Bunkern auf den Weltmeeren

Der Ölpreis fällt – Händler und Produzenten bunkern das schwarze Gold auf Su-pertankern

Der Absturz des Ölpreises bringt die Ölförderung und die internationalen Ölhändler auf immer neue Ideen. Einige Händler mieten Tanker an, um die fallenden Ölpreise abzufedern, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Unter anderem soll die Shell, aber auch Rohölhändler wie Vitol und Gunvor, Schiffe angemietet haben. Die größten Tanker sind knapp 400 Meter lang und 70 Meter breit und können bis zu 3 Millionen Barrel Rohöl aufnehmen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters würde die Miete eines solchen Schiffes 40.000 Dollar am Tag kosten. Die Ölhändler können jetzt abwägen, um wie viel der Rohölpreis steigen muss, damit sich der Aufwand rechnet, Rohöl auf den Weltmeeren zu bunkern. Diese Rohölhändler sichern zwar ihr Risiko mit Papiergeschäften an den Warenterminbörsen ab. Aber auch das Absichern kostet wiederum Geld.

Auch in 2009 haben die internationalen Rohölhändler und Konzerne Rohölmengen auf den Weltmeeren gebunkert, als der Rohölpreis kurzfristig im Zuge der Finanzkrise einbrach. Laut der Nachrichtenagentur Reuters sollen bisher 12 bis 15 Millionen Barrel an Lagerkapazitäten auf See, in Form gecharterter Seetanker, geschaffen worden sein. Das Analysehaus JBC-Energy geht davon aus, dass bis zu 60 Millionen Barrel von Händlern auf Öltankern eingelagert werden könnten. Auch im Jahr 2009 sollen zwischen 50 und 100 Millionen Barrel Rohöl auf den Weltmeeren gelagert worden sein.

Doch wie die FAZ berichtete, bedienen sich nicht nur Ölhändler des Instruments der Einlagerung. Auch Rohölproduzenten, wie etwa der Iran, sollen umfangreiche Schiffsflotten unterhalten, um Rohöl einzulagern.

Die Internationale Energieagentur schätzt, dass im 1. Halbjahr 2015 zu Land und Wasser 300 Millionen Barrel Rohöl eingelagert werden, was in etwa der Überproduktion des ersten Halbjahres entsprechen würde. Sie warnt davor, dass eine solche Überproduktion und deren Einlagerung die weltweiten Lagerkapazitäten an ihre Grenze bringen.

Welchen Einfluss diese Lageraktivitäten auf den Preis haben, ist umstritten. Die Rohstoffhändler haben in der Vergangenheit erklärt, dass durch dieses Vorgehen einerseits der aktuelle Preisverfall, andererseits auch ein möglicher späterer Preis-anstieg abgebremst würde. Damit würden die Aktivitäten der Ölhändler die Preisausschläge etwas abfedern.

Auf der anderen Seite brauchen die Rohölhändler Kursbewegungen, wenn sie Geld verdienen wollen. Die großen Rohstoffhandelshäuser, die ihren Sitz in Genf haben und dort ein Drittel des weltweiten Rohöls kaufen und verkaufen, sind mit der neuen Situation nicht unzufrieden. Der Ölmarkt befindet sich seit Juli in einer Situation, die Contango genannt wird. Das heißt, die heutigen Preise für Rohöl sind günstiger als die zukünftigen Preise für Rohöl. Zukünftige Preise werden an sogenannten Terminbörsen gehandelt. An Terminbörsen kauft man heute Waren – nicht physisch, sondern nur auf dem Papier –, die zu einem späteren Zeitpunkt, dem vereinbarten Erfüllungszeitpunkt, physisch geliefert werden. Viele Händler kaufen in einer Contango-Situation große Mengen physischer Ölprodukte und verkaufen diese zeitgleich wieder in Form von Terminkontrakten. Ist die Differenz zwischen dem Verkaufspreis des Terminkontraktes und dem Einkaufspreis der physischen Ware größer als die Kosten für die Lagerung der physischen Ware bis zum Erfüllungszeitpunkt, so macht der Rohölhändler Gewinn. In einer solchen Contango-Situation sind die Rohölhändler bestrebt möglichst viel und günstige Lagerkapazitäten zu haben.

Laut dem Preisdienstleister Argus lohnen sich die schwimmenden Öllager schon bei einer Preisdifferenz von 7 Dollar zwischen den Preisen zur sofortigen Lieferung und den Terminnotierungen. Für die Öltrader in der Schweiz ist das eine spannende und interessante Zeit. Sie steuern 3,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Schweiz bei.