Dennoch scheuen die Regierungen eine radikale Abkehr vom Selbstzünder.
Wie geht es mit dem Dieselantrieb weiter?
Steht der Dieselmotor im Zuge des VW-Betrugs vor dem Aus?

In Frankreich werden schon Stimmen laut, „eines Tages mit Diesel Schluss zu machen“, so die Forderung der französischen Umweltministerin Ségolène Royal, die gleichzeitig das Steuerprivileg für den Dieselkraftstoff infrage stellte. Der englische Premierminister David Cameron stieß in das gleiche Horn: Auch seine Regierung halte es für möglich die steuerlichen Bemessungsgrenzen für Dieselautos zu überprüfen.

Europa ist ein Kontinent der Dieselautos. Keine andere Region der Welt setzt so stark auf diese Antriebstechnik. In vielen europäischen Ländern wird der Diesel gegenüber dem Benzin steuerlich begünstigt.

In Paris haben einige sozialistische Abgeordnete einen Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz eingebracht. Demnach soll die Steuer auf Dieselkraftstoff um jährlich zwei Cent erhöht und der Abstand zum Benzin aufgehoben werden, der zurzeit 15 Cent pro Liter beträgt.

Allerdings sollten die Länder bedenken, welch wesentliche Rolle der Dieselmotor in der europäischen Autoindustrie spielt.

Der Anteil der Pkw-Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen 2014 in Europa stellt sich wie folgt dar:

Irland 73 %
Portugal 71 %
Spanien 65 %
Frankreich 64 %
Italien 55 %
Großbritannien 50 %
Deutschland 48 %
Dänemark 32 %
Niederlande 27 %
Quelle: Verband der französischen Automobilhersteller (CCFA).

Da der Diesel aufgrund seines geringen Verbrauchs zudem sehr niedrige CO2-Werte erreicht, benötigt die Automobilindustrie diese Motoren, um die geforderten CO2-Werte nach 2020 zu realisieren.

Seit dem Jahr 2015 hat jedes Gramm CO2, das über dem Grenzwert von 130 Gramm liegt, massive finanzielle Folgen für den Automobilhersteller. Nach Berechnungen des Car-Instituts der Uni Duisburg würde ein Absatzrückgang bei den Dieselmodellen um 20 Prozent dazu führen, dass die Automobilhersteller 3,15 Milliarden Euro als CO2-Strafsteuer zu zahlen hätten. Nach Berechnungen des CAM-Instituts der FH Bergisch-Gladbach, reduzieren Dieselfahrzeuge in der Kompakt- und Mittelklasse den CO2-Ausstoß um gut 15 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Benziner. Bei den Premiummodellen, in der oberen Mittelklasse und in der Oberklasse, fällt die CO2-Ersparnis mit 22 bis 25 Prozent noch stärker aus. In diesen Fahrzeugklassen macht der Diesel etwa 90 Prozent des Absatzes aus. Bei Kleinwagen wird der Einsatz von Dieselmotoren, die nur in Verbindung mit der SCR- und AdBlue-Technologie den entsprechenden Stickoxidausstoß einhalten, technisch und wirtschaftlich kaum funktionieren. Zum einen braucht diese Technologie Platz im Motorraum des Kleinwagens, der oftmals fehlt und diese Technik treibt gerade beim Kleinwagen die Herstellungskosten nach oben. Diese Autos würden dadurch so teuer, dass sie nicht konkurrenzfähig wären.

Das CAM-Institut kommt zu dem Ergebnis, dass die deutschen Automobilhersteller die CO2-Grenzwerte für das Jahr 2021 nicht einhalten können, wenn der Diesel als Antrieb schwächelt. Der Studienautor Stefan Bratzel stellt fest: „Eine unmittelbare Abkehr vom Diesel dürfte die Hersteller sogar in erhebliche Turbulenzen stürzen, da die Planung für die kommenden Serienfahrzeuge der nächsten 3 bis 5 Jahre kaum noch zu ändern ist.“

Einen schnellen Ausstieg aus dem Diesel können sich die europäischen Hersteller kaum leisten. Nach Berechnungen des CAM-Instituts müsste dann der Anteil der Elektroautos an den Neuzulassungen bis 2020 auf 25 Prozent steigen, um die Grenzwerte noch einzuhalten. Vor diesem Hintergrund ist auch zu erwarten, dass die Automobilhersteller, insbesondere bei den Benzinmotoren verstärkt Hybridtechnik anbieten werden. Doch auch diese Technik verteuert die Herstellungskosten beträchtlich.

Einige Verkehrsminister in der EU forderten auch schon die gänzliche Abkehr von Fahrzeugen mit Emissionen. Wie dies gehen soll, ließen sie allerdings offen. In den USA steht zu befürchten, dass Dieselgate dazu führt, dass der Dieselmotor für Pkws auf der Strecke bleibt. Nur die europäischen Herstellen, angeführt von den deutschen Markenherstellern, versuchten in Amerika dem Diesel ein moderneres, verbrauchsarmes und sauberes Image zu geben. Die amerikanische Automobilindustrie verfolgte diesen Weg ohnehin nicht.

Abzuwarten bleibt, wie der Verbraucher auf die Diskussionen um den Dieselmotor reagiert. Verunsicherte Verbraucher, gerade bei langlebigen Wirtschaftsgütern, neigen dazu, im Zweifel eher nicht zu kaufen. Denn wer weiß, welche Absatzchancen der heute neu angeschaffte Diesel-Pkw 2021 im Gebrauchtwagenmarkt hat. Für die Automobilindustrie könnte es billiger sein, ein Benzin-Hybrid-Fahrzeug im Verkaufspreis zu subventionieren als die CO2-Strafsteuer zu zahlen. Der VW-Skandal könnte die Kfz-Branche – inklusive Zulieferer und Kraftstoffhersteller – vor neue sowie zugleich große Herausforderungen stellen, die zudem relativ kurzfristig bis 2021 zu lösen wären.