Werden die Tankstellenpreise 2027 über 2,50 Euro steigen und das Wachstum der Wirtschaft bremsen? Die Politik muss bis Ende 2025 die Weichen stellen.

Die Mineralölbranche in Europa ist gesetzlich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen ihrer Kraftstoffe schrittweise zu senken. Gleichzeitig erhebt Deutschland eine nationale CO₂-Abgabe, die 2027 in ein europäisches System überführt werden soll – was in der Praxis zu einer doppelten Belastung führt. In der EU wird die Minderung der Emissionen über die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) geregelt, die in Deutschland durch das Bundesemissionsschutzgesetz und entsprechende Verordnungen in nationales Recht überführt wurde. Für das Jahr 2025 liegt die Reduktionsvorgabe bei 10,6 Prozent; bis 2030 soll sie auf 25,1 Prozent steigen. Es gibt bereits Bestrebungen, dieses Ziel auf 30 Prozent anzuheben.

Zur Erfüllung dieser Vorgaben stehen den Mineralölunternehmen mehrere Möglichkeiten offen, etwa die Beimischung nachhaltiger Kraftstoffe wie Biodiesel oder Bioethanol. Allerdings reichen die aktuellen Beimischungsquoten (7  Prozent bei Diesel, maximal 10  Prozent bei E10) nicht aus. Auch synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) oder grüner Wasserstoff könnten helfen – doch ein funktionierender Markt für diese Produkte existiert bislang nicht. Daher kaufen Mineralölunternehmen THG-Quoten von Dritten, zum Beispiel von E-Fahrzeughaltern, Betreibern öffentlicher Ladeinfrastruktur oder Anbietern nachhaltiger Kraftstoffe wie Biomethan. Diese Maßnahmen verteuern den Kraftstoff aktuell um rund 8 Cent pro Liter (ohne Mehrwertsteuer).

Seit 2021 gilt in Deutschland zusätzlich das nationale Brennstoffemissionshandelsgesetz, mit dem eine CO₂-Abgabe auf Kraftstoffe eingeführt wurde. Ziel war es, fossile Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas zu verteuern und dadurch klimafreundlichere Alternativen zu fördern. Eine ursprünglich geplante Rückerstattung an die Bürger in Form einer Kopfpauschale wurde sowohl von der vorherigen als auch der aktuellen Bundesregierung verworfen.

Der CO₂-Preis begann 2021 bei 25 Euro/Tonne und liegt 2025 bei 55 Euro/Tonne, was den Literpreis für Benzin um 13 Cent und Diesel um 15 Cent erhöht (jeweils ohne Mehrwertsteuer). Für 2026 sind CO₂-Abgaben zwischen 55 und 65 Euro geplant. Ab 2027 soll ein EU-weiter Zertifikatehandel starten, in den das deutsche System überführt wird. Wie stark die Preise ab 2027 steigen, ist unklar. Die EU-Kommission rechnete 2021 für 2030 mit Preisen zwischen 48 und 80 Euro/Tonne CO₂. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung prognostizierte 2023 sogar 126 Euro/Tonne, was den Kraftstoffpreis um zusätzliche 20 Cent (ohne Mehrwertsteuer) erhöhen würde. Das Mercator Research Institute nannte eine Spanne von 200 bis 300 Euro/Tonne – die potentielle Preissprünge von 50 bis 80 Cent pro Liter (ohne Mehrwertsteuer) nach sich ziehen könnte.

In wirtschaftlich schwächeren EU-Staaten regt sich bereits Widerstand gegen diesen Ansatz. Auch im Europaparlament gibt es Zweifel. Drei EVP-Abgeordnete fordern in einem Brief an die Kommission eine Folgenabschätzung. Die Sorge: hohe finanzielle Belastungen für private Haushalte und kleine Unternehmen.

Um soziale Härten abzufedern, hat die EU einen Klimasozialfonds (KSF) eingerichtet. Dieser soll unter anderem durch Einkommenszuschüsse, Gebäudesanierungen und Mobilitätsförderung helfen. Dafür stehen 85 Milliarden Euro zur Verfügung. Eine weitere Option wäre, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) den betroffenen Staaten Kredite vorfinanziert, die später durch Einnahmen aus dem ETS-2-Zertifikatehandel getilgt werden.

Die Hoffnung, dass die Bürger ab 2027 vermehrt auf E-Fahrzeuge umsteigen, hat sich bisher nicht erfüllt. Die Realität: Die Kunden akzeptieren die Elektromobilität (noch) nicht als echte Alternative. Die Folge: Auf den Literpreis kommen inzwischen vier staatliche Abgaben – Mineralölsteuer (65 Cent), Mehrwertsteuer (circa 25 Cent beim aktuellen Tankstellenpreis) und CO₂-Abgabe (circa 15 Cent) plus THG-Kosten (circa 8 Cent).

Die Mineralölbranche wartet auf Klarheit – sowohl zu den THG-Zielen für 2026/27 als auch zur europäischen CO₂-Regelung in 2027. Je nach Szenario könnte der Benzinpreis 2030 bei einem Rohölpreis von 65 Dollar und einem Wechselkurs von 1,10 Euro in Deutschland wie folgt aussehen:

CO₂-Preis Benzinpreis Dieselpreis
126 €/t 1,90 €/l 1,80 €/l
200 €/t 2,20 €/l 2,10 €/l
300 €/t 2,65 €/l 2,55 €/l


 
Diese Preise enthalten noch nicht die möglichen Effekte weiter verschärfter EU-THG-Vorgaben. Politischer Sprengstoff ist also vorprogrammiert – zumal viele osteuropäische Länder sowie Bürger in ganz Europa durch die Entwicklung aufgeschreckt werden dürften. Die Politik muss gegensteuern – entweder durch ein Bürgergeldmodell, wie es einst angedacht war, oder durch eine moderate und planbare Erhöhung der jährlich steigenden CO₂-Kosten.

Auch die Transportbranche dürfte durch steigende Kraftstoffkosten erheblich belastet werden, mit entsprechenden Folgen für die gesamte Wirtschaft. Für die Inflation wirken die CO₂-Kosten wie ein Booster. Eine dauerhafte 10-prozentige Verteuerung reduziert das Wirtschaftswachstum in Deutschland um 0,1 bis 0,2 Prozent, so der KfW Chefvolkswirt in der FAZ zu der Rohölpreisentwicklung. Übertragen auf die zu erwartenden Preissteigerungen durch die CO₂-Abgabe ohne Rückerstattung an die Bürger, würde das Wachstum im günstigsten Fall um 0,2 Prozent und im ungünstigsten Fall um 1 Prozent eingebremst. Die Diskussion bezieht sich nicht nur auf den Tankstellenmarkt. Auch der Heizungssektor wird erheblich betroffen sein – vor allem in Deutschland, wo viele Immobilien auf Öl und Gas angewiesen sind.

Die EU und die Bundesregierung müssen bis spätestens Ende 2025 klar kommunizieren, wie der Emissionshandel ab dem 1. Januar 2027 gestaltet wird, damit sich der Mineralölmarkt darauf einstellen kann. Zudem müssen Bürger und Unternehmen rechtzeitig wissen, welche Kosten ab 2027 auf sie zukommen. Verlässlichkeit und Planbarkeit sind dabei entscheidend – Klimaziele dürfen nicht zu sozialer oder wirtschaftlicher Überforderung führen. Es ist außerdem zu bedenken, dass der europäische CO₂-Handel ausschließlich EU-Staaten betrifft – den Rest der Welt interessiert unsere europäischen Preissteigerungen wenig.