Das magische Dreieck „Sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energie“ gerät ins wanken

Die in 2022 im Energiemarkt entstandene Situation, ausgelöst durch den Ukrainekrieg, lässt die gesamte Energiepolitik Deutschlands unter einem neuen Licht erscheinen. Hierbei gilt es kritisch anzumerken, dass wir auch ohne den Ukrainekrieg auf dem Weg in eine für Verbraucher und insbesondere für die Wirtschaft kaum noch bezahlbare Energiewende hineinzulaufen drohen. Auch derzeit setzt die Regierung nur auf kurzfristige Maßnahmen zur Lösung der Energiekrise. Die Erlaubnis zur zusätzlichen Kohleverbrennung in Kraftwerken läuft im April 2023 kommenden Jahres schon wieder aus. Die Atomkraftwerke im Streckbetrieb laufen zu lassen, endet ebenfalls im April 2023. Der eigentlich bis 2038 geplante Braunkohleausstieg soll, so wurde es im September 2022 zwischen RWE und dem Wirtschaftsminister verabredet, im Westen Deutschlands bis 2030 vorgezogen werden. Der Osten wehrt sich gegen ein früheres Ende als 2038.

Viele ausländische Zeitungen schütteln immer mehr den Kopf über die Deutschen und fragen, wieso Deutschland in einer Situation, in der eine Mangellage an Energie in Europa herrscht, weiter verschärfende Maßnahmen im Energiesektor beschließt. Auch die Forderung von Teilen der Wirtschaftswissenschaftler, sechs deutsche Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, wurde nicht näher geprüft. Kein anderes Land in der Welt hat gleichzeitig den Atom- und Kohleausstieg mit fixen Terminen besiegelt. Gaskraftwerke waren ursprünglich als Brückentechnologie gedacht. Wenn diese Gaskraftwerke zukünftig mit Flüssiggas aus USA, Kanada, Katar, Argentinien und Norwegen versorgt werden sollen, so erwarten diese Länder Lieferverträge, die über Zeiträume von mindestens 15 Jahren gehen. Doch auch hierzu sind wir nicht bereit, da wir auch möglichst rasch Gas durch grünen Wasserstoff ersetzen wollen. Wo und wie dieser grüne Wasserstoff bezahlbar nach Deutschland kommen soll, ist nicht geklärt. Ohne diese langfristigen Abkommen müssen wir Gas teuer an den Spotmärkten kaufen, um unsere Speicher zu füllen und treiben mit diesem Verhalten die Weltmarktpreise in die Höhe.

Das sogenannte magische Dreieck der Energieversorgung ist in Deutschland in den letzten Jahren nicht wirklich wahrgenommen worden. Das magische Dreieck besagt:

1. Sichere Energie zu jeder Zeit
2. Bezahlbare Energie für Industrie, Handel und Verbraucher
3. Klimafreundliche Energie – bei uns aus Wind/Sonne/Wasser

Wie das Handelsblatt berichtete, versuchen wir in Deutschland zurzeit die Knappheit an Strom und Gas dauerhaft weg zu subventionieren. Stichworte sind Gas- und Strompreisdeckel. Es gibt jedoch nur eine Möglichkeit, der Gefahr hoher Energiepreise entgegenzuwirken und die ist, das Angebot an Strom und Gas massiv auszuweiten. In diesem Zusammenhang muss das Thema Frackinggas oder Gas aus der Nordsee wieder auf die politische Agenda gesetzt werden. Wir kaufen Nordseegas aus Norwegen und Holland (Norwegens Gaseinnahmen erreichen laut Handelsblatt absolute Rekorde) und Frackinggas aus USA und Argentinien. Kanada wäre auch bereit uns Frackinggas zu liefern und ein LNG Terminal an der Ostküste zu bauen, wenn wir das Gas die nächsten 15 Jahre auch abnehmen. Unsere beträchtlichen Gasvorkommen, die uns eine hohe Unabhängigkeit geben könnten und viel Geld einsparen würden, lassen wir lieber im Boden beziehungsweise unter der Nordsee liegen. Mit dem bekannten Frackinggasvorkommen wäre Deutschland mindestens die nächsten 10 Jahre autark. Auch dieser Hinweis des Bundes der deutschen Industrie wurde vom Wirtschaftsministerium abgelehnt.

Das Ergebnis einer aktuellen Analyse der Unternehmensberatung McKinsey zum Fortgang der Energiewende hat die Welt am Sonntag vor der Veröffentlichung einsehen können. Demnach bleibt selbst im unwahrscheinlichsten Fall einer planmäßig verlaufenden Energiewende, Kohle auch 2030 noch ein wichtiger Energieträger für Deutschland. Unter der nicht unrealistischen Annahme eines langfristig hohen Gaspreises von 105 Euro pro Megawattstunde, werde man 2030 nicht ohne Kohlekraftwerke auskommen, selbst wenn die Bundesregierung es schaffen sollte, den Ökostromanteil auf 80 Prozent zu erhöhen. Die Kohlekraft müsse den Berechnungen zufolge im Jahr 2030 mit 63 Terawattstunden sogar fast so viel Strom liefern, wie die Gaskraftwerke, die dann noch immer fast 10 Prozent des deutschen Bedarfs decken müssen, so McKinsey. Laut dieser Studie dürfte die Abhängigkeit von Kohle und Gas 2030 noch viel größer sein als das Idealszenario der Bundesregierung bislang erwarten lässt.

Um das Regierungsziel zu erreichen, müssten in Deutschland jedes Jahr Photovoltaikanlagen mit 18 Gigawatt auf Feldern und Dächern montiert werden. Rund 10 Prozent der weltweiten Solarpanelproduktion würden dafür Jahr für Jahr importiert werden, zwangsläufig von chinesischen Herstellern, die den Weltmarkt mit Abstand dominieren. Zudem sieht McKinsey bei den Kleinanlagen auf Hausdächern auch drohende Engpässe bei der Genehmigung solcher Maßnahmen. Ein mittelgroßer Netzbetreiber muss zukünftig etwa 50 Anschlüsse pro Tag bearbeiten, mehr als doppelt so viele wie heute, um die kleinteilige Solarpanelproduktion ins Netz einzuspeisen. Da die Belastung der Stromnetze größer wird, muss zudem künftig fast jeder neue Anschluss im Detail auf Netzverträglichkeit untersucht werden. Dafür, so McKinsey, fehlt das Personal. Allein für die Montage der Solarpaneele müssen rund 40.000 neue Stellen geschaffen werden und die Zahl der Facharbeiter in diesem Bereich müsste sich vervierfachen. Gleiches gilt für Planung, Entwicklung und Verwaltung, die entsprechende neue Stellen besetzen müssten.

Um die Regierungsziele für Meereswindparks vor der Küste (Offshore) zu realisieren, müssten ab 2025 pro Jahr Anlagen mit vier Gigawatt Leistung aufgebaut werden und damit deutlich mehr als historisch je erreicht wurde, so die Studie weiter. Doch bislang betragen die Vorlaufzeiten für den Bau einer gewaltigen Offshore-Windkraftanlage rund sechs Jahre. Auch hier fehlen Fachkräfte, mahnt McKinsey. Allein für den Bau der Fundamente und die Anlageninstallation werden pro Gigawatt rund 3.500 Vollzeitfachkräfte benötigt.

Der Windradausbau an Land kämpft ebenfalls weiter mit Problemen. Um die Planziele zu erreichen, müssten in Deutschland ab sofort fünf Windräder pro Tag errichtet werden. Das Ausbautempo müsste also mehr als verdreifacht werden. Als die Bundesnetzagentur im Mai weitere Windparkprojekte zur Förderung auslobte, fanden sich nicht genügend Interessenten. Die Ausschreibung blieb um 30 Prozent unterzeichnet. Auch bei den Behörden geht es nicht voran. Mit Bauzusagen für 306 Windräder im 1. Halbjahr (1,7 pro Tag), wurden bisher zu wenig neue Leistungen genehmigt, um den Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fortzuführen, lautet die ernüchternde Zwischenbilanz der Agentur deutsche Windguard.

Weil die Energiewendeziele der Bundesregierung für 2030 immer mehr außer Reichweite gelangen, hat McKinsey berechnet, welche Optionen es noch gibt. Sollte Deutschland seine Importabhängigkeit von anderen Ländern nicht schnell reduzieren, kann von einem Vorziehen des Kohleausstiegs keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Im Szenario „Weitgehende Selbstversorgung“ müssten 2030 mit 34 Gigawatt sogar doppelt so viele Kohlekraftwerke am Netz bleiben, wie laut Ausstiegspfad vorgesehen. Zudem müssen für die verstärkte Nutzung von Biomasse zur Stromerzeugung in diesem Fall „ausreichende Flächen für den Anbau von Energiepflanzen bereitgestellt werden, die dann allerdings weder für die Produktion von Nahrungsmitteln oder Biokraftstoff zur Verfügung stünden, noch renaturiert werden könnten“, so McKinsey.

Für den wahrscheinlichen Fall, dass Umwelt- und Klimaschützer den Weg für Biomasse versperren, bliebe Deutschland nur die verstärkte Einfuhr von Strom aus dem Ausland. Hier sehen die Experten Raum für den Import von jährlich 33 Terawattstunden Elektrizität aus dem Ausland, hauptsächlich aus Skandinavien. Nur, ohne Kohlestrom geht es trotzdem nicht. Mit 88 Terawattstunden hätte der dann noch immer einen Anteil von mehr als zehn Prozent an der Deckung des deutschen Strombedarfs, ebenso wie die Gasverstromung, die mit 69 Terawattstunden nur knapp dahinter bleibt. „Deutschland bleibt auf Erdgas angewiesen- selbst massive Preissteigerungen werden es nicht vollständig vom Markt verdrängen“, heißt es bei McKinsey. Fazit der Experten: „Die CO2-Bilanz fällt in allen Szenarien enttäuschend aus“, so die Welt am Sonntag.

Im vergangenen Jahr war es unbestritten, dass Deutschland in erheblichem Umfang zusätzliche Gaskraftwerkskapazitäten braucht, die in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zur Verfügung stehen müssen. Doch auch damals war schon unklar, wer diese Gaskraftwerke bauen sollte. Die Stromerzeuger wollten Garantien vom Gesetzgeber, damit sich diese Investitionen in Gaskraftwerke auch dauerhaft lohnen. Sie wollen Geld für das Vorhalten der Reservekapazitäten, statt Geld für eine nicht planbare Einspeisung. Angesichts der Gasversorgungskrise weiß man heute nicht einmal mehr, wo das Gas für die Kraftwerke herkommen soll. Bemerkenswert ist, dass über dieses Thema, so das Handelsblatt, heute einfach nicht mehr gesprochen wird. Das LNG kurzfristig die Lösung für all den Gasmangel sein kann, halten die meisten Experten auch für unwahrscheinlich. Die weltweiten Produktionskapazitäten werden zwar hochgefahren, aber kurz- und mittelfristig wird es schwer möglich sein, das russische Pipelinegas, das im vergangenen Jahr noch für 55 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland stand, zu ersetzen. Wir müssen uns in Deutschland wieder dem eigenen Frackinggas und dem Nordseegas zuwenden, so das Handelsblatt.

Grünen Wasserstoff gibt es heute nur in homöopathischen Dosen. Deshalb gibt es auch keinen Markt für grünen Wasserstoff, auch nicht bis 2030. Zudem gibt es auch keine Infrastruktur für grünen Wasserstoff, denn wenn es das Produkt noch nicht gibt bedarf es auch keiner Infrastruktur. In den nächsten 10 Jahren soll eine Wasserstoffpipeline zwischen Barcelona und Marseille entstehen. Ob Spanien dann genügend grünen bezahlbaren Wasserstoff liefern kann, steht in den Sternen.

Wenn wir nicht dauerhaft in Deutschland eine sichere, bezahlbare und möglichst klimafreundliche Energiepolitik, die sich den wirtschaftlichen und technischen Realitäten stellt, definieren, droht aufgrund der hohen Energiekosten eine Deindustrialisierung in Deutschland. Die Industriebereiche Chemie, Stahl, Keramik, Glas, Zement und viele andere mehr, werden bei den enorm hohen Energiekosten, die wir uns in Deutschland selbst auferlegen, zur Verlagerung ihrer Produktionsstätten gezwungen, wenn sie im Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben wollen. Ohne Wohlstand und sichere Arbeitsplätze ist die Energiewende nicht bezahlbar.