Am 09.03.2020 sind die Rohölpreise weltweit abgestürzt. An diesem Tag wurde bekannt, dass die OPEC sich mit Russland auf keine Förderkürzung einigen konnte. Im Gegenteil, Saudi-Arabien kündigte sogar an, die Rohölausfuhr zu erhöhen. Da gleichzeitig die weltweite Nachfrage immer mehr sank, entstand ein starkes Überangebot. Der Rohölpreis fiel zunächst auf 30 Dollar. Zeitweilig sank der Preis auf 22 bis 25 Dollar pro Barrel. In der Regel hat sich der Rohölpreis im März und April zwischen 25 und 33 Dollar für die Brent-Ware bewegt.
Über Ostern nahm die OPEC mit Russland und anderen Förderländern das Gespräch wieder auf mit dem Ziel, die Rohölproduktion zu senken. Formal wurde ein Beschluss herbeigeführt, dass die OPEC, inklusive Russland, die Produktion um 10 Millionen Barrel pro Tag absenkt. Beim näheren Hinsehen stellte sich allerdings heraus, dass sowohl Saudi-Arabien als auch Russland diese Mengensenkungen nur auf dem Papier erfüllen. Hinzu kam, dass Länder wie Libyen, Irak und Venezuela schon im März weniger produzierten als vor der Krise, sodass man die seit März bereits bestehenden Fördermengenreduzierungen dieser Länder in die Mengenkürzung miteinrechnete. Saudi-Arabien und Russland wollten auch andere Länder wie die USA, Kanada, Brasilien und Mexiko in diese Kürzungen einbeziehen. Mexiko weigerte sich dem nachzukommen und die anderen Länder können ihren privatwirtschaftlichen Unternehmen keine Fördermengenkürzungen aufzwingen, da diese nicht in staatlicher Hand sind.
Das Hauptproblem der Ölerzeuger ist, dass die Nachfrage im März und April – und wahrscheinlich auch im Mai – weltweit wesentlich extremer einbricht, als die OPEC überhaupt mit einer Mengenreduzierung hierauf reagieren kann. Goldman Sachs schätzt, dass im April und Mai mindestens 20 Millionen Barrel pro Tag – eventuell auch 30 Millionen Barrel pro Tag – auf den Weltmärkten weniger nachgefragt werden als vor dieser Zeit. Das heißt, eine Reduzierung von 10 Millionen Barrel pro Tag (die real nur 7,6 Millionen Barrel pro Tag waren), wie sie die OPEC beschlossen hat, musste im Markt quasi verpuffen. In der Folge fiel der Rohölpreis nach Ostern auf 27 Dollar für die Brent-Ware. So lange sich die Nachfrage nicht erholt, wird die Überproduktion anhalten. Diese Überproduktion hat aber auch klare Folgen. Durch die weltweit schwache Nachfrage können die Raffinerien immer weniger produzieren. Zudem sind die Läger, in denen Rohöl, Benzin, Heizöl, Kerosin etc. gelagert werden können, mittlerweile randvoll. Auf den Weltmeeren werden entsprechende Tanker angemietet, um die sprudelnden Ölmengen irgendwie zu puffern. Mengen aus Nordafrika und dem Irak schwimmen in Tankern auf den Weltmeeren und suchen nach Abnehmern.
Was hat dies für Folgen für den deutschen Tankstellenmarkt? Der Rohölpreis, der Anfang Januar noch bei rund 60 Dollar lag, pendelte in der vorletzten Aprilwoche bei 20 bis 25 Dollar. Am 22. April fiel der Preis zeitweilig auf 16 Dollar. Der Rohölpreis ist in einer Größenordnung von rund 20 Cent je Liter seit Anfang 2020 gefallen. Hierdurch verbilligte sich für den deutschen Endverbraucher der Tankstellenpreis zwischen Januar und April 2020 um rund 25 Cent inklusive Mehrwertsteuer. Normalerweise sind so tiefe Energiepreise für eine Volkswirtschaft immer ein Stimulierungsfaktor. Da die Kunden weniger Geld für Energie aufwenden müssen, können sie ihr Geld für andere Dinge ausgeben oder sparen. Der Konsum an den Tankstellen ist seit der zweiten Märzwoche um 25 bis 30 Prozent rückläufig. Viele unserer Kunden befinden sich im Home Office, in Kurzarbeit, Urlaubsabbau oder Arbeitslosigkeit. Hinzu kommt, dass das Transportvolumen im März um ca. 6 Prozent gesunken ist, was über die Mautabgaben errechnet wurde. Da große Teile der Wirtschaft brachliegen, ist das Transportvolumen, und dies gilt nicht nur für die Straße, sondern auch für Bahn- und Flugverkehr, entsprechend gering.
Im Monat April wird der Tankstellenkonsum um 25 bis 30 Prozent sinken. Wann und in welcher Form sich der Markt erholt, ist zurzeit nicht abzusehen. Auf jeden Fall ist mit einem Verbrauchsrückgang des Marktes in 2020 zu rechnen. In welcher Größenordnung werden wir erst im Verlauf des Jahres erkennen können.
Zudem wird es spannend bleiben, in welche Richtung sich der Rohölpreis weiterentwickelt. So lange nicht absehbar ist, wann sich die Nachfrage weltweit erholt und wie stark die Kürzungen ausfallen müssen, um diese erst einmal zu kompensieren, wird es keine Ruhe am Ölmarkt geben. Einige Experten erwarten sogar einen Rohölpreis von unter 10 Dollar – oder zumindest einen Preis unter 20 Dollar für die Brent-Ware. In den USA sind die Rohölpreise schon auf 1,50 Dollar gefallen. Ob dies eintritt, entspricht allerdings eher dem Blick in die Glaskugel. Allerdings kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass zumindest im laufenden Quartal die Tankstellenpreise auf einem ähnlichen Niveau bleiben, wie wir es im Monat April sahen.