Sind Deutschlands Raffinerien am Ende – wie das Handelsblatt schreibt?
Wie das Handelsblatt berichtete, war die wirtschaftliche Lage der Raffinerien in Deutschland noch nie so dramatisch wie zurzeit. Neben den verschärften Klimaschutzauflagen, setzt insbesondere das europäische Emissionshandelssystem die Raffinerien unter erheblichen Druck. Die Produktionsprozesse sind äußerst energieintensiv. Raffinerien benötigen große Mengen Erdgas, dessen Nutzung hohe CO₂-Emissionen verursacht – und damit auch hohe Kosten im Rahmen des Emissionshandels. Für jede ausgestoßene Tonne CO₂ müssen die Unternehmen entsprechende Zertifikate erwerben.
Da die Preise für CO₂-Zertifikate in den kommenden Jahren weiter steigen werden, bleibt den Raffinerien langfristig nur die Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion. Dies kann entweder über den Einsatz von grünem Wasserstoff oder durch CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS-Technologie) erfolgen. Ob Deutschland jedoch der geeignete Standort ist, um in solche Technologien im Raffineriebereich zu investieren, wird von vielen Experten bezweifelt.
Hinzu kommt: Die Nachfrage nach Mineralölprodukten wird in Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter sinken – durch effizientere Motoren und Heizsysteme sowie durch den zunehmenden Umstieg auf Elektromobilität, Wärmepumpen, Geothermie und andere alternative Technologien. Der Markt für Raffinerieprodukte schrumpft, Überkapazitäten entstehen. Diese überschüssigen Mengen lassen sich kaum gewinnbringend ins Ausland exportieren – im Gegenteil: Immer günstiger produzierte Raffinerieprodukte aus dem Ausland drängen auf den deutschen Markt.
Die größten Raffineriebetreiber in Deutschland sind zurzeit Shell, BP, Total sowie der russische Konzern Rosneft, der derzeit unter Treuhandaufsicht der Bundesregierung steht. Alle diese Unternehmen planen – mehr oder weniger aktiv – den Rückzug aus dem deutschen Raffineriegeschäft und suchen Käufer für ihre Anlagen. Fachleute warnen jedoch davor, dass unerfahrene oder kleinere Akteure ohne fundiertes Raffineriewissen diese komplexen Betriebe übernehmen könnten – mit potenziellen Risiken für die Versorgungssicherheit.
In den vergangenen Jahren haben sich internationale Mineralölkonzerne wie ExxonMobil, Shell und Total zunehmend auf ihre Standorte in Rotterdam und Antwerpen konzentriert. Diese Häfen fungieren als zentrale Drehscheiben des europäischen Ölhandels, verfügen über hochmoderne Raffineriekapazitäten und haben direkten Zugang zu internationalen Schifffahrtsrouten. Im Vergleich dazu gelten viele deutsche Raffinerien als veraltet, investitionsintensiv und zunehmend belastet durch Umwelt- und Klimaschutzauflagen. Zudem können Inlandsraffinerien ihre Produktion nur eingeschränkt exportieren.
Shell, Esso und BP möchten ihre Anteile an mehreren Raffineriestandorten in Deutschland verkaufen. Rosneft wird sich – als russischer Staatskonzern – vollständig aus seinen Beteiligungen an deutschen Raffinerien zurückziehen müssen. Dies betrifft unter anderem Anteile an den Anlagen in Schwedt, Karlsruhe und bei Bayernoil. Insgesamt stehen somit erhebliche Raffineriekapazitäten in Deutschland zum Verkauf.
Zwischen 2019 und 2024 sank der Raffinerieabsatz in Deutschland um rund 15 Millionen Tonnen – allein Diesel und Heizöl machten dabei einen Rückgang von zehn Millionen Tonnen aus. Infolge dieser Entwicklung schloss Shell 2025 einen Werksteil seiner Raffinerie bei Köln, während BP in Gelsenkirchen Kapazitäten zurückbaut. Dadurch werden insgesamt zwölf Millionen Tonnen Produktionsvolumen vom Markt genommen – ein erster Schritt, um die Überkapazitäten dem schrumpfenden Inlandsabsatz anzupassen.
Weitere Schließungen – insbesondere im Osten und Süden des Landes – werden jedoch erforderlich sein, da der Absatz weiter zurückgehen wird.
Mit dem Rückzug der großen Konzerne aus dem Raffineriegeschäft wächst die Importabhängigkeit Deutschlands. Der Bedarf wird zunehmend durch Lieferungen aus den Niederlanden, Belgien und anderen internationalen Märkten gedeckt werden müssen.
Auch im Bereich der Tankstellennetze zeigen sich Veränderungen: Esso und Total haben ihre Netze bereits an Convenience-Betreiber verkauft, Jet sucht aktiv nach einem Käufer. Ob Konzerne wie BP und Shell ihre integrierte Strategie – vom Bohrloch bis zur Zapfsäule – langfristig in Deutschland fortführen, bleibt abzuwarten.
Angesichts der aktuellen Entwicklungen fordern manche Stimmen, der Staat solle sich für den Erhalt einer gesicherten Grundversorgung mit Mineralöl einsetzen. Doch dies widerspricht dem langfristigen Ziel Deutschlands, bis 2045 klimaneutral zu werden – und ist daher keine Aufgabe des Staates.