Zu viel oder zu wenig Wind und Sonne stellen die Stromwirtschaft vor neue Herausforderungen

Dunkelflauten – also Tage mit wenig Sonnenschein und Wind – sind ein bekanntes Problem der Energiewende. In solchen Zeiten wird kaum Ökostrom erzeugt. Um die Versorgung dennoch zu sichern, braucht es Reservekraftwerke – derzeit meist noch Kohlekraftwerke – in Zukunft vermehrt Gaskraftwerke.

Die Hellbrise hingegen ist eine neuere Herausforderung: Sie beschreibt Phasen, in denen mehr Strom erzeugt als benötigt wird. Während fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl oder Erdgas problemlos gespeichert werden können, fehlt es im Stromsystem weiterhin an ausreichenden Speichermöglichkeiten. Deshalb müssen Stromerzeugung und -verbrauch stets im Gleichgewicht gehalten werden.

Ein Hauptgrund für das Überangebot ist der starke Solarboom der letzten Jahre. Seit 2019 wurde die Photovoltaikleistung in Deutschland mehr als verdoppelt. An sonnigen Tagen erreicht die Solarstromproduktion inzwischen Spitzenwerte von 50 Gigawatt – das entspricht der Leistung von etwa 50 konventionellen Kraftwerken. Der Stromverbrauch (Netzlast) in Deutschland schwankt zwischen 40 und 80 Gigawatt. Das bedeutet: An sonnigen Tagen mit niedriger Nachfrage kann allein die Solarenergie den gesamten Strombedarf Deutschlands decken – oder übersteigen. In solchen Fällen müssen Solarparks ihre Einspeisung reduzieren, während überschüssiger Strom ins Ausland exportiert wird – teilweise sogar zu negativen Preisen. Bereits im Jahr 2024 nahm die Anzahl der Stunden mit negativen Strompreisen deutlich zu. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 gab es bereits 248 Stunden, in denen der Börsenpreis negativ war – das entspricht etwa 10 Tagen.

Es gibt erste Befürchtungen, dass bei anhaltend hohen Stromüberschüssen lokale Stromnetze überlastet und temporär abgeschaltet werden könnten (sogenannte Brownouts). Zwar schließen die Energieversorger Brownouts für das laufende Jahr in Deutschland weitgehend aus, doch lässt sich das immer nur kurzfristig beurteilen.

Ein weiteres Problem ist die wachsende räumliche Entkopplung von Stromerzeugung und -verbrauch. Früher standen Atom- und Kohlekraftwerke in der Nähe großer Industriezentren. Heute befinden sich viele Windparks im Norden, während der Stromverbrauch hauptsächlich im Süden und Westen anfällt. Das aktuelle Stromnetz ist für diese Transportmengen noch nicht ausgelegt. Die Folge: Um Überlastungen zu vermeiden, müssen Windräder im Norden abgeschaltet und stattdessen Reservekraftwerke im Süden – meist Kohlekraftwerke – zugeschaltet werden. Dieser Prozess, genannt Redispatch, verursacht erhebliche Kosten, die von den Stromverbrauchern getragen werden müssen. Schätzungen zufolge sind an rund 300 Tagen im Jahr solche Eingriffe erforderlich.

Deutschland hat den Betreibern von Wind- und Solaranlagen für 20 Jahre garantierte Einnahmen zugesichert – unabhängig davon, ob der Standort sinnvoll gewählt war oder nicht. Wenn ein Solaranlagenbetreiber etwa 7 Cent/kWh erhält, der Strompreis an der Börse aber bei minus 5 Cent/kWh liegt, entstehen dem Bundeshaushalt Kosten von 12 Cent/kWh. Für das Jahr 2025 plant das Bundesfinanzministerium 17 Milliarden Euro zur Finanzierung der EEG-Vergütungen – im Vorjahr waren es bereits 18,5 Milliarden Euro. Es ist fraglich, ob die Prognose für 2025 realistisch ist.

Die Bundesregierung plant, von der garantierten Einspeisevergütung abzurücken. Eine Option ist, dass Zusatzgewinne bei hohen Strompreisen an den Staat fließen, nicht an die Betreiber. Zudem erhalten seit dem 25. Februar 2025 neue Solaranlagenbetreiber bei negativen Strompreisen keine Vergütung mehr. Ziel ist es, Angebot und Nachfrage besser zu synchronisieren. Dynamische Stromtarife sollen Verbraucher dazu motivieren, Strom dann zu verbrauchen, wenn viel davon vorhanden ist – etwa indem Waschmaschine oder Spülmaschine in Phasen mit Stromüberschuss laufen. Ein weiteres Zukunftsmodell: Betreiber zahlen die Kunden dafür, dass sie Strom abnehmen, statt vom Staat vergütet zu werden. In diesem Fall würden sich mehr Betreiber überlegen, Batteriespeicher neben ihren Anlagen zu errichten – wie es in den USA bereits Standard ist.

In der Vergangenheit wurde die Stromerzeugung isoliert betrachtet, ohne das System als Ganzes zu berücksichtigen. Heute produzieren wir Strom dort, wo er nicht benötigt wird und transportieren ihn mit großem Aufwand in die Verbrauchszentren. Die neue Wirtschaftsministerin hat angekündigt, bei der Konzeption eines bezahlbaren Strommarktes künftig Erzeugung, Verbrauch, Transport und Bedarf zu verschiedenen Tageszeiten in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Neben der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke 2023 steht auch der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung bevor – im Westen bis 2030, im Osten bis 2038. Das Ziel muss sein, diese Umstellungen ohne weitere teure Dunkelflauten oder Hellbrisen zu bewältigen und die Kosten des gesamten Stromsystem für Wirtschaft und Verbraucher bezahlbar zu gestalten.