Gefälschte CO2-Zertifikate und billiger Biosprit aus China sorgen für Unmut
Unter dieser Überschrift berichtete die „Welt am Sonntag“ im Juni, dass deutsche Autofahrer Milliarden für vorgetäuschte Klimaschutzprojekte in China zahlen. Bereits im April waren entsprechende Berichte hierüber aufgetaucht, aber es folgte keine Reaktion aus dem Umweltministerium.
Die deutsche Biokraftstoffbranche hat seit Monaten auf mögliche Betrügereien hingewiesen. Branchenvertreter gehen mittlerweile von einem Schadensvolumen von 4,5 Milliarden Euro aus. Hierbei geht es um Zertifikate, die CO2-Emissionsreduktion bei der Förderung von Erdöl und Erdgas im Ausland belegen sollen. Diese werden im Fachjargon „Upstream Emission Reductions“, kurz UER genannt. UER-Zertifikate können seit 2020 in Deutschland eingesetzt werden, um die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote), die allen Mineralölgesellschaften auferlegt ist, zu erfüllen. Diese THG-Quoten sind gesetzlich definiert und für die Unternehmen verpflichtend und steigen bis 2030 kontinuierlich an. Bis zu einer bestimmten Obergrenze werden UER-Zertifikate auf die THG-Quote angerechnet. In entsprechendem Umfang wird beispielsweise die Beimischung von Biosprit zur Erfüllung der Quote reduziert oder gar überflüssig. Hierdurch bricht der Biosprit-Branche in Deutschland ein Teil ihres Geschäftes weg.
Die Idee hinter den internationalen UER-Zertifikaten ist, dass es dem Klima egal ist, wo die THG-Minderungen stattfinden. Maßnahmen in Nigeria oder China können also in bestimmtem Umfang auf die deutsche THG-Quote angerechnet werden. Doch viele UER-Projekte werfen Fragen auf und dies gilt vor allem für Projekte aus China. Diverse Recherche-Teams von Reportern fuhren vor Ort und stellten fest, dass viele in Deutschland zertifizierte Projekte in China scheinbar nur auf dem Papier erfolgt sind. Die deutschen Aufsichtsbehörden kamen hiernach zu dem Ergebnis, dass dringender Betrugsverdacht in 62 von 75 Fällen aus China vorläge. In 12 weiteren Fällen sei die Datenlage noch unklar.
Hierzu ein Beispiel laut „WamS“: Deutsche Autofahrer zahlten mit ihrer Klimaabgabe beim Tanken offenbar rund 80 Millionen Euro für ein angebliches Klimaschutzprojekt in einer chinesischen Uiguren Provinz, das sich bei der Überprüfung als ein verlassener Hühnerstall entpuppte. Recherchen deutscher Bioenergieunternehmen, ausgelöst durch einen Tipp eines chinesischen Visual Blowers wurden durch Nachforschungen des ZDF Magazins Frontal vor Ort bestätigt. Das Hauptstadtbüro Bioenergie, das vier Verbände (u.a. Bundesverband Bioenergie, Deutsche Bauernverband) bündelt, schätzt, dass bei weiteren ähnlich gelagerten 60 Verdachtsfällen ein Schaden für die deutsche Energiewende im Verkehrsbereich von mehr als 4,5 Milliarden entstanden sei. Das Umweltbundesamt hat nach monatelangem Zögern erst im Mai die Staatsanwaltschaft und das Auswärtige Amt eingeschaltet und chinesische Behörden um Amtshilfe gebeten. Das zuständige Umweltministerium sieht für den deutschen Autofahrer keinen Nachteil, da die gefälschten Zertifikate den Sprit nicht verteuert, sondern verbilligt hätten. Eine seltsame Logik, denn dass sich Anbieter mit gefälschten Zertifikaten eine goldene Nase verdienen, die dem CO2- Ausstoß in der Welt nichts bringen, blendet das Umweltministerium einfach aus. Auch der Schaden für die deutsche Biospriterzeuger scheint dem Umweltministerium egal zu sein.
Doch nicht nur bei den Zertifikaten wird in China geschwindelt, sondern auch bei falsch zertifizierten Kraftstoffen, so die Biosprit-Branche. Für chinesische Hersteller ist es besonders attraktiv, bestimmte Biokraftstoffe nach Deutschland zu liefern. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland ist dazu verpflichtet, Treibhausgasminderungsquoten zu erfüllen. Neben dem Kauf von Zertifikaten gibt es die Möglichkeit, den Mineralölprodukten Biokraftstoffe beizumischen. Allerdings werden die Biokraftstoffe unterschiedlich bewertet. Aus Raps hergestellter Biosprit wird nur einfach angerechnet, aus Abfall und Reststoffen hergestellter Sprit, der nach gesetzlicher Definition als fortschrittlich gilt, dagegen unter bestimmten Umständen doppelt.
Innerhalb der Treibhausgasminderungsquote gibt es Mindestquoten für die sogenannten „fortschrittlichen“ Biokraftstoffvarianten. Für den Sprit aus Reststoffen gilt seit Oktober 2021: Wenn der Mindestanteil an fortschrittlicher Quote erreicht wurde, kann der restliche Anteil doppelt angerechnet werden, wenn die Biokraftstoffe entsprechend zertifiziert sind. Das macht die Übererfüllung besonders interessant. Bildlich gesprochen: Mit einer Mengeneinheit Biosprit aus Abfall lassen sich zwei Mengeneinheiten anderer Biokraftstoffvarianten ersetzen.
Interessanterweise waren in 2023 fortschrittliche Biokraftstoffimporte aus China stark angestiegen. In der Bio-Branche fragte man sich deshalb, ob es glaubhaft ist, dass in China innerhalb kürzester Zeit Produktionsanlagen für Biodiesel aufgebaut werden konnten, aus denen sich die Importe so großer Mengen speisen, zumal die Produktion technisch aufwendig ist und die Anlagen teuer sind. Zudem ist zweifelhaft, ob es ein solches Aufkommen an Altfetten in China überhaupt gibt. In der Branche wird daher vermutet, dass frisches Pflanzenöl aus fortschrittlichem Rohstoff gekennzeichnet wird, um daraus mehrfach anrechnungsfähigen Biodiesel zu produzieren. Die Bio-Branche hat deshalb angeregt, dass die Zertifizierung auf dem Papier für ausländische Unternehmen nicht mehr ausreichend ist. Es müssten auch Überprüfungen vor Ort stattfinden. Allerdings waren auch hier die Reaktionen der Behörden auf die Kritik der Branche verhalten. Das Bundesumweltministerium teilte auf Anfrage des „Handelsblattes“ mit, bisher läge weder der Bundesregierung noch der EU-Kommission eine Bestätigung der Verdachtsfälle vor.
Trotz dieser vielen Presseberichte, wird leider seitens des Bundesumweltamtes diesem Schwindel, sei es bei den Zertifikaten oder bei dem fortschrittlichen Biodieselhandel, nicht nachhaltig nachgegangen.