Wir haben einmal einen Blick gewagt, wie sich der Automobilmarkt in China darstellt
Bei näherer Betrachtung ist der chinesische Markt anders als der europäische. Auch der Wechsel zur E-Mobilität geschieht in China aus anderen Gründen. Während wir in Europa auf die E-Mobilität setzen, weil sie unsere CO2-Bilanz im Straßenverkehr verbessern soll, ist der Ansatz des chinesischen Staates ein anderer.
China will mit Elektroautos den Smog in Städten wie Shanghai, Peking oder sonstigen Ballungszentren reduzieren. Allerdings setzt man bei der Stromerzeugung weiterhin sehr stark auf Kohle, die China selbst zu Genüge hat und die dem Land die entsprechende Energieunabhängigkeit garantiert. Der Energiemix in China sah im Jahr 2024 wie folgt aus: Kohle 56 bis 60 Prozent, Wasserkraft 15 bis 16 Prozent, Windkraft 10 bis 11 Prozent, Solar 7 bis 8 Prozent, Kernenergie 4 bis 5 Prozent, Erdgas 3 bis 4 Prozent, Sonstige 1 bis 2 Prozent. China baut in den nächsten Jahren weitere Kohlekraftwerke und die Internationale Energie Agentur (EIA) sieht den prozentualen Anteil des Kohlestroms an der wachsenden Energieerzeugung bis 2030 auch nicht sinken. Der CO2-Ausstoß wurde dort von der Straße in die Kohlekraftwerke verlagert.
Ein weiteres Ziel von China ist es, seine Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Einige Experten erwarten, dass China im Jahr 2025 den höchsten Ölverbrauch erreichen wird und danach der Ölverbrauch zurückgeht. Klimaneutralität strebt China bis 2060 an – ohne verbindliche Verpflichtung. Diese grundsätzliche Ausrichtung und die zu Grunde liegenden Motive gilt es zu bedenken, wenn man sich die Entwicklung des Pkw-Marktes in China ansieht.
Durch Tiefstpreise, mit denen europäische Unternehmen nicht mithalten können, hat sich China die Batteriezellen- und Batteriematerialienproduktion gesichert. China produziert 75 Prozent der weltweiten Lithium-Ionenbatteriezellen. In der Verarbeitung von Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan zu Kathoden- und Anoden-Material hat China quasi ein Monopol mit einem Marktanteil von oft über 80 Prozent. Fast alle großen Autohersteller sind in ihren Lieferketten stark abhängig von chinesischen Batterien oder Materialien.
Zudem besitzt China 60 bis 70 Prozent der Förderung der Seltenen Erden. Was aber noch wichtiger ist: China hat sich 85 bis 90 Prozent der weltweiten Raffinierung und Verarbeitung von Seltene Erden gesichert. Seltene Erden benötigen zum Abbau große Flächen, viel Wasser und den Einsatz von Chemie. Seltene Erden sind unverzichtbar für E-Autos, aber auch für Windturbinen, Halbleiter sowie Smartphones.
Bei Graphit liegt Chinas Marktanteil bei circa 90 Prozent und dieses wird für die Anodenherstellung von Batterien benötigt. China hat sich sehr strategisch aufgestellt und sich den Zugriff auf die Materialien, die für die Batterieherstellung erforderlich sind, gesichert. Die Forderung, Batteriezellen in Europa zu fertigen, um unabhängiger zu werden, kann nur bedingt funktionieren, da die Materialien letztlich in China bestellt werden müssen. China ist bei den Batteriezellen genauso vorgegangen wie zuvor bei der Photovoltaik: Den Weltmarkt mit konkurrenzlosen Preisen schwemmen. Rund 80 bis 90 Prozent der weltweiten PV-Module stammen 2025 aus China, da in anderen Teilen der Welt zu diesen Preisen keine wirtschaftliche Produktion mehr möglich ist.
Im Jahr 2024 lagen die Zulassungsanteile der einzelnen Antriebe in China wie folgt: Elektro 27,8 Prozent, Plug-in 20,1 Prozent, Verbrenner 52 Prozent. Insgesamt wurden 2024 knapp 23 Millionen Pkws in China zugelassen.
Im ersten Halbjahr 2025 veränderten sich die Anteile bei den Neuzulassungen wie folgt: Elektro 30,6 Prozent, Plug-in 19,5 Prozent, Verbrenner 49,9 Prozent. Der Anteil der elektrischen Fahrzeuge ist gestiegen und ging teilweise zu Lasten der Plug-in-Hybride, aber auch zu Lasten der Verbrenner.
Insgesamt wurden in China 31 Millionen Pkw in 2024 produziert. 23 Millionen wurden in China verkauft und rund 6 Millionen exportiert – mit Schwerpunkt nach Russland als größtem Exportkunde. Naher Osten, Brasilien und Australien sind die nachfolgenden Märkte. In China gibt es insgesamt circa 100 Automarken, wobei die großen staatlichen Hersteller mit circa 40 ausländischen Marken als Joint Venture Partner deren Autos produzieren. Manche der nicht staatlichen chinesischen Hersteller sind sehr klein. Hinsichtlich der Produktionskapazitäten aller Hersteller schwanken die Aussagen. Für reine Pkws liegen die Schätzungen der Kapazitäten zwischen 40 und 45 Millionen Autos pro Jahr und folglich deutlich über der realen Produktion von rund 30 Millionen Pkw.
Bei den Verkaufspreisen der Pkw muss man in unterschiedliche Klassen unterteilen. Die Ultra Kompakt Klasse, wie der Wuling Mini oder der Baojun E200, kosten weniger als 10.000 Euro. Die Reichweite dieser Fahrzeuge liegt laut WLTP bei 150 bis 220 Kilometer. Die Kompakt- und Mittelklasse, dies sind Autos wie der BYD Dolphin oder der Leapmotor T03, liegen bei Preisen zwischen 10.000 und 19.000 Euro und Reichweiten von 320 bis 350 Kilometer. Die obere Mittelklasse, dies sind Modelle wie der BYD Seal oder Tesla Model 3/Y, kosten von 19.000 bis 39.000 Euro und haben Reichweiten von 300 bis 450 Kilometer. Luxus und High End beginnt in China bei über 39.000 Euro und hier sind der NIO ES8/ET7 und der HiPhi X zu nennen. In diesem Segment liegen die Reichweiten bei 400 bis 600 Kilometer und mehr.
Für die Chinesen, die zu knapp 70 Prozent in Ballungsräumen leben, spielt die Reichweite und die damit verbundene Reichweitenangst eine untergeordnete Rolle. Durch den Einbau kleinerer Batterien und durch die deutlich niedrigeren Produktionskosten können die E-Fahrzeuge zu niedrigeren Preisen als in Europa angeboten werden. Zudem führen die in China vorgenommenen Reichweitenangaben, die auf der CLTC Basis ermittelt werden, zu besseren Ergebnissen als auf der in Europa üblichen WLTP Norm. Viele Modelle, die in China angeboten werden, haben mehrere Batterievarianten, so dass man zwischen kleineren und größeren Akkus wählen kann. Die Preise variieren stark je nach Region, Subventionen und Zulassungsregelungen sowie der Ausstattung.
Die größten Hersteller in China sind BYD, SAIC Motor, FAW, BAIC sowie Chery, Geely, Changan, Great Wall und Dongfeng. Diese neun Hersteller stehen für weite Teile der chinesischen Autoproduktion.
Die großen Automobilkonzerne sind mehrheitlich in staatlicher Hand. SAIC gehört der Provinz Shanghai, BAIC der Provinz Peking, GAC der Provinz Guangzhou, Chery der Stadtregierung Wuhu und FAW, Dongfeng und Changan sind im Besitz der Zentralregierung und damit vollständig im Staatsbesitz. Neben der eigenen Produktion kooperieren zudem fast alle in Staatsbesitz befindlichen chinesischen Herstellern mit europäischen, amerikanischen, japanischen oder koreanischen Automobilherstellern. Nahezu alle ausländischen Hersteller – außer Tesla – sind in China auf Joint Ventures mit diesen staatlichen Konzernen angewiesen.
Private Unternehmen sind BYD, Geely, X-Peng, Great Wall, LeapMotor und Nio, die an den Börsen in Hongkong, Shenzen und Shanghai notiert sind. BYD und Geely gelten als profitabel, während Nio, Leapmotor und X-peng Verluste machen. BYD ist jedoch auch hoch verschuldet und senkte 2025 die Preise für 22 Modelle um bis zu 35 Prozent, um den Absatz zu steigern. Die schlechte Zahlungsmoral von BYD ist berüchtigt. Industrievertretern zufolge begleicht der Konzern die Rechnungen der Zulieferer zum Teil erst nach einem Jahr, wie das Handelsblatt berichtete.
Die vorstehenden Fakten zeigen, welch staatlicher Einfluss im Automobilsektor in China herrscht. Die chinesische Regierung hat sich stark dem E-Automarkt zugewandt, weil sie hierfür die entsprechenden Voraussetzungen, was Batteriezellenproduktion und weltweite Rohstoffsicherung angeht, erst einmal geschaffen hat. Beim Verbrennungsmotor hatten die europäischen, japanischen, koreanischen und amerikanischen Konzerne die Nase vorne. In China bestimmt der Staat – genauer gesagt die Partei – die Richtung, in die die Unternehmen gehen sollen. In Fünf-Jahres-Plänen werden Ziele für Elektromobilität, Halbleiter, künstliche Intelligenz etc. vorgegeben. Über Subventionen werden Produktionen für unter anderem Batterien, Solar und Stahl gesteuert. Viele der großen KFZ-Hersteller sind im Eigentum des Staates – ob in der Hand der Zentralregierung oder den Provinzen – und werden von der SASAC, einer staatlichen Gesellschaft, überwacht. Parallel dazu gibt es private Konzerne, die börsennotiert sind und international verflochten agieren, aber teilweise recht hoch verschuldet sind, wie der Marktführer BYD.
Wenn eine Branche strategisch wichtig ist, greift der chinesische Staat massiv ein. Dies gilt es stets zu bedenken, wenn über den chinesischen „Markt“ gesprochen wird. Viele Berichte schwärmen von der Überlegenheit des chinesischen E-Marktes und beklagen, dass die europäischen Hersteller die E-Mobilität verschlafen haben. Doch in China sind viele Hersteller defizitär und werden staatlich gestützt. Ob ein Markt auf Dauer funktioniert, wenn Überkapazitäten geschaffen werden, die zu nicht wettbewerbsfähigen Preisen für die Hersteller führen, wird die Zukunft zeigen.
Der chinesische Immobiliensektor hat als erstes bereits gezeigt, was es heißt, wenn es zu Überproduktionen kommt und ein Immobilienriese wie Evergrande liquidiert und von der Börse genommen wird. Manche Hersteller sehen auch BYD in eine solche Situation kommen. Welche Konsequenzen dies für die chinesische Kfz-Branche hat, wird die Zukunft zeigen. Von den rund 100 Herstellern werden – nach Meinung von Fachleuten – wahrscheinlich nur 10 bis 12 überleben. Kein leichtes Unterfangen für die deutschen Hersteller in diesem Markt mitzumischen und gleichzeitig mit staatlichen Herstellern zu kooperieren, die auch ihre Konkurrenten sind.