Aktuell steigt die Ausweitung der Öl- und Gasproduktion weltweit – Raffineriekapazitäten bilden einen Engpass

Unterm Strich wird die weltweite Ölnachfrage bis 2028 um sechs Prozent auf 105,7 Millionen Barrel pro Tag steigen, so die aktuelle Prognose der internationalen Energieagentur. Im Angesicht des russischen Kriegs, westlichen Energiesanktionen und weltweiter Inflation, hat eine geistige Transformation stattgefunden. Das neue Schlagwort lautet „Energiesicherheit“, so schreibt das Nachrichtenportal The Pioneer. Die globalen Investitionen in die Gewinnung von Öl und Gas werden 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent auf 528 Milliarden Euro steigen. Das ist das höchste Volumen seit 2015.

Der Verkauf fossiler Energien boomt, die Nachfrage weltweit nach Diesel, Kerosin und Gas steigt und liefert den Mineralölkonzernen einen wichtigen Grund am alten Geschäftsmodell festzuhalten. Zudem sind die Margen, gerade im Raffineriegeschäft, in den vergangenen beiden Jahren durch die Decke geschossen. Die fehlenden russischen Raffineriekapazitäten führten dazu, dass die bereits ausgelasteten westlichen Raffineriekapazitäten am Anschlag und folglich mit hohen Renditen produzieren. Bei den Mineralölkonzernen ist auch eine Abkehr von den Emissionssenkungen festzustellen.

Der französische Konzern Total wollte bis 2030 seine CO2-Emissionen um 35 bis 40 Prozent senken. Jetzt ist nur noch von 20 bis 30 Prozent die Rede. BP wollte bis 2030 die Emissionen um 35 bis 40 Prozent senken und geht aktuell von 20 bis 30 Prozent aus. Shell hatte 2021 versprochen, der Konzern werde bis 2030 jährlich 100 Millionen Dollar für Emissionsgutschriften aus Baumforstungsprogrammen investieren. Durch Zukauf von CO2-Zertifikaten wollte man die eigene Schadstoffbilanz reduzieren, auch dieser Weg wird nicht weiterverfolgt.

Die großen Mineralölkonzerne halten ihre Öl- und Gasproduktion bis 2030 konstant oder weiten sie noch aus. 655 von 685 Unternehmen, die Erdöl oder Erdgas fördern, wollen ihre Produktion ausbauen und neue Quellen erschließen, wie die Nicht-Regierungsorganisation „Urgewalt“ berichtete. Die USA, die Investitionen in die alternative Energie aus aller Welt anlocken will, bleibt süchtig nach fossilen Energieträgern. Bis zum Jahr 2030 werden die USA einen Anteil von 20 Prozent am Wachstum der weltweiten Ölproduktion erreichen, so The Pioneer weiter.

Die Förderung durch die Fracking-Technik dürfte sich länger auf dem aktuellen hohen Niveau halten. Auch in China wird weiter auf fossile Energie gesetzt. In den vergangenen zehn Jahren war China für ein Drittel des weltweiten Zuwachses beim Gas und zwei Drittel der globalen Ölnachfrage verantwortlich, so der Chef der internationalen Energieagentur (IEA) Birol. Mit steigender Weltbevölkerung geht auch ein weiterer Anstieg der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen einher. Für Afrika wird ein Anstieg der CO2-Emissionen von 60 Prozent prognostiziert, für Lateinamerika in Höhe von 40 Prozent und für Asien von 70 Prozent.

In einer aktuellen Prognose von BP im Energy Outlook 2023, die bis zum Jahr 2050 reicht, kommt der Konzern zu folgenden Ergebnissen: Die regenerativen Energien wie Solaranlagen, Windenergie, Wasserkraft, Geothermie und Biomasse werden ihren Anteil an der weltweiten Energieversorgung auf 35 bis 65 Prozent in 2050 steigern können. Zugleich aber verharrt die Nutzung von Öl, Gas und Kohle auf hohem Niveau. Die neue Zeit kommt, ohne dass die alte geht. Der Anstieg der E-Mobilität sagt nichts über einen Rückgang der fossilen Energiearten, denn die E-Motoren laufen in vielen Ländern, darunter auch in Deutschland mit einem hohen Anteil braunem Strom. Der Verkehrssektor in Deutschland lief im vergangenen Jahr zu 93 Prozent mit fossilen Brennstoffen.

Als 2014 der Ölpreisverfall einsetzte und die amerikanischen und europäischen Ölkonzerne mit hohen Verlusten abgeschlossen haben, wurden deren Investitionen in neue Ölquellen zurückgefahren. Hierdurch konnte sich der Ölpreis wieder auf einem Niveau von 80 bis 90 Dollar stabilisieren und die OPEC+ versuchen dieses Niveau zu halten. Bei einem Ölpreis von 80 bis 90 Dollar ist es für die Konzerne wieder attraktiv in die Erschließung neuer Rohölquellen zu investieren.

Als Engpass könnten sich die Raffinerien erweisen, denn gerade in Europa wurden im letzten Jahrzehnt zu viele Raffinerien geschlossen. Russland als großer Raffineriebetreiber fällt als Lieferant für die westliche Welt nachhaltig aus. Gerade in den Monaten Juli bis September 2023 waren die Fertigproduktpreise für Diesel an den Weltmärkten und besonders in Europa durch die Decke geschossen, da die Nachfrage größer war als das Angebot. Die Welt verlangt nach Fertigprodukten und damit nach mehr Raffineriekapazitäten. Wenn es Raffinerieneubauten geben sollte, dann wohl in Afrika und Asien. Weitere Raffinerieschließungen in Europa sollte es aber auch nicht geben, denn das wäre Fatal für unsere Energiesicherheit.