Aber 2041 soll die Rohölförderung in Deutschland enden

Es ist eine seltsame Situation. Der Russlandkonflikt und die Energiekrise zwingen die Bundesregierung dazu, ungeachtet der Menschenrechtslagen, Länder wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate um Gaslieferungen zu bitten. Doch zugleich verhindert die deutsche Bürokratie, dass die Betreiber von Öl- und Gasförderstätten ihre Förderung in Deutschland ausweiten, wie das Handelsblatt berichtete. Hierbei wird nur über konventionelle Erdgasgewinnung gesprochen, nicht über die Möglichkeiten, die durch Fracking entstehen könnten.

Der Energiekonzern Wintershall Dea, ein Tochterunternehmen der BASF, ist in Deutschland in der Öl- und Gasförderung tätig. Wintershall betreibt in der Nordsee mit Mittelplate eine Ölplattform und ein Ölfeld in Emlichheim in Niedersachsen sowie ein Gasfeld in der niedersächsischen Ortschaft Völkersen. Wintershall Dea ist für rund 65 Prozent der deutschen Erdölförderung und für rund 20 Prozent der deutschen Erdgasförderung verantwortlich und hatte bereits angekündigt, dass man in den nächsten zwei bis drei Jahren die Produktion seiner deutschen Öl- und Gasfelder um bis zu zehn Prozent ausweiten möchte. Das Problem ist allerdings, dass die Genehmigungszeiten für Anträge entweder extrem lang sind oder die Genehmigung gar nicht erst erteilt wird.

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 1,8 Millionen Tonnen Öl gewonnen. Dies sind rund zwei Prozent des deutschen Ölverbrauchs. Die gesamten deutschen Ölreserven umfassen laut Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) rund 28 Millionen Tonnen. Würde dieses Öl in den nächsten 20 Jahren gefördert, wären dies weitere 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr.

Beim Erdgas sieht es ähnlich aus. Der deutsche Erdgasverbrauch lag 2021 laut BVEG bei 104 Milliarden Kubikmeter, die deutsche Erdgasförderung lediglich bei rund fünf Milliarden Kubikmeter. Dies sind knapp fünf Prozent des heimischen Verbrauchs. 32,4 Milliarden Kubikmeter ohne Frackingmethode gelten in Deutschland als sicher vorhanden und wirtschaftlich förderbar. Zurzeit könnte im Idealfall die deutsche Gasförderung laut Bundesverband recht einfach und schnell um rund 20 Prozent, also von fünf auf sechs Milliarden Kubikmeter pro Jahr gesteigert werden und dann würden diese deutschen Reserven noch 30 Jahre reichen. Hinzu kommen 800 Milliarden Kubikmeter Erdgas, die in Schieferschichten in Deutschland förderbar wären.

Die aktuelle Rohölförderungserlaubnis von Mittelplate im Wattenmeer ist nur auf einen begrenzten Bereich beschränkt. Mittlerweile weiß man aber, dass im südlichen Zipfel des vorgegebenen Bereichs weitere Ölmengen liegen, vermutlich rund zwei Millionen Tonnen. Ein neues Bohrloch bräuchte es nicht, um sie zu fördern. Wintershall müsste lediglich in einem vorhandenen Loch ein paar Kilometer weiter seitlich bohren. Das hat die schleswig-holsteinische Landesregierung bisher nicht genehmigt. Vor mehr als drei Jahren hat Wintershall bereits diesen Antrag gestellt. Rein formal gibt es keinen Grund, die Genehmigung nicht zu erteilen. Hintergrund der langen Wartezeit ist ein möglicher Handel, den die Landesregierung mit Wintershall abschließen will. Nach dem Regierungsbeschluss soll zum Jahr 2041 die Rohölförderung in Deutschland eingestellt werden. Die Landesregierung in Schleswig-Holstein wäre bereit, Wintershall eine Genehmigung für das Bohrfeld zu erteilen, wenn im Gegenzug Wintershall seine Bohrungen früher beendet. Für den Konzern ist das Jahr 2041 schon ärgerlich genug, denn technisch betrachtet wäre eine wirtschaftliche Förderung voraussichtlich bis über 2060 hinaus möglich.

Nicht nur Wintershall, sondern die gesamte in Deutschland aktive Öl- und Gasbranche steckt in einem Dilemma, das sich nicht so leicht auflösen lässt. Der Anteil der deutschen Eigenversorgung mit Erdgas lag 2011 noch bei 14 Prozent und ist bis 2021 auf fünf Prozent gesunken.14 Milliarden Kubikmeter Erdgas wurden 2009 noch in Deutschland gefördert gegenüber fünf Milliarden Kubikmeter in 2021. Die Branche betont, dass die konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auf aktuellem Niveau zu halten beziehungsweise auszuweiten, möglich wäre. Hierbei sind die in weit höherem Umfang vorhandenen, mittels der Fracking-Methode zu gewinnenden, Erdgasmengen noch gar nicht berücksichtigt. Auch die Möglichkeit, aus diesen erheblichen Erdgasmengen blauen klimaneutralen Wasserstoff herzustellen, wird somit nicht genutzt. Lieber kaufen wir Gas, auch gewonnen mit der Frackingtechnik, mit LNG Tankern rund um die Welt ein.

Es sieht nicht danach aus, dass Deutschland eine Rohstoffstrategie verfolgt. Im Eckpunktepapier zur Rohstoffstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums fehlt der heimische Abbau von Öl und Gas komplett. Firmen sollen sich demnach um die Diversifizierung ihrer Lieferketten kümmern, aber wohl bevorzugt durch Importe. Dabei würde die heimische Förderung zumindest transportbedingte CO2-Emissionen senken. Laut Exxon Mobil spart die Energieförderung des Konzerns in Deutschland 2,4 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ein.

Der Präsident der Bundesnetzagentur sagte bereits im Mai bei einer Talkshow von Markus Lanz: „Deutschland nimmt durch seine Zukäufe auf dem Weltmarkt anderen Ländern Gas weg. Auch dies ist ein Teil der Wahrheit“. Das Marktforschungsunternehmen Icis zeigte auf, welchen Ländern wir in Europa, koste es was es wolle, das LNG am Weltmarkt wegkaufen.

Länder wie Brasilien kauften 5,5 Millionen Tonnen weniger LNG ein. Indien importierte 4 Millionen Tonnen weniger LNG wegen zu hoher Preise und das ging zu Lasten der Düngemittelherstellung in Indien, die entsprechend zurückging. Zudem werden die ärmeren Länder von stark steigenden Gaspreisen und damit zunehmender Inflation stärker getroffen als Europa. Auch aus diesen Gründen sollten wir uns in Deutschland damit beschäftigen eigene Rohöl- und Gasfelder zu erschließen.

Hierzu noch ein anderes Beispiel aus Europa. Der norwegische Staatskonzern EQUINOR setzt weiter auf Öl und Gas. In einem Interview sagte der Vorstandschef Opedal zum Spiegel: „Öl und Gas werden noch Jahrzehnte unentbehrlich sein. Wir werden ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern. Erdgas kann zur Herstellung von Wasserstoff für Fabriken eingesetzt werden und das anfallende CO2 unterirdisch eingespeichert werden. Und bei der Förderung von Erdöl, auf das die petrochemische Industrie angewiesen ist, setzen wir, wann immer möglich, Ökostrom ein. Die oberste Priorität ist, die Produktionsmenge stabil zu halten. Norwegen bringt jährlich 25 bis 30 Bohrungen aus, um aus dem norwegischen Kontinentalschelf weitere Gas- und Ölfelder zu erschließen.“ Zudem erklärte Opedal, dass Norwegen auf CCS-Technologie setzt und dies ist das Abscheiden von CO2 in Norwegen unter dem Meer. Hier hat Norwegen riesige Lagerstätten und eine immense Erfahrung, wie der Vorstandsvorsitzende betont.

Um große Mengen grünen Wasserstoff zu gewinnen, müssen erst die erneuerbaren Energien stark ausgebaut werden. Das wird aber dauern, nach Einschätzung des Norwegers. Zugleich wird die Nachfrage nach grünem Strom etwa für E-Autos oder Wärmepumpen stark steigen. CCS kann dafür sorgen, dass die Schwerindustrie und deren Arbeitsplätze in Europa bleiben, so der Norweger. Norwegen plant mit diesem blauen klimaneutralen Wasserstoff und über entsprechende Pipelines vier Millionen Tonnen klimaneutralen Wasserstoff im Jahr zu transportieren. Dies wäre genug, um rund 50 Prozent der europäischen Stahlproduktion zu dekarbonisieren. Interessanterweise stößt in Norwegen die Windkraft eher auf eine ablehnende Haltung der Bürger, wie der Spiegel anmerkte.

Noch folgende Fakten zu Deutschland: Der aktuelle Strombedarf in Deutschland wird laut Bundesregierung von aktuell 560 Terrawattstunden (TWh) bis 2030 auf 750 TWh steigen – das sind 30 Prozent mehr Strom als heute. 600 TWh sollen 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen und das sind 250 Prozent mehr als heute. Die Stahlwerke und die anderen Branchen benötigen 2030 riesige Mengen an klimaneutralem Wasserstoff, der blau oder grün erzeugt sein kann. Wo soll das alles herkommen, wenn wir nicht unsere eigenen Ressourcen anpacken?