Mit dem eActros 600 will Daimler Ende 2024 in die Serienproduktion gehen.

In der Lkw-Branche wurde in den vergangenen Jahren vieles ausprobiert. 2000 bis 2010 war es der Biodiesel und vor ein paar Jahren sollte es flüssiges Erdgas sein. Nichts davon hat wirklich funktioniert, sodass die Spediteure Angst vor weiteren Fehlinvestitionen bei der Antriebstechnik haben. Fast 96 Prozent aller Trucks, die in der EU im ersten Halbjahr 2023 verkauft wurden, sind mit einem Selbstzünder ausgestattet. Der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge liegt dagegen trotz üppiger Förderungen nur bei 1,3 Prozent. Nicht einmal 2.400 Stromlaster wurden in den vergangenen Monaten zwischen Lissabon und Helsinki verkauft, wie das Handelsblatt berichtete.

Daimler stellte am 10. Oktober 2023 den Mercedes-Benz eActros 600 auf einer Raststätte bei Hamburg vor. Ohne nachladen soll der 40 Tonnen schwere Laster rund 500 Kilometer weit kommen und eine Trendwende in der Branche einleiten. Die Speditionsbranche und insbesondere die kleinen und mittelständischen Spediteure stehen dem E-Truck mit Zurückhaltung gegenüber. Der Grund ist einfach: Batterie-Lkw kosten in der Anschaffung zwei- bis zweieinhalbmal so viel wie Verbrenner. Demnach müssen Transportfirmen für den eActros 600 mindestens 200.000 bis 250.000 Euro oder mehr ausgeben. Zum konkreten Preis hat Daimler sich noch nicht ausgelassen. Allein für die Batterie dürfte beim eActros im Vergleich zum Diesel-Pendant ein Aufpreis von 60.000 Euro entstehen, so das Handelsblatt. Für jede der 600 Kilowattstunden Batteriekapazität müsse man mit Kosten von 100 Euro kalkulieren.

„Es gibt derzeit keinen klaren Business-Case für Elektro-Lkws“ sagte ein Insider zum Handelsblatt. Um die 12.000 Nutzfahrzeuge zum Ausliefern von Lebensmitteln in Deutschland auf elektrische Antriebe umzustellen, würden jährlich zusätzliche Kosten von 600 bis 700 Millionen Euro entstehen, schätzt das Center Automotive Research von Ferdinand Dudenhöffer. Die Ausgaben für die Ladeinfrastruktur sind dabei noch nicht eingerechnet. „Noch ist völlig unklar, wie diese Kosten gedeckt werden können“, so Ferdinand Dudenhöffer. Um die Kohlendioxidemissionen von Bussen und Lastern, wie von der EU vorgesehen, bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 2019 zu reduzieren, geht Daimler davon aus, dass Deutschland und Frankreich eine CO2-gestaffelte Maut für Nutzfahrzeuge einführen werden. Davon würden Laster mit Batterien und wasserstoffbasierten Brennstoffzellen profitieren. Allerdings mangelt es derzeit noch an Ladesäulen für Laster.

Der erfolgreiche Hochlauf der batteriebetriebenen E-Mobilität für schwere Nutzfahrzeuge ist ein Kraftakt und hängt entscheidend mit dem massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur in Europa zusammen“, so Bernd Heid, Senior Partner bei McKinsey. Um den Lastverkehr elektrisch aufzustellen, würden allein in Europa 600.000 Ladepunkte gebraucht, die allermeisten davon in Logistikzentren und Flotten-Ladepunkten. Die nötigen Investitionen schätzt McKinsey auf bis 25 Milliarden Euro.

Der eActros 600 soll neben dem CCS-Laden mit bis zu 400 kW später auch das Megawattladen ermöglichen. Ab Verkaufsstart können Kunden dafür eine Vorrüstung bestellen. Sobald die MCS-Technologie verfügbar und herstellerübergreifend standardisiert ist, soll sie für die Modelle des eActros 600 nachrüstbar sein. Die Akkus sollen an einem entsprechenden Ladegerät mit etwa einem Megawatt Leistung in circa 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent aufgeladen werden.

Das neue Fahrzeug hat ein maximales Gesamtgewicht von 44 Tonnen. Bei einem Standardsattelaufleger beträgt die Nutzlast rund 22 Tonnen. Mercedes hat bei der Vorführung nicht bekanntgegeben, um wie viel das hohe Gewicht der Batterien die Nutzlast senkt. Auch dies ist ein wichtiger Punkt für die Spediteure.

Daimler erklärt, dass bei einer Nutzungsdauer von fünf Jahren oder 600.000 gefahrenen Kilometern die Kostenkalkulation für Modelle wie den eActros 600 gegenüber Verbrennern gut aussieht. Der Grund ist, dass die Betriebskosten von Elektrolastern geringer wären. Somit würden sich über die Zeit die höheren Anschaffungskosten amortisieren. Ob und wann sich elektrische Laster wirklich rechnen, hängt jedoch nicht zuletzt von der Entwicklung der Strompreise ab. Und das ist eine recht volatile Größe, zumindest in Deutschland, so das Handelsblatt.

Es sind noch einige Hürden zu nehmen bis bezahlbare und entsprechend einsetzbare E-Trucks von den Herstellern in den Markt gebracht werden können. Der eActros ist ein erster Ansatz, aber er kann in dieser Ausgestaltung noch nicht das Ende der Entwicklung sein.