Wie das Handelsblatt berichtete, hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ein Positionspapier zum blauen und türkisen Wasserstoff erarbeitet.
Europa will bis Mitte des Jahrhunderts treibhausgasneutral werden. Dafür muss der Einsatz von Öl, Kohle und Gas bereits in den nächsten Jahren deutlich reduziert werden, um die klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren. Wasserstoff könnte hierbei eine Schlüsselrolle spielen. Er kann CO2-neutral hergestellt werden, über größere Entfernungen transportiert und über längere Zeiträume hinweg gespeichert werden. Aufgrund dieser Eigenschaften sieht die DIHK Wasserstoff als wichtige Ergänzung zu erneuerbaren Energiequellen.
Die Reduzierung der CO2-Emission ist nur ein Grund, warum sich die Wirtschaft für Wasserstoff stark macht. Die DIHK betont, dass Wasserstoff auch vielen Betrieben eine Zukunftschance bietet. Rund um Wasserstoff- und Brennstoffzellen könnten die Hersteller von Maschinen und Anlagen neue Geschäftsfelder entwickeln und die starke Position der deutschen Technologieanbieter auf den Weltmärkten ausbauen, so die DIHK. Ein zentraler Punkt ist, wie der Markthochlauf von Wasserstoff am günstigsten realisierbar ist.
Wasserstoff dient bereits als Grundstoff in der Industrieproduktion. Allerdings handelt es sich dabei um grauen Wasserstoff, bei dessen Herstellung CO2 anfällt. Die Bundesregierung setzt ihre nationale Wasserstoffstrategie vor allem auf grünen Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird und somit CO2-frei ist. Die DIHK hingegen fordert Technologieoffenheit bei der Herstellung von Wasserstoff. „Wasserstoff aus erneuerbarem Strom kann den Bedarf auf absehbare Zeit nicht decken“, so der Präsident der DIKH Schweitzer zum Handelsblatt. Grüner, blauer und türkiser Wasserstoff sollten deswegen gleichberechtigt als CO2-neutrale Herstellungsoptionen anerkannt und in den Verkehr gebracht werden, so die DIHK. Blauer Wasserstoff wird wie grauer aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Es fällt also CO2 an, das allerdings per Carbon-Capture-and-Storage-Technik (CCS) bei der Herstellung abgeschieden und gespeichert wird. So wird verhindert, dass die Emissionen in die Atmosphäre gelangen. Diese Technik ist in Deutschland allerdings umstritten, wird aber in Norwegen erfolgreich angewandt.
Türkiser Wasserstoff wiederum wird über die thermische Spaltung von Methan hergestellt. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff, der dann aber sicher gelagert oder weiterverarbeitet werden muss. Hierbei, sagen Experten, besteht allerdings noch Forschungsbedarf.
Für die DIHK soll auch grauer Wasserstoff zunächst eine Option bleiben dürfen. In der ersten Phase des Markthochlaufs sollte Wasserstoff – ungeachtet seiner Emissionswirkung – einen wichtigen Beitrag zur Transformation leisten können. Der derzeitige und künftige Wasserstoffbedarf in Deutschland, so die DIHK, würde aus Kosten- und Mengengründen nicht vor 2030 CO2-neutral hergestellt werden können und dies schon gar nicht in Deutschland. Deshalb sollte man übergangsweise auch neue Wasserstoffverbraucher mit konventionell bzw. CO2-arm erzeugtem Wasserstoff versorgen, so die DIHK. Dies würde eine schnellere Markteinführung von Wasserstoff unterstützen. Vorbild sei der Stromsektor, wo Elektrofahrzeuge gefördert werden, obwohl sie derzeit nicht zwangsläufig nur mit erneuerbarem Strom betrieben werden.
Um die Nachfrage anzukurbeln, benötigt Deutschland vor allem auch eine Lieferinfrastruktur – also Pipelines und Tankstellen. Weil nicht jeder Industriebetrieb sofort einen Wasserstoffanschluss haben wird, fordert die DIHK übergangsweise auch einen Handel mit Zertifikaten über klimaneutralen Wasserstoff. Auf diese Weise könnten Unternehmen bilanziell CO2-freien Wasserstoff kaufen, auch wenn sie physisch vorerst weiterhin Erdgas beziehen.
Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung setzt allerdings auf grünen Wasserstoff, der aus sonnenreichen Ländern in Nordafrika kommen soll. Nur grüner Wasserstoff wird langfristig von der Bundesregierung gefördert. Beim blauen Wasserstoff hofft man darauf, dass sich diesbezüglich ein globaler Markt entwickelt und somit auch blauer Wasserstoff aus anderen Ländern in Deutschland verfügbar sein wird.
Die Bundesregierung will laut Beschluss vom Juni 2020 auf dem Gebiet des Wasserstoffs weltweit führend werden. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland wird unter diesen Bedingungen aber nicht funktionieren. Warum wir in Deutschland keinen grauen oder blauen Wasserstoff fördern wollen, ihn aber gleichzeitig über Importe zulassen, erschließt sich nicht wirklich. Die Chance für eine deutsche Wasserstoffwirtschaft wird auf dem Altar des grünen Wasserstoffs geopfert. Der Appell der DIHK wurde in Berlin nicht gehört.
Wasserstoff wird in erster Linie in den energiereichen Produktionsbetrieben als Ersatz zur Kohle benötigt. Gerade die Stahlindustrie hatte auf bezahlbaren Wasserstoff gehofft. BMW hat angekündigt 2022 eine Pilotserie mit Wasserstoffautos zu entwickeln. Die Marktreife für Wasserstoffantriebe sieht der BMW Chef Zipse frühestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts. Wasserstoff könnte auch für LKWs eine Alternative sein. Deshalb fordert der BMW Chef den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur an Tankstellen, die sowohl die Bedürfnisse der Nutzfahrzeuge als auch der Pkws abdeckt. Unter diesen Rahmenbedingungen wird der Aufbau und die Wirtschaftlichkeit von Wasserstofftankstellen in Deutschland einen sehr langen Zeitraum in Anspruch nehmen.