Nur die Deutschen wollen verbindlich bis 2038 aus der Kohle aussteigen und bei den Industrieverbänden wächst die Angst vor weiteren Stromkostensteigerungen.

Weltweit sind aktuell 790 neue Kohlekraftwerke in der Planung. 444 Kohlekraftwerke sind aktuell im Bau. Alleine in China werden zurzeit 256 neue Kohlekraftwerke errichtet. In Indien befinden sich 69 Kohlekraftwerke im Bau, in Indonesien 39. In diesen Ländern gilt Kohle immer noch als eine zuverlässige und billige Energiequelle. Zudem sind diese Kraftwerke, aber auch die Herstellung der Kohle, ein wichtiger Arbeitgeber. Kohle ist in vielen dieser Länder auch verfügbar und ihr Abbau eine bewährte Technik. Kohlekraftwerke haben eine Lebensdauer von 40 Jahren. Das heißt, mit dem Bau von neuen Kraftwerken sind die Emissionen auch für die nächsten 40 Jahre weiter festgeschrieben. Aus der Sicht vieler Entwicklungs- und Schwellenländer erscheint es daher immer noch sinnvoll, in Kohlekraftwerke zu investieren. Gerade Schwellenländer sind reichlich mit Kohlevorkommen gesegnet. China und Indien belegen nach den USA die Plätze zwei und drei der Länder mit den größten Steinkohlereserven. Auch in Europa sind 18 Kohlekraftwerke im Neubau und 88 weitere sind geplant. Lediglich in Nord- und Südamerika hat Kohle an Bedeutung verloren, da diese Länder auf das günstige Frackinggas setzen und hier Gaskraftwerke die Kohlekraftwerke bei der Stromerzeugung ablösen.

Die deutsche Wirtschaft will an den geplanten Kohleausstieg Bedingungen knüpfen und warnt vor weiter steigenden Strompreisen. „Wir brauchen Revisionsklauseln und Überprüfungsmechanismen“ sagt der Industriepräsident Dieter Kempf der deutschen Presseagentur (dpa) in Berlin. Auch der deutsche Industrie- und Handelskammerpräsident Eric Schweitzer sprach sich dafür aus: „Ziele müssen erreicht werden, als Voraussetzung dafür, dass Kraftwerke abgeschaltet werden“, sagte er der dpa. „Es geht um Ziele im Sinne von Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit bei Preisen, beim Strukturwandel und beim Netzausbau“, so Schweitzer. Die Herren Kempf und Schweitzer sind Mitglieder der Kommission, die Ende Januar 2019 ein Konzept vorgelegt hat, wie und wann Deutschland aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen soll. Der deutsche Industriepräsident Kempf sagte, niemand wisse, was nach dem Atomausstieg im Jahr 2022 bezüglich Versorgungssicherheit und Preise tatsächlich geschieht. Deutschland sei eine starke Industrienation. Und um führend in der Welt zu bleiben, sollten die Energiekosten nicht noch weiter steigen, sonst wäre das Ende für wesentliche Teile der energieintensiven Industrie in Deutschland beschlossen, so der Präsident. Dann gäbe es bald weder Aluminium- noch Zinkhütten in Deutschland. Dem Klima wäre damit jedoch kein bisschen geholfen, denn die Produktion würde in Länder verlagert, die nicht annähernd so hohe Umweltstandards pflegen wie wir, so der Verbandschef. Laut dem DIHK Präsidenten Schweitzer ist Deutschland das einzige Industrieland weltweit, das politisch entschieden hat, binnen eines Jahrzehnts aus der Kernenergie bis 2022 auszusteigen.

Deutschland hat bereits die höchsten Stromkosten in Europa. Wenn auch noch zeitgleich aus der Kohle ausgestiegen wird, muss darauf geachtet werden, dass die Energiekosten dadurch nicht noch einmal steigen, sagte der Industrie- und Handelskammerpräsident gegenüber der dpa. Er mahnte zudem davor, dass die Stimmung zur Energiewende in der Wirtschaft gekippt sei. Die Unternehmen in Deutschland seien unzufrieden mit dem Status quo der Energiewende und der Unsicherheit über deren Entwicklung. So berichten 40 Prozent der befragten Unternehmen neben höheren Öl-, Gas- und Importkohlepreisen, vor allem über steigende Strompreise. Insgesamt nahmen am aktuellen Energiewendebarometer knapp 2.200 DIHK-Mitgliedsunternehmen im Rahmen einer Onlineumfrage teil. „In keinem EU-Land sind die Strompreise für mittelständische Industriebetriebe höher als hierzulande“, kritisiert der DIHK-Präsident, der zugleich davor warnt, dass der aktuell diskutierte Ausstieg aus der Kohleverstromung zu weiteren Kostensteigerungen führen werde.

Auf der anderen Seite steht die Regierung ebenfalls unter Druck. Die zusätzliche Stromnachfrage, die durch Elektrofahrzeuge entsteht, sollte nicht durch konventionelle Kraftwerke, sondern durch zusätzliche regenerative Energiequellen abgedeckt werden. Wäre dies nicht der Fall, so würde die zusätzliche Stromnachfrage für E-Mobilität über Kohle- und Gaskraftwerke abgedeckt. Die Folge wäre: Die CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs würden ansteigen. Die E-Mobilität hat zur Folge, dass bis 2030 zusätzlich mindestens 30 Terawattstunden neben dem bisher geplanten Ausbau für erneuerbaren Energien geschaffen werden müssen, wenn die E-Mobilität zu weniger CO2-Ausstoß führen soll.

Die Bundesregierung kann mit Hilfe der jetzt beschlossenen Stilllegung von zusätzlich sieben Gigawatt-Braunkohlekraftwerkskapazitäten bis 2022 das ursprünglich für 2020 gesetzte Klimaziel mit 40 Prozent CO2-Einsparung, dann zumindest bis 2023 erreichen. Da in Deutschland die Erdgaskraftwerke nur zu 35 Prozent ausgelastet sind, dürften diese Kraftwerke die Abschaltungen der sieben Gigawatt zunächst ausgleichen, bis auch diese durch erneuerbare Energie ersetzt werden könnten. Die bestehenden Kohlekraftwerke würden ohne den jetzt beschlossenen Ausstieg bis 2038, in der Regel nach 40 Jahren Nutzung und das wäre Ende 2040 bzw. die neuesten Werke Anfang 2050, vom Netz gehen, so das Handelsblatt. Durch die vorzeitige Schließung der Braunkohleproduktion erhalten die betroffenen Bundesländer eine Kompensation von 40 Milliarden Euro. Zudem zahlt ab 2023 der Staat jährlich 2 Milliarden an Zuschuss, damit die Strompreise nicht zu stark steigen. Die Entschädigungen der Stromproduzenten für die vorzeitige Stilllegung der betroffenen Kraftwerke muss noch geregelt werden. Insgesamt wird der vorzeitige Ausstieg mindestens 70 Milliarden Euro kosten. Die Energiewende sei kein Kinderspiel, so der RWE Chef Martin Schmitz. „Es gebe zwar Tage an denen
70 % des Stroms aus Erneuerbaren komme und es gebe Tage an denen deren Anteil auf 5 % fällt.“ Versorgungssicherheit muss jedoch jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde herrschen und das leisten konventionelle Kraftwerke, die 24 Stunden zur Verfügung stehen, so der RWE Chef auf dem Handelsblattforum.

Erneuerbare Energien sollen in Deutschland den Atom- und Kohlestrom, die zurzeit für 47 % der deutschen Stromerzeugung stehen, ersetzen. Zudem müssten die Erneuerbaren bis 2030 um mindestens 30 Terawatt erweitert werden, um die E-Mobilität im Jahr 2030 mit 6 Millionen Pkw CO2-neutral mit Strom zu versorgen. Im Jahr 2019 wird der Strompreis in Deutschland bereits mit rund 25 Milliarden Euro (7 Cent je kWh) alleine durch die EEG Umlage, und das sind Subventionskosten der Verbraucher für erneuerbare Energie, belastet. Die Netzentgelte für den Umbau der Übertragungsleitungen steigen von Jahr zu Jahr an. Jetzt kommen die Kosten für den vorzeitigen Kohleausstoß hinzu. Wie der weitere Energieumbau zu bezahlbaren Preisen mit höchster Versorgungssicherheit für die Verbraucher von den Stromlieferanten geleistet werden soll, wird die Zukunft zeigen. Es klingt nach der Quadratur des Kreises.

Energiemix in Deutschland 2018
35,2 % erneuerbare Energien
22,5 % Braunkohle
12,8 % Steinkohle
12,8 % Erdgas
11,7 % Kernenergie
5,0 % Sonstige