Das Wirtschaftsministerium diskutiert noch über die Rolle von Batteriespeichern – Experten mahnen, dass die Zeit wegläuft

In den nächsten sieben Jahren bis 2030 sollen Windenergie an Land und auf See sowie Photovoltaikanlagen weiter massiv ausgebaut werden. Nur wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien in dem geplanten Umfang, der sehr ambitioniert ist und wahrscheinlich nicht erreicht wird, erfolgt, können wie geplant die Kohlekraftwerke im Westen 2030 vom Netz gehen. Hinzu kommt, dass in diesem Zeitraum der Stromverbrauch von 595 Terawattstunden auf 658 Terawattstunden ansteigt. Je mehr fossile Energien wie Erdgas oder Öl durch Wärmepumpen, E-Autos etc. ersetzt werden, umso mehr Strom werden wir verbrauchen. Doch Wind und Sonne sind nicht kontinuierlich da und deshalb fordern Experten, dass wir uns auch mit entsprechenden Batteriegroßspeichern beschäftigen müssen.

Wie die FAZ berichtete, kostet uns die mangelnde Speicherung von erneuerbaren Energien jährlich Milliardenbeträge und dies in der Tendenz steigend. Redispatch, so nennen es die Fachleute, wenn Windkraftanlagen und Solarkraftwerke abgeschaltet werden, obwohl der Wind bläst und die Sonne vom wolkenlosen Himmel brennt. Doch wenn zu einer bestimmten Tageszeit die grünen Kraftwerke mehr Strom erzeugen als verbraucht wird, droht eine regionale Überlastung der Stromnetze. Um das zu verhindern, werden die erneuerbaren Energien zu diesen Zeitpunkten abgeschaltet. Die Netzstabilität gilt als gefährdet, wenn die Netzfrequenz um mehr als 200 Millihertz von den üblichen 50 Hertz abweicht. Um das zu verhindern, ordnet der Netzbetreiber daher die zeitweilige Abschaltung der Wind- und Solarkraftwerke an. Kleine Solaranlagen auf den privaten Wohnhäusern sind davon allerdings ausgenommen, denn die temporäre Abschaltung betrifft nur Solaranlagen mit einer Spitzenleistung ab 100 Kilowatt.

Für die Stromkunden ist der Redispatch teuer, weil nach den Spielregeln im deutschen Strommarkt die Betreiber von Wind- und Solarparks in solchen Zeiten der Zwangsstilllegung dennoch entlohnt werden, als hätten sie weiter Strom geliefert. Sie erhalten also eine Art Entschädigung für entgangene Erlöse. Bezahlen müssen dies am Ende die Stromkunden, denn die Redispatch-Kosten sind in den Netzentgelten enthalten, die Teil der Stromrechnung sind. Insgesamt beliefen sich die Kosten für die Entschädigungsansprüche durch den Redispatch im Jahr 2022 auf 2,7 Milliarden Euro, die an Erzeuger von grünem Strom und von konventionellen Kraftwerken flossen, so die FAZ. Die Gesamtkosten für die Vermeidung von Engpässen im deutschen Stromnetz sind mit 4,2 Milliarden Euro noch deutlich höher.

Die Redispatch-Kosten sind Folge eines bislang in Deutschland noch weitestgehend ungelösten Problems der Energiewende: Die Stromerzeugung konventioneller Kraftwerke, die mit Gas oder Kohle betrieben werden, kann je nach Strombedarf hoch- oder runtergeregelt werden. Doch im Zuge der Energiewende werden die flexiblen fossilen Kraftwerke durch Wind- und Solarkraftwerke ersetzt, deren Stromproduktion nun mal nicht nach Bedarf gesteuert werden kann, sondern wetter- und tageszeitabhängig ist. Ein Solarpark liefert mittags besonders viel Strom, weil dann die Sonne hoch am Himmel steht. Am größten ist der Stromverbrauch privater Haushalte aber meist am späten Nachmittag und abends, wenn die Menschen von der Arbeit nach Hause kommen und das Abendessen kochen.

Technisch gäbe es eine Lösung für die wachsenden Redispatch-Probleme. Wenn Wind- und Solarparks mit großen Stromspeichern ausgerüstet werden, können sie tagsüber zu viel erzeugten Strom für den Abend bunkern und abends ins Netz einspeisen, wenn er benötigt wird. „In Deutschland werden durch die Abregelung fast sechs Terawattstunden an potentieller Windstromerzeugung quasi weggeworfen“, rechnet Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbandes Energiespeicher Systeme (BVES) vor. Aus diesem Grund fordert Windelen: „Erzeuger von erneuerbarem Strom müssen von der Politik in die Verantwortung genommen werden.“ Windelen fordert eine Abschaffung der Redispatch-Entschädigung für die Betreiber von Wind- und Solarparks: „Es ist blanker Unsinn, dass die Verbraucher für Strom, der gar nicht benötigt wird, bezahlen müssen“, so der Lobbyist in der FAZ. In Spanien, so sein Hinweis, dürfen heute schon ohne Energiespeicher keine neuen Solarparks mehr gebaut werden.

Bislang decken die volatilen und nicht regelbaren erneuerbaren Energien knapp die Hälfte des deutschen Stromverbrauchs, doch bis 2030 sollen es nach den Ausbauplänen der Bundesregierung schon 80 Prozent sein. Doch das heißt auch, je mehr Solar- und Windstrom wir erzeugen, desto größer wird das Redispatch-Problem, da wir immer mehr Terawattstunden „wegwerfen“. Zudem ist es für die Netzstabilität immens wichtig, dass die technisch vorgesehene Netzfrequenz von 50 Hertz im Wechselspannungsnetz eingehalten wird. Ansonsten sind schwere Störungen an Geräten und Blackouts nicht ausgeschlossen. Auch das Fraunhofer Institut in Freiburg mahnt: „Wir brauchen die Großspeicher, um Netzstabilität sicherzustellen.“ Die Bundesnetzagentur schätzt, dass in Deutschland bis 2037 Batteriespeicher mit einer installierten Leistung von rund 34 Gigawatt benötigt werden. Aktuell gibt es dagegen laut Speicherverband BVES nur 1,5 Gigawatt an Speichern. Nach einer Studie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme wächst der Speicherbedarf sogar bis 2030 auf mehr als 100 Gigawattstunden (GWh) an, bis 2045 dann auf 180 GWh. Das Fraunhofer Institut geht davon aus, dass etwa die Hälfte von Batteriespeichern gedeckt werden muss. Die andere Hälfte kann etwa von physikalischen Speichern wie Pumpspeicherkraftwerken bereitgestellt werden.

Der Gesetzgeber ist hier dringend gefordert, die entsprechenden Regelungen aufzustellen. Zum einen geht es darum, den Regelbedarf an lokalen Netzknotenpunkten, den Nadelöhren der Energiewende zu definieren. An solchen Knoten kommen die Leitungen diverser Erzeuger zusammen. Der Strom wird von dort in die Verbrauchsgebiete verteilt. Wind- und Solarparks können noch so viel Strom produzieren, aber wenn die Knotenpunkte überlastet sind, sind große Kapazitäten nutzlos. Wenn etwa die angeschlossenen Windparks 600 MWh Strom liefern können, der Knoten aber nur 400 MWh weiterleiten kann, dann müssen 200 MWh Windkraft abgeregelt werden, um das Netz nicht zu überlasten. Gäbe es an den wichtigsten lokalen Netzknoten einen Batteriegroßspeicher, könnten diese den überschüssigen Strom aufnehmen. Es wäre dann nicht mehr nötig, den Erzeugern erneuerbarer Energien Geld für nicht produzierten Strom zu geben, der Engpass wäre beseitigt, der überschüssige Strom würde einfach für später gespeichert. Ein so gespeicherter Ökostrom aus der Batterie würde verhindern, dass in den starken Abnahmezeiten abends Gaskraftwerke anspringen müssen, um den fehlenden Strombedarf zu decken.

Das Problem sind die aktuellen Regeln im deutschen Strommarkt. Aktuell darf ein Netzbetreiber keinem Betreiber von Batteriespeichern Geld dafür geben, dass dieser lokalen Überschuss-Strom aufnimmt. Lokaler Strom kann auch nicht gehandelt werden, alles läuft über die Strombörsen. Überschüssigen Strom gibt es rechnerisch nur, wenn der Verbrauch europaweit niedriger ist als die mögliche Produktion. Batteriespeicher an lokalen Netzknoten sind deshalb bisher kein Geschäftsmodell. Die zweite Herausforderung ist, Batteriespeicher werden behandelt wie Kraftwerke. Darum müssen die Betreiber Baukostenzuschüsse an die Netzbetreiber zahlen, wenn sie einen Batteriegroßspeicher ans Stromnetz anschließen wollen. Der Zuschuss macht schnell mal 20 Prozent der Investitionen aus und verhindert damit eine solche Investition. Geht ein 200 Megawatt-Speicher ans Netz, muss auch das Netz um 200 MWh ausgebaut werden. Batterien sind aber dazu da, den Strom nur dann abzugeben, wenn er gebraucht wird. Sie sollen lokale Knoten entlasten und nicht belasten.

Neben der Bundesnetzagentur ist das Bundeswirtschaftsministerium hierfür zuständig. Dieses erklärte auf Nachfrage: „Es stehe außer Frage, dass Stromspeicher ein relevanter Pfeiler des Stromsystems und damit auch der Energiewende sein werden“, so The Pioneer. Darum werde im Rahmen der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) derzeit „intensiv“ diskutiert, „welche Rolle Stromspeicher im Zuge der Weiterentwicklung des Strommarktdesigns künftig einnehmen werden.“ Das Bundeswirtschaftsministerium bekräftigt gegenüber The Pioneer „im engen Austausch mit der Bundesnetzagentur“ zu sein. Diese habe für sämtliche netzentgeltregulatorischen Aspekte des Stromspeicherthemas nun die alleinige Entscheidungsbefugnis. Bevor es aber verbindliche Festlegungen gäbe, müsse es einen breiten fachlichen Diskurs geben, so das Ministerium.