Wer soll das am Ende alles bezahlen

Mit der Überschrift „Das teure Gesetz“ ging das Handelsblatt in einem kritischen Artikel auf die Verschärfung der Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung, die im Mai beschlossen wurden, ein.

Das CO2-Einsparziel für 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen und bis 2045 in Deutschland klimaneutral zu werden, bedarf laut dem Klima- und Energieexperten von der Boston Consulting Group (BCG) Patrick Herhold, einer unglaublichen Kraftanstrengung.

Was bedeutet dies für die einzelnen Sektoren? Dieser Frage gingen die Experten von BCG einmal nach.

Gebäude
Ab 2023 dürfen beim Ausbau einer Heizung in Bestandsgebäuden und auch in Neubauten keine Öl- und Gasheizungen mehr installiert werden. Ebenfalls ab 2023 müssen doppelt so viele Gebäude wie bisher pro Jahr energetisch saniert werden. Anderenfalls lassen sich die neuen Klimaziele im Gebäudesektor nicht erreichen, so die BCG. Der Gebäudebestand in Deutschland steht für rund ein Drittel der CO2-Emissionen. Seit Jahren liegt die Rate der energetischen Sanierung unter einem Wert von einem Prozent. Das heißt, wenn es so weitergeht, ist der Bestand in einhundert Jahren durchsaniert. Die bundeseigene deutsche Energieagentur (DENA) kam 2018 in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die energetische Sanierung des Gebäudebestands je nach Technologieansatz 518 bis 932 Milliarden Euro kosten wird. Allerdings unterstellte die Studie noch CO2-Reduktionsziele von 80 bis 95 Prozent bis 2050. Jetzt wurde das Ziel auf 2045 vorgezogen und mit kompletter Klimaneutralität auf 100 Prozent gesetzt.

Strom
Im Stromsektor kommt die BCG zu dem Ergebnis, dass bis 2030 der Kohleausstieg vollzogen sein muss, wenn sich gleichzeitig der jährliche Zubau von Wind- und Photovoltaikanlagen verdoppelt und die Gaskraftwerkskapazitäten um 30 Gigawatt erhöht werden. Eine Verdoppelung des Ausbaus von Wind und Solar bis 2030 ist bei den vielen regionalen Widerständen kaum zu erwarten. Auch der Bau neuer Gaskraftwerke in dieser kurzen Zeit ist bei den deutschen Genehmigungsverfahren ein ehrgeiziges Projekt. Zudem würden die Gaskraftwerke nur zum Einsatz kommen, wenn Wind und Sonne nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Mit wenigen hundert Betriebsstunden pro Jahr lässt sich jedoch kein neues Gaskraftwerk wirtschaftlich betreiben oder gar finanzieren. Allerdings kann es passieren, dass der Kohleausstieg bis 2030 aus wirtschaftlichen Gründen unerlässlich wird. Die Preise für CO2-Emissionszertifikate sind zuletzt so stark gestiegen, dass sich mit Kohlekraftwerken oft kein Geld mehr verdienen lässt. Viele Betreiber werden ihre Kohlemeiler in den kommenden Jahren daher vermutlich freiwillig vom Netz nehmen, so die BCG in ihrer Studie.

Industrie
Die Industrie muss in den nächsten zehn Jahren auf Gas, Öl und Kohle verzichten, wenn sie die neuen Vorgaben erreichen will. Das heißt, die Produktionsprozesse müssen komplett umgestellt werden. Die Stahlindustrie schätzt, dass 30 Milliarden Euro aufgewendet werden müssen, um die Dekarbonisierung zu erreichen. Die chemische Industrie spricht von 45 Milliarden Euro. Doch neben diesen hohen Aufwendungen sind grüner Stahl oder grüne Chemie mit wesentlich höheren Herstellungskosten verbunden und im Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig, es sein denn, diese Umstellungen werden von staatlicher Seite mit Dauersubventionen ausgestattet. Zudem weist die Studie darauf hin, dass allein die Chemie für die Klimaneutralität mehr grünen Strom als der derzeitige gesamte Stromverbrauch in Deutschland benötigt und das zu günstigen Strompreisen rund um die Uhr und bei jedem Wetter.

Verkehr
Im Verkehrssektor kommt die BCG zu dem Ergebnis, dass sich bis 2030 – gemäß den Klimazielen der Bundesregierung – folgendes Bild abzeichnet: Im Jahr 2030 müssten alle Neuzulassungen bei den Pkws rein elektrisch sein. 50 Prozent der Lkws müssten CO2-neutral betrieben werden und CO2-neutrale Kraftstoffe in Höhe von vier Millionen Tonnen müssten importiert werden. Es bleibt allerdings das Problem: Was geschieht mit den 36 Millionen Pkws mit Verbrennungsmotor im Fahrzeugbestand, die 2030 noch nicht am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind. Klimaneutrale Kraftstoffe könnten hier helfen, die CO2-Emission zu reduzieren. Dies gilt auch für Lkws sowie den Schiffs- und Flugverkehr. Aber: Derzeit gibt es die erforderlichen synthetischen Kraftstoffe noch nicht, so das Handelsblatt. Und grüner Wasserstoff wird bis dahin auch nicht zu bezahlbaren Preisen und in dem benötigten Umfang verfügbar sein.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft kam daher auch zu dem Ergebnis: „Die Bundesregierung schießt mit einem Gesetzentwurf, bis 2045 Klimaneutralität zu erzielen, über das Ziel hinaus. So habe das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert, das Ziel der Klimaneutralität von 2050 auf 2045 vorzuziehen.“ Auch der Verband der großen Energieverbraucher (VIK) erklärte, dass das Bundesverfassungsgericht nirgends von einem „Metagrundrecht Klima“ spreche und warnt vor den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen.