Beschließt die EU das faktische Aus des Verbrenners?

Nirgendwo auf der Welt sind die Klimaziele ehrgeiziger als in der Europäischen Union. Auf dem EU-Gipfel im Dezember 2020 haben die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer ihren Kurs noch einmal verschärft. Einstimmig beschlossen sie, den Treibhausgas-Ausstoß im Vergleich zu 1990 bis 2030 von 40 auf 55 Prozent zu reduzieren. 40 Prozent waren schon ein hohes Ziel, das jetzt für die nächsten verbleibenden acht Jahre um weitere 15 Prozent erhöht wird. Dafür plant die EU noch striktere CO2- und Schadstoff-Grenzwerte für die Automobilindustrie.

Bereits in diesem Jahr will die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Euro-Abgasnorm vorlegen. Bis Mitte Juni 2021 wird klarer werden, wohin die EU steuert. Dann will die EU-Kommission im Rahmen des Pakets „Fit for 55“ überarbeitete CO2-Emissionsnormen für Autos und Lkws vorschlagen, um einen klaren Weg in Richtung emissionsfreie Mobilität zu sichern. Bis 2030 sollen mindestens 30 Millionen emissionsfreie Autos auf den Straßen Europas fahren. Allerdings sind dann immer noch 225 Millionen Pkws mit Verbrenner in Europa unterwegs. In der EU käme der E-Antrieb in Pkws folglich 2030 auf einen Marktanteil von 13 bis 14 Prozent.

Deutschland will 20 bis 22 Prozent, also 10 Millionen Pkws bis 2030 und das ist nur zu erreichen, wenn die Kunden ihre Skepsis gegenüber dem E-Auto in den nächsten zwei bis drei Jahren aufgeben. Kritiker merken zudem an: Ein Umwelteffekt tritt nur ein, wenn bis dahin in Europa immer mehr Strom aus Wind, Wasser und Sonne gewonnen wird und die Kohlekraft weiter deutlich reduziert wird. Die Atomkraft wird nur in Deutschland verschwinden und nicht bei unseren europäischen Nachbarn.

Die Kommission möchte, dass der Verbrennungsmotor mit der bestmöglichen Leistung und erschwinglicher Technologie zur Verringerung der Umweltverschmutzung beiträgt. Die neue Norm Euro-7 soll nach 2025 verbindlich eingeführt werden. In diesem kurzen Zeitraum alle Verbrenner noch CO2-ärmer zu machen, ist technisch und wirtschaftlich für die Fahrzeughersteller nicht möglich. Die einzige Hilfe bieten hier Hybridfahrzeuge und ein hoher E-Anteil im Kfz-Flottenverkauf. Die EU verfolgt langfristig das Ziel, den Verkehr bis 2050 emissionsfrei zu betreiben. Allerdings will die EU-Kommission den Autokäufer auch nicht verunsichern. Zudem sollen die Fahrzeuge und die Mobilität für jedermann bezahlbar bleiben und kein Luxusgut werden.

Zurzeit gelingt dies beim E-Auto nur mit Hilfe kräftiger staatlicher Zuschüsse beim Fahrzeugkauf. Da der Staat momentan in Geld zu schwimmen scheint, denn für alles ist plötzlich Geld da, werden diese Prämien (noch) nicht kritisch hinterfragt.

Ein unsicherer Käufer kauft lieber nicht und dann bleiben die Fahrzeuge mit alter Verbrennungstechnik noch länger im Markt als gewünscht. Die scharfen EU-Vorgaben, die nach 2025 kommen sollen, werden für die Automobilindustrie zu höheren Strafzahlungen führen, wenn sie die strikten Vorgaben nicht erreichen. Eine übereilte Einführung der Autoabgasnorm Euro 7 könnte für die Automobilindustrie zu einer echten Bedrohung werden. So warnen bereits einige Abgeordnete des EU-Parlaments davor, dass die neue scharfe Euro-7-Norm ab dem Jahr 2025 quasi das faktische Aus für den Verbrenner bedeutet.

Diese konservativen Abgeordneten befürchten den Verlust von 400.000 Arbeitsplätzen allein in der deutschen Automobilbranche. Eine Gruppe von EU-Parlamentariern fordert deshalb: „Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe für Fahrzeuge wird zu Ende gehen, den Verbrennungsmotor brauchen wir aber noch für die Übergangszeit.“ Insbesondere Hybrid-Fahrzeuge, Diesel- und Benzin-Verbrennungsmotoren könnten beim Übergang noch eine wichtige Rolle spielen. Bis 2030 müssen die flottenweiten Emissionen von Neuwagen um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 sinken. Diese Werte will die EU nun nochmals deutlich verschärfen und auf etwa 50 Prozent hochschrauben.

Wie „Die Welt“ berichtete, sind einige EU-Abgeordnete auch irritiert, dass die deutsche Regierung zu dem Thema keine Stellung bezieht. Dies liegt an der Tatsache, so „Die Welt“, dass die Koalition sich nicht einig ist. Das Wirtschafts- und das Verkehrsministerium sehen den neuen Co2- Wert der EU als zu hoch an, während das Umweltministerium diesen für richtig hält. Da die drei Ressorts sich nicht einigen können, wird es laut „Welt“ keine Stellungnahme der deutschen Regierung zu diesem wichtigen Thema für die deutsche Automobilbranche nach Brüssel geben.

Auch der langjährige baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann von der Partei der Grünen erwartet, dass auch im Jahr 2030 weiterhin mindestens 35 Millionen Autos (andere Prognosen gehen von 38 bis 40 Millionen Einheiten aus) mit Verbrennungsmotoren auf Deutschlands Straßen unterwegs sein werden und dies trotz der wachsenden Elektromobilität. Aus diesem Grund liegt, laut Winfried Hermann der Schlüssel für die Automobilbranche in der Entwicklung alternativer Kraftstoffe für Benzin- und Dieselfahrzeuge.

Er betrachtet diese nicht als Konkurrenz zur E-Mobilität, wie es manche seiner Parteikollegen sehen, sondern als Ergänzung. Baden-Württemberg entwickelt derzeit eine Strategie für alternative Kraftstoffe, die als Vorbild für die EU dienen könnte. Bis Jahresende soll eine europäische Allianz für erneuerbare Kraftstoffe gegründet werden. Die Klimaaktivisten sehen das anders und befürchten, dass umweltfreundliche Kraftstoffe mit weniger CO2-Verbrauch, den Wandel zum E-Fahrzeug nur aufhalten werden und bekämpfen alternative Kraftstoffe mit voller Vehemenz.

Die Automobilindustrie ist ebenfalls hin und her gerissen. Sie weiß, dass die neuen EU-Vorgaben in irgendeiner Form verschärft werden und dies ab 2026 zu erheblichen Strafzahlungen führen kann, wenn sie die neuen Flottenvorgaben nicht schaffen. Andererseits gibt es außerhalb der EU auch noch riesige Absatzmärkte wie Amerika oder Asien, wo mit einem langsameren Abschmelzen der Verbrennungsmotoren zu rechnen ist. Und zurzeit bringen die Verbrenner das Geld in die Bilanzen der Kfz-Hersteller, die den Umstieg auf die E-Mobilität letztlich bezahlen müssen. Niemand weiß, wie sich die E-Mobilität entwickelt, wenn der deutsche Staat aus der erheblichen Bezuschussung beim E-Autokauf 2025 aussteigt.

Daimler-Benz hat angekündigt, nach 2039 keine Autos mit Benzin- und Dieselmotoren mehr verkaufen zu wollen. BMW gibt ab 2025 in der Modellpalette den Elektroautos die höhere Priorität und 2030 soll jeder zweite BMW elektrisch, das heißt in der Sprache der Hersteller auch teilelektrisch als Hybrid, ausgeliefert werden. Volkswagen will im Jahr 2030 70 Prozent seiner Gesamtverkäufe mit elektrischen Antrieben abwickeln.

Die Ankündigungen der Automobilbauer sind letztlich eine Reaktion auf die politischen Forderungen nach immer schärferen Abgasgrenzwerten für Verbrennungsmotoren, denen sie sich irgendwie stellen müssen, wenn sie Strafzahlungen vermeiden wollen.