Raps und Soja bei der Biodieselbeimischung ersetzen kann. Wenn Abfall zu Kraftstoff wird, stellt sich nicht mehr die Diskussion „Tank oder Teller“, sondern wird ersetzt durch „Tank statt Tonne“.

Es wird spannend bleiben, wie es beim Kampf um Biosprit weitergeht. Hier wird auf europäischer Ebene ein Kampf der Interessensvertreter stattfinden, und wenn man genauer hinsieht, geht es hierbei wohl schon länger nicht mehr um die Interessen der Umwelt, des CO2-Ausstoßes oder der Nachhaltigkeit.