Schwere E-Autos sichern eine lange Reichweite – aber auch der CO2-Fussabdruck wird deutlich schlechter

Elektroautos sind in der Regel effizienter als Verbrenner. Sie benötigen weniger Verschleißteile und sie haben über ihren Lebenszyklus gerechnet oftmals eine deutlich bessere Kohlendioxid-Bilanz als Diesel oder Benziner. Allerdings sind Elektroautos nicht per se nachhaltig, so Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM Institut). Viele Stromer sind laut seiner Beobachtung übermotorisiert und unnötig schwer. Ökologisch, so der Professor ist das sehr kritisch zu bewerten. Elektroautos mit mehr Leistung brauchen eine größere Batterie für die gleiche Reichweite und das verteuert die Fahrzeuge. Für seine Analyse hat der Branchenkenner die technischen Daten und Verkaufszahlen aller 73 batterieelektrischen Pkw-Modelle ausgewertet, die von Januar bis September 2022 in Deutschland neu zugelassen wurden.

Das Handelsblatt berichtete über diese Studie. Jeder vierte Stromer ist laut der Studie ein SUV oder Geländewagen. Diese verfügen im Schnitt über 202 Kilowatt (kW) und das bedeutet umgerechnet 275 PS. Gewichtet man die Leistungswerte nach den Absatzzahlen der 73 vom CAM-Institut untersuchten Elektroautos aus allen Segmenten, kommt die Akku-Flotte im Mittel immer noch auf beachtliche 237 PS. Über alle Antriebsformen hinweg lag die durchschnittliche Leistung von Neuwagen in den vergangenen Jahren in Deutschland bei rund 150 PS. „Elektroautos mit starken Leistungswerten bieten zwar eine tolle Beschleunigung, sie benötigen aber meist auch eine große Batterie, wodurch sich wiederum der CO2-Fußabdruck erhöht, so Stefan Bratzel.

Bei der Produktion der Batterie entstehen pro Kilowattstunde Kapazität der Batterie zwischen 60 und 175 Kilogramm CO2-Äquivalent. Die Kfz-Hersteller verbauen immer größere Batterien, weil sie den Kunden eine Reichweite von 600 bis 700 Kilometer ohne Nachladen versprechen wollen. Gerade in den USA spielt es keine Rolle, wie energie- und rohstoffintensiv die Herstellung der Batterie und der Karosserie ist. Der GMC Hummer wiegt als vollelektrisches Auto viereinhalb Tonnen und beschleunigt dank dreier Elektromotoren und über 1.000 PS in weniger als 4 Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde. Ein Drittel des Gewichts des Elektro-Hummer entfällt auf die Batterie, die eine Kapazität von mehr als 200 Kilowattstunden ausweist. „Das ist eher ein rollender Tresorschrank als ein Auto“, konstatierte ein Berater im Handelsblatt mit Blick auf die enormen Mengen an Lithium, Nickel und Seltenen Erden, die in einem derart riesigen Akku-Paket und den dazugehörigen Elektromotoren stecken. Immer mehr Pickups, Geländewagen und SUVs gehen aber deutlich über diesen Wert hinaus.

Gleichzeitig bieten auch die deutschen Autohersteller nur sehr wenige kleine preiswerte Elektroautos an. VW, Mercedes und BMW fokussieren sich lieber auf größere Baureihen, mit denen sie höhere Gewinne erzielen können. Laut Berechnungen der Analysefirma Jato Dynamics ist seit 2015 der durchschnittliche Preis eines Elektroautos in Europa von 49.000 Euro auf 56.000 Euro angestiegen. Ein Elektroauto kostete somit in Ländern wie Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden rund ein Viertel mehr als ein Benziner. In den USA fällt der Aufpreis für ein batterieelektrisches Fahrzeug im Vergleich zu einem Verbrenner mit 43 Prozent sogar noch deutlich höher aus. Hintergrund ist der größere Anteil an Geländewagen und Pickups in der nordamerikanischen Flotte. Im Schnitt kostete ein Elektroauto in den USA im ersten Halbjahr 2022 etwa 64.000 Euro und dies sind fast 11.000 Euro mehr als in 2015.

Einen Ausweg aus der ökologischen und gesellschaftlichen Misere, die die teuren E-Autos betrifft, könnte ein stärkerer Fokus aufs Laden bringen, so der CAM-Direktor Stefan Bratzel. Seinen Berechnungen zufolge, liegt die durchschnittliche Ladeleistung aller verfügbaren Elektroautos im Schnitt bei lediglich 118 Kilowatt. Als schnellladefähig gelten Elektroautos ab Werten von 150 Kilowatt aufwärts. Die maximale Ladeleistung ist aber nur bedingt aussagekräftig. Entscheidend ist die Ladekurve, also wie lange ein Fahrzeug mit möglichst hohen Strömen laden kann. Das übergeordnete Ziel muss sein, binnen zehn Minuten wieder Energie für 200 bis 300 Kilometer aufzufüllen, erklärte Autofachmann Bratzel. Statt mit größeren Batterien könnte auch durch ein schnelles Laden den E-Kunden die Reichweitenangst genommen werden, so der Ansatz. Heute kann das kein einziges Fabrikat auf dem Markt. So arbeiten alle Kfz-Anbieter an einem verbesserten Chemiemix, um höhere Energiedichten zu ermöglichen. Doch da rund 80 Prozent der Aufwendungen für die Herstellung von Batteriezellen auf den Einkauf von Rohstoffen entfallen, ist das Einsparpotenzial bei den gestiegenen Rohstoffpreisen aktuell begrenzt.

Damit Elektroautos für die breite Masse erschwinglich werden, muss der Ressourcenverbrauch insgesamt minimiert werden, so Professor Bratzel. Was möglich ist, zeigt etwa der Kia EV6. Die maximale Kapazität der Batterie im Unterboden der Limousine ist mit 77,4 Kilowattstunden vergleichsweise moderat. Zugleich kann das koreanische Modell aber laut Praxistest der Unternehmensberatung P3 binnen zehn Minuten 197 Kilometer nachladen. Zum Vergleich, der VW ID.4 kommt bei einer gleich groß dimensionierten Batterie nur auf 170 Kilometer und braucht dafür doppelt so lange, so das Handelsblatt.