Einstiegsdroge ins Autofahren
Führt Carsharing zu mehr Klimaschutz durch Autofahren? Im Februar legte der Bundesverband Carsharing die neuesten Zahlen zu dem seit Jahren wachsenden Markt vor.
Die stationsunabhängigen Carsharer wuchsen in den vergangenen Jahren besonders stark. Dahinter stehen vor allem die Autobauer Daimler (Car2go), BMW (Drive Now) und Citroën (Multicity). Die sogenannten Free-floating-Angebote in Großstädten machten schon 2016 rund 40 Prozent des Angebots aus. Die klassischen stationsbasierten Anbieter wachsen in kleineren Städten.
Carsharing-Verfechter sprechen gerne vom „Klimaschutz durch Autofahren“. Ein Wagen ersetze mehrere private Autos, betont der Branchenverband seit Jahren. Doch ist diese Aussage richtig? Die Beratungsgesellschaft Geograf kam zu dem Ergebnis: Viele Fahrten sind wenige Kilometer lang und führen nach Feierabend allenfalls von einem Szeneviertel ins nächste (trotz Bus-Monatskarte im Portemonnaie). Bequemlichkeitsmobilität als Ersatzprodukt für das Fahrrad, den öffentlichen Verkehr und das Taxi, so Geograf in einem NTV Beitrag. Durchschnittlich fahren solche Carsharing-Fahrzeuge eine Stunde pro Tag – und wären damit so ineffizient wie ein Privatauto. Die Fahrt mit dem Carsharing-Auto ist teurer als das Busticket und erhöht somit die Mobilitätsausgaben des Kunden, so geht es aus der Untersuchung hervor.
Für die Automobilhersteller ist Carsharing ein Milliardenmarkt. Auch der Autoexperte Stefan Bratzel, Professor und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach, spricht von der Einstiegsdroge in das Autofahren. Daimler formulierte vor einer Weile, letztlich sei eine Fahrt mit Car2go immer auch eine Probefahrt mit dem Smart. Auch das Bundesumweltministerium ging der Frage nach, wohin Carsharing führt und stellte fest, dass beim stationsbasierten Anbieter Flinkster 72 Prozent der Kunden kein Auto haben, während es beim Free-floating-Angebot von Drive Now nur 43 Prozent der Kunden sind. 10 Prozent der Drive Now-Nutzer gaben an ihren Privatwagen zugunsten von Carsharing verkauft zu haben. Doch 18 Prozent planten auch den Kauf eines neuen Autos.
Die deutsche Umwelthilfe warnt deshalb Kommunen davor, für Carsharing kostenlose Parkplätze und reserviert Stellflächen zu fördern. Diese Möglichkeit hatte der Gesetzgeber 2016 für die Kommunen geschaffen.
Letztendlich schafft Carsharing ein zusätzliches Mobilitätsangebot, das auch bei einem Teil der Verbraucher auf Zuspruch stoßen wird und somit zu einer Steigerung des Individualverkehrs in Großstätten führt. Der Rückschluss, dass durch Carsharing weniger Kilometer mit dem Auto zurückgelegt werden, ist unlogisch und nicht nachzuvollziehen.