Eine Auflage, die das Tankstellensterben beschleunigen könnte

Das Bundeskabinett hat Ende Mai 2024 eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Demnach sollen Unternehmen mit mindestens 200 Tankstellen ab dem 1. Januar 2028 grundsätzlich an jeder Tankstelle mindestens einen öffentlich zugänglichen Schnelladepunkt mit einer Leistung von mindestens 150 kW betreiben müssen. Ziel der Bundesregierung ist es, dass bis zum Jahr 2030 in Deutschland 15 Millionen Elektroautos zugelassen sind. Zum Jahresanfang 2024 waren es nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes rund 1,4 Millionen Einheiten.

Im Gesetzesentwurf heißt es zur Begründung für die Versorgungsauflage, der Ausbau von Schnellladeinfrastruktur an Tankstellen habe bereits begonnen. „Allerdings erfolgt dieser bislang noch nicht flächendeckend und regional heterogen.“ Verwiesen wird auf die Bedeutung von Tankstellen. „Zum einen stellen Tankstellen mit ihren verkehrsgünstigen Standorten die deutschlandweite Versorgung von Kraftfahrzeugen mit Kraftstoff sicher. Zum anderen gelten sie im Alltag als vertraute und attraktive Anlaufstellen.“

Durch die Versorgungsauflage wird dem Entwurf zufolge mit zusätzlich rund 8.000 neuen Schnellladepunkten gerechnet. Nach Angaben des Ministeriums sind mit Stand April von 115.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten knapp 22.000 Schnellladepunkte. Der Gesetzgeber hat ein paar Ausnahmen zugelassen und will auch eine Härtefallregelung vorsehen, wenn es zu wirtschaftlich unzumutbaren Belastungen kommen sollte.

Der Aral Vorstandschef Achim Bothe lehnte die geplanten Versorgungsauflagen ab. Das erinnere ihn an Planwirtschaft und funktioniere nicht, so Aral. Bothe sagte, die Verpflichtung werde zu Fehlinvestitionen führen. Er fordert, dass die Mineralölwirtschaft sich auf die Standorte konzentrieren sollte, an denen das größte Potenzial für Nachfrage und Nutzung besteht. Und Bothe weiter: „Aber nicht jede Tankstelle braucht eine Ladesäule“. Auch der Wirtschaftsverband Fuels und Energie en2x prangerte den Ladesäulenzwang an Tankstellen als reine Symbolpolitik an.

Das Bundesverkehrsministerium geht davon aus, dass etwa 60 Prozent der insgesamt rund 14.000 Tankstellen von dem Gesetz erfasst würden. Der Entwurf sieht als Alternative für die Tankstellenbetreiber auch vor, dass die Ladesäulen in einer Entfernung von bis zu einem Kilometer von der bisherigen Tankstelle errichtet werden können. Dann müsste jedoch mehr als ein Ladepunkt gebaut werden.

Diese hohe Investition in die Elektrosäule wird unter Umständen auch den einen oder anderen Tankstellenstandort in Frage stellen. Die Investition mit entsprechenden Folgekosten kann dazu führen, dass sich eine Tankstelle, die sich mit dem Mineralölvertrieb und dem Shopgeschäft noch wirtschaftlich darstellen ließe, nicht mehr trägt. Dies trifft insbesondere auf kleinere Tankstellen der Mineralölketten im ländlichen Raum zu. Gerade in den Gebieten, wo die Tankstellenversorgung heute bereits recht schlecht ist, kann es sein, dass die Netzdichte an Tankstellen weiter abnimmt.

Zudem stellt sich rein rechtlich die Frage, ob der Gesetzgeber den Tankstellen eine solche Pflicht überhaupt auferlegen kann. Aus welchem Grund sollen gerade Tankstellen eine Stromtankstelle betreiben? Warum gilt dies nicht eher für alle Lebensmittel- oder andere Märkte, an denen der Kunde eine längere Verweildauer hat und somit die Möglichkeit, dort Strom zu tanken? Warum wird diese Auflage nicht den Stromproduzenten wie RWE, E.ON oder EnBW gemacht, die den Strom herstellen und für deren Verteilung zuständig sind? Diese könnten am besten einschätzen, wo am effizientesten neue Zapfsäulen zu errichten wären.

Dass die Mineralölbranche diesen Zwang ohne rechtliche Prüfung annimmt, ist eigentlich nicht zu erwarten.