Die Welt schwimmt im Öl – für lange Zeit

Der Chefökonom des britischen Ölmultis BP beobachtet über längere Zyklen den Mineralölmarkt. Zyklen von 20 bis 30 Jahren vorauszusehen, ist für die Mineralölindustrie mit ihren erheblichen Investitionen am Bohrloch und in den Raffinerien, aber auch im Vertrieb unumgänglich, wenn keine Fehlinvestitionen getätigt werden sollen.

In der fernen Zukunft sieht der Chefökonom Entwicklungen, die den globalen Ölmarkt für immer „signifikant“ verändern werden.

Im Handelsblatt erklärt Spencer Dale anhand einer 100 Seiten umfassenden Energieprognose, was ihn besonders bewegt. Die technisch förderbaren Ölreserven, das heißt jene Menge Erdöl, die existiert und mit heutiger Technik aus dem Boden gepumpt werden kann, entspricht in etwa 2,6 Billionen Barrel. „Es ist genug, um den Erdölbedarf der gesamten Weltbevölkerung bis 2050 zweimal zu befriedigen“, so Spencer Dale.

Die Folge: Erdöl wird nicht knapp, wir schwimmen darin, so das Handelsblatt. Seit vergangenem Dezember hat sich der Rohölpreis wieder auf einem Niveau von 50 bis 55 Dollar je Barrel stabilisiert und sich damit gegenüber seinem 12-Jahrestief in 2016 nahezu verdoppelt.

Aus diesem Grund erwartet Spancer Dale folgendes Szenario: „Wir gehen daher davon aus, dass die OPEC-Staaten im Nahen Osten, Russland und in Teilen der US-Ölindustrie ihre Kostenvorteile gegenüber anderen Förderländern in den kommenden 20 Jahren verstärkt ausspielen werden, um Marktanteile zu gewinnen. Die Billigproduzenten dürften schrittweise mehr und mehr Öl fördern und den Preis drücken, um so die Produzenten mit den höchsten Kosten aus dem Markt zu drängen“, so der Experte. Gerade kleine bis mittelgroße Ölfelder in der Antarktis oder der Tiefsee drohen auf ewig unrentabel zu bleiben. Hinzu kommt, dass die Schieferölproduzenten in den USA immer mehr fördern. Auch hier gilt, es werden nur die günstigsten Schieferölförderer überleben.

Der Zusammenbruch des Ölpreises in den vergangenen beiden Jahren führte auch dazu, dass die Ölindustrie wesentlich effizienter bei der Ölförderung wurde. Vor diesem Hintergrund sind heute auch Schieferölfelder in den USA mit Förderkosten, die unter 40 Dollar je Barrel liegen, wirtschaftlich zu betreiben. In den vergangenen fünf Jahren waren die USA für zwei Drittel der Zunahme der Ölproduktion und rund die Hälfte der Zunahme der Gasproduktion weltweit verantwortlich. Jahr für Jahr fließt mehr Kapital in die Förderaktivitäten in den Vereinigten Staaten. Derzeit wird von verschiedensten Gesellschaften massiv in Schieferöl- und Schiefergasproduktion investiert.

Die Förderkürzung, die die OPEC seit Anfang Dezember beschlossen hat, führte zu einer Stabilisierung des Ölpreises. Auf der anderen Seite wächst allerdings das Angebot der Schieferölproduzenten. Somit sinkt der Marktanteil der OPEC. Es wird spannend, ob die OPEC im Sommer diese Förderkürzung beibehält oder wieder aufgibt. Ersteres würde zu einem Anstieg der Rohölpreise führen, was wiederum die Frackingölindustrie in den USA in ihren Investitionen nur beschleunigt. Eine komplette Rücknahme der OPEC-Kürzung würde zu einer Ölschwemme führen und der Ölpreis könnte dramatisch fallen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ausgeschlossen, dass die OPEC einen Mittelweg geht und die Förderkürzung nur teilweise beibehält.

„Das Problem für die OPEC ist, dass sie zwei wichtige Faktoren nicht beeinflussen kann: Die Nachfrage nach Öl und das Angebot aus Nicht-OPEC-Staaten“, so Eugen Weinberg von der Commerzbank. Der Commerzbank-Experte stellt auch die Frage nach Peak Oil und Peak Demand. „Spätestens in 20 Jahren werden wir nicht mehr über Peak Oil, also den Höhepunkt der Ölproduktion sprechen. Wir werden dann über Peak Demand, d.h. wann wir den Höhepunkt des Ölverbrauchs erreichen, diskutieren. Es gilt der Frage nachzugehen, ab wann die Nachfrage nach Öl in Zukunft nur noch langsam oder vielleicht gar nicht mehr wächst“, so der Ölexperte Weinberg.

Über Jahrzehnte hat die OPEC die Rolle als sogenannter Swing Producer inne. Insbesondere OPEC Länder wie Saudi-Arabien können relativ einfach ihre Produktion reduzieren oder auch überschüssiges Rohöl einlagern. Aber auch die Frackingölquellen in den USA lassen sich relativ schnell aufschalten und können somit das Angebot erweitern. Ein neuer Swing Producer könnte folglich in den USA entstehen.

Die Kosten für ein Schieferölbohrloch sollen um mehr als die Hälfte gesunken sein. Gleichzeitig ist die Effizienz, das heißt wie viel Barrel pro Tag aus einer Quelle herausgeholt werden können, in den letzten drei Jahren deutlich gestiegen. Die USA fördern zurzeit 9 Millionen Barrel pro Tag. Alleine 5 Millionen Barrel davon stammen aus Schieferöl. Vor zehn Jahren gab es diese Quellen nicht. Und schon jetzt bahnt sich an, dass in den kommenden Jahren immer mehr Öl aus den USA auf den Markt kommen wird. Eine Ölknappheit ist also nicht zu befürchten, es ist mehr als genug Öl für alle da, so das Handelsblatt.