Ist die Bahn auf der Langstrecke CO2-frei?

Unter dem Titel „Die Märchenbahn“ ging das Nachrichtenmagazin Der Spiegel der Frage nach, ob die Behauptung stimmt, dass Fernzüge ausschließlich mit Ökostrom betrieben werden.

Laut Spiegel ist die Behauptung, dass der Fernverkehr zu hundert Prozent mit Ökostrom fährt und 15 große Bahnhöfe mit Ökostrom betrieben werden, irreführend.

Die Bahn ist einer der größten Stromverbraucher in Deutschland. Zudem benötigt der Schienenbetrieb eine spezielle Spannung von 15 Kilovolt. Diese Vorgaben führen dazu, dass die Bahn langfristige Verträge mit der Stromwirtschaft abschließen muss. Unternehmen wie E.ON oder RWE bauten in Abstimmung mit der Bahn milliardenteure Kraftwerke, so der Spiegel. Die Bahn verpflichtet sich im Gegenzug, deren Strom – oft über Jahrzehnte – abzunehmen. Laut Spiegel hat sich hieran in den letzten Jahren nichts geändert. Die Bahn bezieht zwar auch Strom aus Wasserkraftwerken in Süddeutschland, der Großteil kommt jedoch aus konventionellen Quellen, so das Magazin. Dies seien Gas- und Atomkraftwerke, aber auch Kohlekraftwerke wie in Mannheim oder das über zwanzig Jahre alte, in Ostdeutschland gelegene, Schkopau. Auch für das derzeit für 2020 in Planung befindliche Kohlekraftwerk Datteln 4 soll die Bahn einen langfristigen Liefervertrag über eine jährliche Liefermenge von 400 Megawatt Strom abgeschlossen haben. Nach Schätzungen von Experten sind das rund 25 Prozent der Strommenge, die für den gesamten Fahrbetrieb der Bahn notwendig sind. Der Spiegel ging deshalb der Frage nach, wie es sein kann, dass die Bahn heute schon 57 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien bezieht und wie die Bahn ihr Versprechen halten will, den Grünstromanteil bis 2030 auf 80 Prozent auszubauen, wenn sie gleichzeitig noch jahrzehntelange Kohlestrom-Verträge hat.

Die Antwort ist recht einfach. Die Bahn kauft, neben ganz normalem Strom aus dem Netz, der wegen der EEG-Förderung ohnehin einen Anteil von mehr als 30 Prozent an regenerativer Energie hat, zusätzlich sogenannte Herkunftsnachweise. Diese erhält sie von Ökostromproduzenten, etwa von Wasserkraftbetreibern in Norwegen, für wenige Euro. Produzenten können diese Nachweise völlig unabhängig vom Kauf oder Verkauf des Stroms innerhalb der EU handeln. Der physische Strom bleibt im Herkunftsland und dort kann er auch weiterverkauft werden, nur eben nicht als Ökostrom. Die Bahn, als Käufer der Nachweise, kann völlig legitim behaupten, Ökostrom zu nutzen, um ihre Züge tatsächlich mit Braunkohlestrom fahren zu lassen, so der Spiegel. In welcher Größenordnung die Bahn solche Zertifikate zukauft, verrät das Unternehmen nicht. Die Bahn beteuert, nur solche Herkunftsnachweise zu kaufen, die auch in einem Herkunftsnachweisregister geführt werden. Das Umweltbundesamt sieht den Kauf reiner Herkunftsnachweise kritisch und bezeichnet dies in einer Stellungnahme gegenüber dem Spiegel als „Greenwashing“, weil hierdurch keine neuen zusätzlichen Kapazitäten für die Grünstromerzeugung in Deutschland geschaffen werden.

Nach Angaben der Bahn sah der Strommix in 2018 in Prozent für den Bahnbetrieb wie folgt aus:

  • 57 Prozent erneuerbare Energien inklusive Herkunftsnachweise
  • 25 Prozent Stein- und Braunkohle
  • 9 Prozent Kernenergie
  • 8 Prozent Erdgas
  • 1 Prozent Sonstige