Verband prüft Klage gegen das Umweltministerium
Das Handelsblatt berichtete im November 2024, dass viel Biosprit aus China, der offenkundig falsch als Kraftstoff aus Abfallstoffen deklariert ist, in Europa landet. Diese Kraftstoffe richten erheblichen Schaden an, besonders im deutschen Markt. Die Aktie des Unternehmens Verbio zeigt einen Eindruck von der Lage der deutschen Biokraftstoffbranche. Ihr Kurs ist seit November 2023 um 33 Euro auf 11 Euro gefallen, wie das Handelsblatt berichtete.
Doch die Branche beginnt sich zu wehren. Zwei renommierte Kanzleien wurden damit beauftragt, eine Schadenersatzklage gegen das Bundesumweltministerium wegen Amtspflichtverletzung vorzubereiten. Die Rede ist von Streitwerten in Milliardenhöhe. Die Vorsitzende des Bundesverbandes Bioenergie (BBE) Martina Mortler fordert die Politik zum Handeln auf und wirft dem Umweltministerium vor, dass es mit Biokraftstoff „wenig am Hut hat.“ Nach Überzeugung der Unternehmen hätte die Umweltministerin Lemke und ihre Beamten, sowie das nachgelagerte Umweltbundesamt den Import des falsch deklarierten Biosprits leicht verhindern können.
Der Hintergrund der möglichen Klage ist komplex: Für chinesische Hersteller ist es besonders attraktiv, bestimmte Biokraftstoffe nach Deutschland zu liefern. Denn die Mineralölwirtschaft ist hier dazu verpflichtet, gesetzlich definierte Treibhausgasminderungsquoten (THG) zu erfüllen. Die THG-Anforderungen steigen bis 2030 kontinuierlich an. Um dies zu erreichen, haben die Unternehmen der Mineralölwirtschaft verschiedene Optionen, etwa das Beimischen von Biokraftstoffen. Allein über das Beimischen von Biokraftstoffen sind allerdings diese Ziele nicht zu erreichen und dies liegt zum Teil in der Tatsache begründet, dass nach wie vor die Deutschen mehrheitlich E5 dem E10 vorziehen. Auch in diesem Punkt hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit gehabt, wie es in fast allen europäischen Ländern bereits geschehen ist, E5 als Kraftstoffsorte abzuschaffen. In Deutschland werden beide Sorten weiter an der Tankstelle vorgehalten, mit der Folge, dass der sparsame Deutsche das teurere, mit CO2 höher belastete Produkt E5 tankt, weil er glaubt, E10 sei minderwertiger als E5 und ihn der CO2-Fußabdruck dann nicht interessiert.
Hinzukommt noch die Komplexität bei der deutschen Biokraftstoffverordnung. Aus Raps hergestellter Biosprit wird nur einfach angerechnet. Kommt der Biosprit aus Abfall und Reststoffen, der nach gesetzlicher Definition als fortschrittlich gilt, kann dieser unter bestimmten Umständen doppelt angerechnet werden. Innerhalb der Treibhausgasminderungsquote gibt es Mindestquoten für bestimmte Biokraftstoffvarianten. Für den Sprit aus Reststoffen gilt seit Oktober 2021: Wenn die Mindestquote überschritten wird, zählt der übererfüllte Anteil doppelt – mit einer Mengeneinheit Biosprit aus Abfall lassen sich also zwei Mengeneinheiten anderer Biokraftstoffvarianten ersetzen. „Deutschland ist wegen der Doppelanrechnung bei der Übererfüllung der Unterquote der attraktivste Markt für fortschrittliche Biokraftstoffe in Europa. Das zieht unlautere Hersteller an“, sagt Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes deutscher Biokraftstoffhersteller.
Wo der Biosprit herkommt, ist dem Gesetzgeber egal. Dies ruft automatisch Betrüger auf den Plan, denn wie will der deutsche Gesetzgeber prüfen, ob der Biosprit aus China die komplexen Anforderungen des THG-Gesetzes erfüllt. Fakt ist, dass von August 2022 bis August 2024 die Biospritpreise wegen niedrigpreisiger Ware aus China um 80 Prozent gefallen sind. In der deutschen Biobranche fragt man sich seit langem, ob es glaubhaft ist, dass in China innerhalb kürzester Zeit Biodieselproduktionsanlagen aufgebaut werden konnten, aus denen sich die Importe so großer Mengen speisen, zumal die Produktion technisch aufwändig ist und die Anlagen teuer sind. Zudem ist zweifelhaft, ob es ein solches Aufkommen an Altfetten überhaupt gibt, die als fortschrittlich gelten und somit eine doppelte Anrechnung ermöglichen.
Die Biobranche hat Ministerin Lemke vorgeschlagen, wie gegenzusteuern wäre: „Die Probleme ließen sich nach unserer Überzeugung leicht lösen. Es bedarf lediglich einer Verordnung, mit der eine strengere Zertifizierung vorgeschrieben wird“, so Sanja Rostek von der Initiative „Klimabetrug stoppen“ zum Handelsblatt.
Das Umweltministerium wiederum verwies auf die EU: „Um den Handel mit falsch deklarierten Biokraftstoffen vorzubeugen, muss das System der Nachhaltigkeitsnachweise auf EU-Ebene überprüft werden. Denn das aktuelle Problem möglicher gefälschter Biokraftstoffe besteht im gesamten EU-Binnenmarkt und nicht allein in Deutschland“, so die Sprecherin. Die Branche gibt sich damit nicht zufrieden und verweist auf die anderen EU-Staaten, die strengere Zertifizierungskriterien durchgesetzt haben: „Frankreich, Belgien und Österreich machen vor, wie es geht. Daran sollte das Bundesumweltministerium sich orientieren“, sagt Rostek. Diese Staaten haben eine Zulassungs- und Registrierungspflicht für im Ausland ansässige Produzenten von Biokraftstoffen vorgeschrieben. Betreiber müssen den Standort ihrer Anlagen angeben, den verwendeten Rohstoff deklarieren und sich verpflichten, ausländische Behörden oder Firmen wie TÜV oder DEKRA Inspektionsrechte einzuräumen. „Was man bisher vorgeschlagen hat, bekämpft nur die Symptome, aber nicht die Ursache des Betrugs“, so die BBE-Vorsitzende Mortler.
Auch bei den falschen CO2-Zertifikaten aus China hat das Umweltministerium erst sehr spät gehandelt, als ein geschätzter Schaden von 4,5 Milliarden entstanden war.
Die Argumentation von der Umweltministerin, dass den Verbrauchern kein Schaden entstanden sei, da die betrügerischen Klimaprojekte günstiger gewesen seien als der Einsatz von nicht gefälschten Erfüllungsoptionen wie nachhaltige Biokraftstoffe, hält die BBE-Chefin für ein „krudes Rechts- und Amtsverständnis der Ministerin und einen milliardenschweren Umweltskandal.“ Am Ende wurde auch das Problem nur verschoben. Die in 2024 erworbenen Zertifikatsüberhänge dürfen erst 2027 statt bereits 2025 zur Quotenerfüllung angerechnet werden.