Die Mineralölströme haben sich in den letzten zwei Jahren weiter verändert

Der Verband en2X hat die Mineralölzahlen 2023 veröffentlicht. Hieraus ergeben sich folgende Fakten und Tendenzen.

Der Primärenergieverbrauch in Deutschland entfiel in 2023 auf folgende Energiearten:

35,6 Prozent Mineralöl
24,7 Prozent Erdgas
0,7 Prozent Kernenergie
19,6 Prozent Erneuerbare
2,3 Prozent Sonstige
8,7 Prozent Steinkohle
8,3 Prozent Braunkohle



77 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Deutschland entfielen 2023 auf Mineralöl, Erdgas und Kohle. Insgesamt ist der Primärenergieverbrauch in 2023 um 8,5 Prozent geschrumpft, sodass die stärkste Einsparung aus dem Nichtverbrauch kam.

Hierzu noch folgende Zahlen:

Gesamtprimärenergieverbrauch

2010 14.126 Petajoule
2015 13.368 Petajoule
2019 12.808 Petajoule
2023 10.735 Petajoule



Der Primärenergieverbrauch ist zwischen 2010 und 2019 trotz einer wachsenden Wirtschaft um 10 Prozent in der BRD gesunken. Zwischen 2019 und 2023 (Corona 2020/2021 und Ukrainekrieg 2022) sank Primärenergieverbrauch um 16 Prozent. Bei den einzelnen Erzeugerarten sah der Anteil am Primärenergieverbrauch wie folgt aus:

2010 2015 2019 2023
Mineralöl 32,9 Prozent 33,9 Prozent 35,2 Prozent 35,6 Prozent
Erdgas 22,3 Prozent 20,9 Prozent 25,1 Prozent 24,7 Prozent
Kohle 22,7 Prozent 24,8 Prozent 17,6 Prozent 17,0 Prozent
Kernenergie 10,8 Prozent 7,6 Prozent 6,4 Prozent 0,7 Prozent
Erneuerbare 9,9 Prozent 12,4 Prozent 14,9 Prozent 19,6 Prozent
Sonstige 1,4 Prozent 0,4 Prozent 0,9 Prozent 2,3 Prozent



Wir hatten 2010 beim Primärenergieverbrauch einen Anteil von Öl, Gas, Kohle von 78 Prozent und dies entspricht dem Gleichen wie in 2019 und 2023. Kohle verlor an Bedeutung, während Gas und Mineralöl zulegten. Mit der Kernenergie, die wir sukzessive nach 2005 abgeschaltet haben mit einer Leistung von 1.851 Petajoule, könnten wir die in 2023 noch laufenden Kohlekraftwerke mit 1.826 Petajoule komplett ersetzen. Hätten wir an der Kernenergie festgehalten, könnten wir schon 2023 aus der Stein- und Braunkohle aussteigen mit entsprechenden Effekten für den CO2-Ausstoß.

Selbst, wenn wir 2019 entschieden hätten, die letzten Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen, könnten wir entweder komplett auf die Stein- oder auf die Braunkohle verzichten. Mineralöl und Erdgas kämen dann auf einen Anteil von rund 60 Prozent und die 17 Prozent Kohle wären bei längeren Laufzeiten für alle Atomkraftwerke, die wir nach 2005 abschalteten, CO2-neutral ersetzt. Unser CO2-neutraler Anteil läge mit Kernkraft und Erneuerbare bei rund 35 Prozent des Primärenergieverbrauchs. Bezogen auf die Stromerzeugung kämen wir auf CO2-neutralen Anteil von fast 80 Prozent.

Doch kommen wir zum Mineralölmarkt.

Mineralölbedarf und Versorgung

Inlandsabsatz Mineralöl
Der Inlandsabsatz entwickelte sich wie folgt:

2005 111.954.000 t
2010 105.656.000 t
2015 102.033.000 t
2019 102.937.000 t
2023 88.444.000 t



Zwischen 2005 und 2019 (14 Jahre) sank der Mineralölverbrauch um neun Millionen Tonnen = acht Prozent und zwischen 2019 und 2023 (4 Jahre) um 15 Millionen Tonnen = 15 Prozent!

Export von Mineralöl
Auf der anderen Seite entwickelten sich die Produktausfuhren wie folgt:

2005 26.300.000 t
2015 22.303.000 t
2019 22.051.000 t
2023 24.455.000 t



Die Ausfuhren sind mehr oder minder gleichgeblieben. Wie sah es bei den Importen aus.

Import von Mineralöl

2005 34.961.000 t
2015 37.437.000 t
2019 42.136.000 t
2023 36.044.000 t



Die Produkteinfuhr ist auf das Niveau aus 2005 bzw. 2015 gesunken, während der Import zwischen 2017 und 2019 auf über 40.000.000 Tonnen gestiegen war.

Raffineriekapazitäten
Die durchschnittlichen Raffineriekapazitäten in Deutschland liegen seit 2010 auf einem Niveau von 103 bis 105 Millionen Tonnen je nach Optimierung (Auslastung der Raffinerien). Die Auslastung der Raffinerien lag zwischen 2015 und 2017 bei 91 Prozent. Zu der Zeit gab es zu wenig Raffinerien und das weltweit. Die Auslastung der deutschen Raffinerien fiel 2018 bis 2019 auf 85 Prozent, und sank in den Corona-Jahren auf knapp unter 80 Prozent und 2023 sogar auf nur 75,7 Prozent. In 2023 hatten sich noch die Verwerfungen aus der Ukraine-Krise ausgewirkt die zu einer schwachen Auslastung der Raffinerien im Osten (Schwedt und Leuna) führten. Dem Absatz von 88 Millionen Tonnen stehen bei einer Auslastung von 90 Prozent (100 Prozent wird es durch planmäßige Stilllegungen der Raffinerien wegen Wartungsarbeiten nie geben) rund 95 Millionen Tonnen an Kapazität entgegen.

Da die Produktionskapazitäten sieben Millionen Tonnen zu groß sind planen Shell und BP ihre Raffineriekapazitäten in 2025 in Deutschland zu reduzieren. Wenn der Rheinlandraffinerieanteil in Wesseling und Teile der Raffinerie in Gelsenkirchen nach 2025 aus der Produktion genommen werden, wäre ein erster wesentlicher Schritt getan um Produktion und Absatz in Deutschland in ein Gleichgewicht zu bringen. Eigentlich bestehen die Überkapazitäten bei den Raffinerien im Süden und Südwesten von Deutschland und weniger im Westen. Andererseits sind die Kapazitäten entlang des Rheins über die hohen Raffineriekapazitäten in Amsterdam/Rotterdam/Antwerpen (ARA), die zudem eine deutlich bessere Effizienz haben, deutlich leichter zu ersetzen als im Süden. Zudem gibt es neben der Rohölpipeline von Rotterdam auch eine Produktpipeline aus Rotterdam nach Wesseling/Godorf und ins RheinMain Gebiet, sodass neben den Schiffspartien auch über die Produktpipeline eine Versorgung aus Rotterdam im Westen und im Rhein/Maingebiet möglich ist. Wie dauerhaft die Überkapazität des Südens und Südwesten in den Raffinerien in Karlsruhe, Ingolstadt/Vohburg/Neustadt gelöst werden sollen, bleibt abzuwarten. Im Norden sind Lingen mit 4,7 Millionen Tonnen und Wilhelmshaven mit 3 Millionen Tonnen mit Sicherheit auch eines Tages zu viel und im Osten stellt sich irgendwann die Frage, ob beide Raffinerien in Leuna und Schwedt, mit jeweils 12 Millionen Tonnen gebraucht werden. Je schneller der Mineralölmarkt in Deutschland schrumpft je schneller werden Raffinerien geschlossen werden müssen.

Deutschland ist zur Zeit der größte Raffineriestandort mit 16 Prozent der gesamten Raffineriekapazität in Europa, wobei sich dieses dann in nächsten Jahren stark verändern wird. Die Küstenraffinerien in Amsterdam/Rotterdam/ Antwerpen (ARA) sind den deutschen Inlandsstandorten auf Grund ihrer Möglichkeiten die Ware auch in Übersee zu vermarkten logistisch überlegen. Inlandsraffinerien sind hier im Nachteil, was den Export der überschüssigen Mengen angeht.

Tankstellen
Der Tankstellenmarkt entwickelte sich zwischen 2015 und 2023 wie folgt:

2005 15.811 Straßentankstellen
2010 14.367 Straßentankstellen
2015 14.176 Straßentankstellen
2019 14.449 Straßentankstellen
2023 14.442 Straßentankstellen



Das große Tankstellensterben setzte nach 1990 ein als die Umweltauflagen kamen und setzte sich bis 2005 fort. Viele Tankstellen konnten noch mit Übergangsgenehmigungen ohne mineralölbeständige Fahrbahn, neueste Abscheidetechnik etc. relativ lange im Markt bleiben. Seit 2010 (fast 15 Jahre) ist das Tankstellennetz mehr oder minder mit rund 14.400 Tankstellen an der Straße und 358 Autobahntankstellen unverändert. Der rückläufige Umsatz an den Straßentankstellen alleine zwischen 2019 und 2023 von neun Prozent führt dazu, dass bei gleichbleibender Stückzahl der Durchschnittsumsatz der Tankstellen entsprechend abnahm.

In den nächsten Jahren werden auf der Raffinerieebene Kapazitätsanpassungen erfolgen. Die Konzerne wie Esso, Shell, BP etc. konzentrieren sich auf immer weniger Raffinerien und das weltweit. Sie wollen nur noch Raffinerien behalten bei denen sie alleine das sagen haben und die mindestens mehr als 12 Millionen Tonnen Raffineriekapazität an einem Standort realisieren können. Teilweise wurden und werden die „kleineren“ Raffinerien der großen Mineralölkonzerne von internationalen Ölhändlern wie Gunvor, Vitol und Finanzinvestoren übernommen. Für die Raffineure wäre es besser die Standorte komplett aus dem Markt zu nehmen, wenn sie Druck von den Raffineriepreisen nehmen wollen. Andererseits sichern sich die Verkäufer über Abnahmeverträge bei den Käufern ihrer Raffinerien die entsprechenden Mengen um ihre Tankstellen und Großhändler mit Ware in den nächsten Jahren versorgen zu können.

Auf der anderen Seite ist zu beobachten, dass sich einige internationale Mineralölgesellschaften wie Esso, Total und Conoco aus dem Tankstellengeschäft verabschieden und überlassen den Vertrieb ihrer Raffinerieprodukten unter Beibehaltung der Marke Convenienceketten bzw. Finanzinvestoren. Der Urgedanke von Unternehmern wie Rockefeller die diese Branche prägten, komplett vertikal (vom Bohrloch bis zur Tanke) aufgestellt zu sein wird nur noch von wenigen zurzeit u.a. Shell und BP verfolgt. Esso, Total und Conoco konzentrieren sich auf das Bohrloch und ihre wichtigsten Raffinerien, da sie dort ihre Kernkompetenz sehen und deutlich mehr Geld verdienen als an der Tanke.