Welche leistungsstarken öffentlichen Ladesäulen braucht das E-Auto, wenn 85 Prozent der Tankungen zu Hause erfolgen sollten?

Mercedes-Benz hat im September den neuen EQC vorgestellt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat einmal überprüft, ob die Fahrzeuge tatsächlich so schnell laden können, wie es die Werbung des Automobilkonzerns gerne darstellt. Der EQC kann 80 Kilowattstunden (kWh) tanken und der Strom fließt laut Hersteller mit 110 kW (zum Vergleich: Unser Wasserkocher hat 2 kW) und wenn wir noch rasch die Sanifair besuchen, sollte das Auto randvoll sein und fit für die nächsten 300 Kilometer, so die FAZ. Doch der Teufel steckt im Detail und das ist das Kleingedruckte. Bis zu 110 kW markiert die Obergrenze des möglichen Ladens. Tatsächlich ist es viel weniger. Zur Mitte des Jahres gab es rund 13.500 öffentliche Ladestationen. 1.800 davon sind Schnelllader für den standardisierten Stecker CCS und deren Schnelligkeit ist relativ. Üblicherweise kommen aus der Gleichstrom-Säule 50 kW und nur wenige Säulen haben eine Leistung von 100 kW. Aus der Kaffeepause wird so ein Mittagschläfchen mit anschließendem Spaziergang, so die FAZ. Auch wird die Ladeleistung nicht immer erreicht, denn nach mehr als zwei Dritteln nimmt der Stromfluss ab. Schneller wird es erst gehen, wenn das Konsortium Ionity, an dem die deutschen Kfz-Hersteller beteiligt sind, bis 2020 ein Schnellladenetz von 400 Ladestationen an den Hauptverkehrsachsen in Europa aufgebaut hat. Falls das Auto es verkraftet, kann der Strom dann mit bis zu 350 kW fließen. Allerdings hat auch das wieder einen Haken. Denn erstens belastet die Schnellladung auf Dauer den Akku und zweitens kostet der Strom von der Tankstelle deutlich mehr als der für den Haushalt, weil Schnellladestationen teuer sind und erst einmal amortisiert werden müssen.

Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, werden Elektroautos meist zu Hause geladen. Die mit Abstand meisten Elektroauto-Ladevorgänge finden demnach zu Hause statt und am Arbeitsplatz. Nach Berechnungen der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) müssten 2025 2,4-3,5 Millionen private Ladepunkte zu Hause oder am Arbeitsplatz verfügbar sein. Selbst im elektrofreundlichen Norwegen wird die Nutzung öffentlicher Stationen für Ladevorgänge nur in geringem Umfang angenommen. Nur 15 Prozent aller Stromfahrer des skandinavischen Lands nutzen einen öffentlichen Ladepunkt. Folglich ist die Forderung nach Ladepunkten aus der Politik nicht der Problemlöser für die E-Mobilität. Das zeigt auch, dass der Stromverkauf über sogenannte Schnellladesäulen wohl kaum zu einem Geschäft wird, da die Kunden wohl zwar schnell laden möchten, allerdings den dann deutlich höheren Preis nicht akzeptieren werden. Auch Tesla hat sich mittlerweile davon verabschiedet, den Tesla-Fahrern den Strom kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die NPE kommt in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass neben den privaten Ladesäulen 200.000 öffentliche Ladepunkte bis 2025 bereit stehen müssten. Wie die öffentlichen und privaten Ladepunkte gefördert werden sollen, soll laut Handelsblatt im Spätsommer 2019 von der Bundesregierung entschieden und im Herbst dann als Gesetz verabschiedet werden.

Das heißt, wer nicht das Doppelte für die Energie am Schnelllader ausgeben möchte, tankt wohl eher zu Hause. Die Schukosteckdose ist für eine Spannung von 230 Volt, wenn diese mit 16 Ampere abgesichert ist, für maximal 3,7 kW gut. In der Praxis sind die meisten Steckdosen zu Hause nur mit 10 Ampere abgesichert und schaffen somit maximal 2,3 kW.

Schneller geht es mit dem dreiphasigen Drehstromanschluss mit 500 Volt. Dieser ist in der Regel mit 16 Ampere abgesichert und für eine Ladeleistung von 11 kW gut. Es gibt auch stärker abgesicherte Drehstromanschlüsse, die theoretisch eine noch höhere Leistung ermöglichen, nur ist das Leitungsnetz im Haus meist nicht geeignet und der Energieversorger wird dabei auch nicht mitspielen. Immerhin wäre ein neuer EQC von Daimler mit einer solchen Vorrichtung und mit 11 kW Ladeleistung über Nacht fast zu laden. Drehstrom ist in den meisten Haushalten vorhanden, sodass man nur die Kabel vom Verteiler aus in die Garage ziehen muss, wo sie in eine hauseigene Ladestation münden. Die hauseigene Ladestation sollte auch mit einem Standardstecker vom Typ 2 eingerichtet werden. Dieser hat sieben Kontakte und arbeitet auf drei Phasen mit 400 Volt. Dieser Stecker wird auch für die öffentlichen Ladestationen verwendet. Aus den vorgenannten Gründen endet die maximale Ladeleistung zu Hause in der Regel bei 11 kW. Batterien müssen mit Gleichstrom beladen werden, sodass der Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt werden muss. Letzteres ist auch wieder mit Verlusten verbunden. Besser ist es deshalb, direkt mit Gleichstrom zu laden, vor allem dann, wenn es schnell gehen soll.

Die Infrastruktur für öffentliche Stromtankstellen zu schaffen, ist allerdings sehr teuer und das beschränkt auch die Zahl der zu nutzenden Tankstellen. In Europa setzt man bei den Schnellladesäulen auf die sogenannte CCS-Technik. Diese ist ein kombiniertes Ladesystem mit einem oberen Teil vom Typ 2 mit drei Polen und einem unteren mit zwei Polen, über die Gleichstrom übertragen wird. Elektrofahrzeuge, die eine solche Kombisteckdose haben, können also über den Typ 2-Stecker oder mit einem CCS-Stecker geladen werden, derzeit allerdings in den meisten Fällen mit nicht mehr als 50 kW, wie bereits eingangs beschrieben. Interessanterweise werden in Asien andere Systeme verwendet und beim Laden ein anderer Weg beschritten.

Tesla geht mit seinem Supercharger-Ladestecker einen dritten Weg. Der Stecker sieht aus wie ein Typ 2-Stecker und kann auch als solcher verwendet werden, ist aber so modifiziert, dass über die Tesla-eigenen-Ladesäulen Gleichstrom mit bis zu 135 kW geladen werden kann. Für Elektroautos anderer Hersteller sind diese Stationen nicht geeignet. Wie Tesla und die wenigen Zapfstellen mit ultrahoher Ladeleistung über CCS zeigen, gibt es für entsprechend ausgestattete Fahrzeuge beim Tanken noch Luft nach oben. 170 kW sollten mit der heutigen Technik mit Gleichstrom bei Lithium-Ionen-Batterien zu machen sein, so die FAZ.

Ionity will gar 350 kW Ladeleistung. Hohe Stromstärken erfordern allerdings dicke Leitungen, damit sich der elektrische Widerstand in Grenzen hält. Statt also mehr Ampere fließen zu lassen, wird die Leistung über höhere Spannungen erreicht, denn die Wattzahl ist das Produkt aus beidem. An der Zapfsäule liegen dann etwa 1.000 Volt an, die aus dem Mittelspannungsnetz mit bis zu 36.000 Volt geholt und in Gleichstrom umgewandelt werden. Besitzer älterer Elektroautos brauchen sich wegen der vielen Volt und Ampere keine Sorgen zu machen, denn die Elektronik erkennt, was das Fahrzeug braucht und füttert die Batterie mit der jeweils richtigen Ladeleistung. Die heutigen Fahrzeugbatterien kommen dadurch allerdings nicht in den Genuss einer schnelleren Ladung an den Hochleistungssäulen, denn hierfür bedarf es einer weiterentwickelten Batterietechnik.

Der neue EQC von Daimler, der 2019 in den Markt kommen soll, hat eine maximale Ladeleistung von 110 kW und wäre somit für die 350 kW Schnellladesäule auch ungeeignet. Der EQC wird ohnehin kein Auto für jedermann, denn man rechnet mit einem Einstiegspreis von etwa 70.000 Euro. Das Fahrzeug ist bei 180 Kilometer pro Stunde abgeriegelt, um den Stromverbrauch zu schonen.

Der Audi e-tron ist ein SUV, der in der Basisausstattung rund 80.000 Euro kosten wird. Die SUVs sind zurzeit am einfachsten mit entsprechend großen Batterien auszustatten, die es den Fahrzeugen erlauben, auch Reichweiten von 400 Kilometern zu erreichen. Allerdings haben diese Batterien extrem viel Gewicht. Der Audi e-tron kann mit 150 kW beladen werden und übertrifft somit den Mercedes der 110 kW schafft. Auch der Audi ist bei Tempo 200 abgeriegelt.

Der Jaguar I-Pace kommt auf 100 kW und Tesla schafft 135 kW. Der Audi ist mit 150 kW Ladeleistung auch erst in einer halben Stunde zu 80 Prozent der Akkukapazität wieder aufgeladen. Aus physikalischen Gründen dauern die letzten 20 Prozent Akku-Aufladung eine weitere halbe Stunde. Der generellen Schwäche der Lithium-Ionen-Akkus, dass sie bei hoher Leistungsanforderung – ob beim Laden oder Entladen – sehr schnell sehr warm werden, begegnet Audi mit einem ausgeklügelten Thermomanagement. Mehr als 20 Liter Kühlflüssigkeit umspülen die Batterien, um sie möglichst immer gut temperiert zu halten.

BMW hat ebenfalls sein neues E-Auto den BMW iNext vorgestellt, das 2021 an den Start gehen soll. Der iNext ist ein SUV bzw. Crossover. Das Basismodell soll eine Reichweite von 550 Kilometer haben und gegen einen entsprechenden Aufpreis ist auch eine leistungsfähigere Batterie mit bis zu 750 Kilometer zu erhalten. Die Batteriekapazität liegt bei 110 kW. Die einzelnen Zellen sind mit gut 11 Zentimetern Höhe etwas flacher als bei dem Konkurrenten Mercedes angelegt, dafür wird es mehr Zellen geben. Über den Preis dieses Autos schweigt sich BMW noch aus, allerdings ist davon auszugehen, dass auch dieses Fahrzeug bei den Preisen in Richtung Mercedes EQC bzw. Audi e-tron gehen wird.

Die Mercedes-Ingenieure haben bewusst auf ein induktives (berührungsloses) Laden des neuen EQC verzichtet, da beim induktiven Laden die stets unabdingbaren Ladeverluste höher sind als beim Laden mittels CCS-Stecker. Die neue Batterie im EQC wiegt 600 Kilogramm und weitere 50 Kilogramm wurden erforderlich, um die Batterie bei einem schweren Crash zu schützen.

Man kann den EQC auch mit einer Anhängervorrichtung haben. Im Hinblick auf die Batterie, glaubt man bei Daimler aber weniger an das EQC als Zugfahrzeug, sondern man denkt eher an die vielen Fahrradfahrer, die ihr Bike mitnehmen wollen und dafür einen Träger auf die Anhängerkupplung setzen.