Wahrnehmung und Realität

Der Mineralölwirtschaftsverband hat eine umfassende Broschüre zum Thema Wahrnehmung und Realitäten im Mineralölmarkt herausgegeben. Da wir uns in vielen Punkten dieser Meinung anschließen können, möchten wir im Nachstehenden das Wesentliche aus diesem Bericht wiedergeben.

Wahrnehmung 1
„Das Ölzeitalter geht zu Ende“

Realität ist:
Noch nie waren die Ölreserven so groß wie heute, das bedeutet: Die Ölversorgung ist langfristig gesichert.

Nichts weist gegenwärtig auf ein bevorstehendes Fördermaximum oder gar eine Erschöpfung der Ölreserven hin. Im Gegenteil: Noch nie waren die sicheren Ölreserven so hoch wie heute. Dies belegen Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die als Oberbehörde wichtigste, geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung. Nach Analysen dieser Behörde haben sich die weltweit bestätigen Ölreserven innerhalb der vergangenen zwölf Jahre um beinahe die Hälfte erhöht, und dies obwohl zeitgleich der globale Verbrauch infolge des Wirtschaftswachstums in den Schwellenländern stark zugenommen hat. Das Gesamtpotenzial der derzeit bekannten Ölvorkommen liegt nach Berechnungen dieser Behörde bei 627 Milliarden Tonnen. Das bedeutet, Erdöl wird es in den nächsten 5 bis 6 Jahrzehnten ausreichend geben. Auch Professor Ottmar Edenhofer, vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kommt zu folgender Feststellung: „Der Höhepunkt der Ölförderung ist nicht in Sicht. Kohlenstoffe sind der Energieträger für das 21. Jahrhundert schlechthin.“ Laut Berechnungen der internationalen Energieagentur steigt der Ölbedarf bis 2035 um 14 Prozent auf 100 Millionen Barrel pro Tag an und trägt im Jahr 2035 mit einem Anteil von 27 Prozent weiterhin die Hauptlast zur Deckung des globalen Energieverbrauchs, gefolgt von Kohle (25 Prozent) und Erdgas (24 Prozent). Das heißt, auch im Jahr 2035 werden die fossilen Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas zu 75 Prozent den Energiehunger der Welt stillen. Durch die neue Frackingmethode, die sowohl beim Erdöl als auch zur Gasförderung eingesetzt wird, ist es möglich, dass sich der Anteil von Erdgas zu Lasten der Kohle, die am meisten CO2 bei der Verbrennung ausstößt, noch etwas erhöht. Erneuerbare Energien, inklusive Wasser und Biomasse, werden nach den Berechnungen der internationalen Energieagentur im Jahr 2035 18 Prozent zur Energieversorgung beisteuern. 7 Prozent entfallen dann weltweit noch auf Kernenergie.

Auch in Deutschland wird im Jahr 2030 der Mineralölanteil am Energiemix noch 30 Prozent betragen. Erdgas kommt dann auf einen Anteil von 24 Prozent und die Kohle auf rund 12 Prozent. Die erneuerbaren Energien werden im Jahr 2030 in Deutschland einen Anteil von rund 30 Prozent haben.

Gerade im Verkehrssektor wird auch in den nächsten 20 Jahren Kraftstoff auf Mineralölbasis die Hauptantriebsquelle bleiben.

Wahrnehmung 2
„Die Ölindustrie entzieht sich dem Wettbewerb“

Realität ist:
Der Wettbewerb in der Ölwirtschaft ist härter denn je.

Die eigene Ölförderung ist für den Bedarf des eigenen Tankstellennetzes der Mineralölkonzerne von Shell, BP & Co. viel zu gering. Die Kraftstoffprodukte an den Tankstellen der Konzerne stammen in aller Regel nicht ausschließlich aus der eigenen Rohölförderung dieser privatwirtschaftlichen Ölgesellschaften.

Hierbei gilt es, drei Ebenen “Bohrloch, Raffinerien und Vertrieb“ zu betrachten. Rein rechnerisch können die konzerneigenen Raffinerien auf rund 50 Prozent Rohöl, gewonnen aus eigenen Quellen, zurückgreifen. Dieser Wert ist aber rein theoretisch, da die Produktion einer Raffinerie von mehreren Parametern bestimmt wird. Zum einen gilt es, soweit möglich, die logistisch günstigste Lieferquelle zur Raffinerie zu nutzen. Des Weiteren wird eine Raffinerie auf gewisse Qualitäten, die jedes Rohöl mit sich bringt, ausgerichtet. Man kann ein Rohöl aus der Nordsee nicht einfach durch ein Rohölprodukt aus Saudi-Arabien ersetzen. Diese Produkte haben zwei ganz unterschiedliche Produktqualitäten. Die privaten Raffineriegesellschaften, wie Shell, Exxon, Total etc. haben einen weltweiten Raffineriedurchsatz von 14,4 Millionen Barrel pro Tag. Die eigene Rohölförderung dieser Konzerne beträgt allerdings nur 8,2 Millionen Barrel pro Tag. Folglich müssen rund 50 Prozent der Rohölmengen auch von diesen Konzernen zu Weltmarktpreisen zugekauft werden. Im Kampf um die Bohrrechte und die erforderlichen Techniken, stehen die internationalen privaten Konzerne in einem starken Wettbewerb mit den staatlichen Konzernen aus China, Indien, Iran, Venezuela, Russland etc.

Über ihre Vertriebskanäle wie Tankstellen, Brennstoffhandel, Luftfahrtbranche etc. setzen die privaten Konzerne 25,2 Millionen Barrel täglich ab. Da sie im gleichen Zeitraum allerdings nur 14,4 Millionen Barrel in ihren Raffinerien produzieren, und davon nur 8,2 Millionen Barrel Rohöl aus eigenen Quellen einsetzen, müssen sie noch 40 Prozent der Fertigprodukte, die sie verkaufen, von anderen Raffineriebetreibern zukaufen. Oder noch anders ausgedrückt: Die Konzerne können nur 30 Prozent des Mineralölabsatzes aus eigenen Rohölquellen decken. Auf allen Ebenen, ob bei der Förderung, beim Raffineriedurchsatz oder beim Vertrieb der Produkte für Kfz, Luftfahrt oder Heizung stehen die Mineralölkonzerne im Wettbewerb mit anderen Anbietern. Kein Konzern kann sich aus eigener Kraft auf allen Handels- bzw. Produktionsstufen aus den eigenen Ölquellen versorgen.

Wahrnehmung 3
„Die Oil-Majors dominieren den Markt“

Realität ist:
Big Oil ist Geschichte. Heute kontrollieren staatliche Ölunternehmen den Zugang zum Öl und damit den Markt.

Die weltweiten Ölreserven sind heute fast vollständig in der Hand von Staatsunternehmen aus dem Nahen Osten, China, Russland oder Südamerika. Im Jahr 2007 wurden 88 Prozent der weltweiten Ölreserven von Staatsunternehmen kontrolliert. Dem gegenüber haben private Ölunternehmen nur noch Zugang zu rund 6 Prozent der weltweiten Ölquellen. Folglich ist der Einfluss dieser privaten globalen Mineralölunternehmen weitaus geringer als oft behauptet wird. Im Jahr 1970 hatten die privatwirtschaftlichen Ölunternehmen durch langfristige Lizenzvereinbarungen in den jeweiligen Ländern Zugang zu 85 Prozent der weltweiten Ölreserven. Nach Auslaufen dieser Lizenzvereinbarungen und Verstaatlichung der Ölvorkommen hat sich dieses Bild komplett verschoben. Den Zugriff auf das Öl kontrollieren heute fast vollständig (zu 88 Prozent) die Staaten bzw. Staatsunternehmen in den Ländern, auf deren Gebiet die Ölvorkommen liegen. Die wichtigsten Ölunternehmen sind heute Saudi-Arabien Oil, National Iranian Oil, Irak National Oil, Kuwait Petroleum, Petroleos de Venezuela und Abu Dhabi National Oil, um einmal die Wichtigsten zu nennen. Unter den Top 20 der wichtigsten Ölunternehmen rangieren private Unternehmen wie Exxon, Chevron, ConocoPhilips erst auf den Plätzen 17 bis 19. Dies zeigt, dass die Macht der vermeintlichen Multis auf den Rohölpreis sehr gering ist.

Wahrnehmung 4
„Die Ölindustrie ist schuld am hohen Benzinpreis“

Realität ist:
Vom Bohrloch bis zur Zapfsäule verdienen die privaten Ölunternehmen in Deutschland durchschnittlich 3 Eurocent pro Liter.

Die Preisbildung für Kraftstoffe ist transparent durch die jeweiligen Börsennotierungen. Diese kann jede Person jederzeit an den Börsenpreisen ablesen und prüfen. Neben dem Rohölpreis, der den größten Einflussfaktor hat, ist die Angebots- und Nachfragesituation am weltweiten Produktmarkt für Benzin und Diesel entscheidend. Eine weiterhin wichtige Rolle spielt der Wechselkurs zwischen US-Dollar und Euro, da Rohöl in US-Dollar gehandelt wird. Hinzu kommt die hohe Steuer- und Abgabenlast, die den Endkundenpreis an der Tankstelle in Deutschland entscheidend beeinflusst. Zurzeit macht sie rund 60 Prozent des Benzinpreises aus. Der Staat nimmt jährlich 50 Milliarden Euro an Steuern durch den Autofahrer ein. Das heißt, der Rohölpreis in Euro und die staatlichen Abgaben bestimmen zu 95 Prozent den Preis an der Tankstelle. Eins ist hierbei offenkundig: Bei 3 Cent Gewinn bzw. 5 Prozent Anteil am Endpreis für den Kunden, ist der Einfluss der internationalen Mineralölkonzerne auf den Tankstellenpreis relativ gering.

Wahrnehmung 5
„Früher war das Autofahren viel billiger“

Realität ist:
Gemessen an der Kaufkraft, ist Benzin kaum teurer als früher.

Die Autos verbrauchen heute wesentlich weniger Kraftstoff als noch vor 40 Jahren.
Gleichzeitig sind die Löhne deutlich gestiegen, sodass heute für eine Einheit Kraftstoff, den man auf 100 Kilometern benötigt, nur noch 50 Minuten gearbeitet wird, während es 1972 noch 65 Minuten waren.

Wahrnehmung 6
„Die Ölindustrie wirtschaftet in die eigene Tasche“

Realität ist:
Die Rentabilität der Ölwirtschaft liegt beim Vergleich verschiedener Branchen im Mittelfeld.

Im Jahr 2011 wurden von den großen Mineralölunternehmen 82 Prozent des Gewinns im Upstream-Bereich, das heißt am Bohrloch, erzielt. Die Rohöl- und Erdgasgewinnung ist für diese Konzerne das mit Abstand ertragsreichste Geschäftsfeld der privatwirtschaftlichen Ölunternehmen. Diesen Ertragschancen steht jedoch auch ein hohes wirtschaftliches Risiko – siehe der Brand der Ölplattform der BP, der diese letztlich 40 Milliarden Wertverlust des Unternehmens kostete – gegenüber. Da 82 Prozent des Gewinns am Bohrloch anfallen, investieren die Unternehmen wiederum 85 Prozent ihrer gesamten Investitionen in die Erschließung neuer Bohrlöcher. Dieses ist das Kerngeschäft der großen Unternehmen. Die Umsatzrendite der großen Ölunternehmen betrug im Durchschnitt des Jahres 2011 6,8 Prozent vom Umsatz. Banken hatten eine Rendite von 11,4 Prozent, Energieversorger von 8,9 Prozent, Kommunikationsunternehmen von 7,4 Prozent und die Automobilindustrie und Computerindustrie von 5,7 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass die Umsatzrentabilität der Mineralölkonzerne im mittleren Bereich der Industrieunternehmen liegt.

Wahrnehmung 7
„Raffinerien verdienen besser als behauptet wird“

Realität ist:
Das Raffineriegeschäft ist vom Weltmarkt abhängig und sehr zyklisch.

Raffinerien können nur begrenzt auf Nachfrageschwankungen einzelner Mineralprodukte reagieren, da die Verarbeitung von Rohöl zu Benzin und Diesel technisch voneinander abhängig ist. Der Raffinerieprozess wird deshalb als Koppelproduktion bezeichnet, bei der immer Benzine, Mitteldestillate wie Diesel, Kerosin, leichtes Heizöl, gasförmige und schwere Produkte nebeneinander entstehen. Das heißt, wenn man eine Tonne Rohöl einsetzt, kommt immer ein gewisser Anteil chemischer Produkte sowie ein Anteil von Produkten, die den Transport zu Luft, Wasser oder Straße dienen bzw. Brennstoffe und auch schwere Öle bzw. Bitumen, die eine ganz andere Verwendung finden, heraus. Eine Raffinerie wird, wenn möglich, fast immer im Volllastbetrieb gefahren, denn je niedriger die Auslastung, umso höher die Kosten pro Liter. Das heißt, wenn eine Raffinerie nachhaltig nicht mehr rentabel ist, kann man die Produktion nicht drosseln, sondern die Raffinerie muss letztlich geschlossen werden.

In den vergangenen 17 Jahren waren die Raffinerien in Deutschland 9 Jahre in der Verlustzone und 8 Jahre profitabel. Im Durchschnitt dieser 17 Jahre wurde eine Raffineriemarge von 0,56 Cent Liter pro Liter erwirtschaftet. Eine Raffinerie ist letztlich Mittel zum Zweck. Nur mit Hilfe der Raffinerie kann aus Rohöl ein Endprodukt, z.B. Naphtha oder Ethylen, erzeugt werden. Da die Raffinerien sich bei der Produktion ihrer Mengen nur schwer anpassen können, sich allerdings die Nachfrage immer wieder ändert, entstehen zwangsläufig diese Zyklen des Gewinns und des Verlustes.

Vorstehende Ausführungen sollten nochmals ein realistisches Bild unserer Mineralölbranche vom Bohrloch bis zur Tankstelle aufzeigen und mit vielen Klischees aufräumen.

Quelle: Wahrnehmung Realität, Herausgeber: Der Mineralölwirtschaftsverband