Lithium aus dem Rheingraben? Auch ohne Öl bleiben Abhängigkeiten bestehen

Die Automobilhersteller sorgen sich um die ausreichende Versorgung mit Kobalt. Der Chipmangel hat die Verwundbarkeit der Automobilindustrie schonungslos offengelegt. Vielfach stehen Bänder still, weil es schlicht nicht genügend Chips gibt, um die Autos zu bauen und die Nachfrage abzudecken. Allerdings verlagert die Wende vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb die Risiken hin zu Batteriemetallen wie Lithium, Kupfer und Kobalt. Die Internationale Energieagentur warnt deshalb: „Die Produktion der Batteriemetalle ist heute wesentlich stärker geografisch konzentriert als die Öl- und Gasproduktion“. Besonders extrem ist die geografische Konzentration bei Kobalt. Rund 70 Prozent der Produktion kommen laut IEA aus der Demokratischen Republik Kongo. Der Raffinationsprozess von Kobalt für den Einsatz in der Batterieproduktion findet überwiegend in China statt. Kobalt sorgt dafür, dass die Batterie die Spannung aufrechterhält. Die Automobilbranche forscht angesichts der stark regionalen Konzentration der Metallvorkommen zwar an Alternativen zu Lithium/Mangan/Kobalt-Batterie, allerdings kommen die Autobauer bei reichweitenstarken Batteriepacks auf absehbare Zeit nicht um das Kobalt herum, so das Handelsblatt. Der wirkungsvollste Ersatz für Kobalt wäre ein höherer Nickelanteil. Doch auch die Nickelproduktion ist konzentriert. Knapp 60 Prozent der Weltproduktion entfallen laut IEA auf die Länder Indonesien, Philippinen und Russland.

Die Firma Glencore ist der bevorzugte Kobaltlieferant in der Automobilindustrie. Glencore produziert rund ein Drittel des weltweit geförderten Kobalts. Der Markt ist mit rund 150 Tonnen Jahresproduktion vergleichsweise klein. Doch den börsennotierten Autoherstellern steht ein deutlich geringerer Teil des Gesamtmarktes zur Verfügung. Knapp die Hälfte der Kobaltproduktion im Kongo stammt laut Schätzungen der IEA von lokalen Erzschürfern, die auf eigenes Risiko nach Kobalt suchen. Auch Kinderarbeit ist in diesem Sektor verbreitet. Glencore kann als eine der wenigen industriellen Produzenten im Land die Kinderarbeit ausschließen. Branchenschätzungen zufolge dürfte der Kobaltmarkt bis 2025 von 150.000 Tonnen auf 250.000 Tonnen wachsen. Spätestens in drei bis vier Jahren dürfte die Nachfrage das Angebot jedoch übersteigen, so die IEA. Dies macht sich im Preis bemerkbar. Der Kobaltpreis ist im Jahr 2021 wieder um rund 60 Prozent auf rund 27 US-Dollar pro Pfund angestiegen.

Doch auch Lithium wird immer begehrter. Ende Oktober 2021 stieg der Preis für eine Tonne Lithiumkarbonat auf 26.000 Dollar und das war fast doppelt so viel wie vor der Corona-Pandemie 2019. Der rapide Preisanstieg des für die Zellproduktion wichtigen Leichtmetalls, könnte damit alle Hoffnungen auf sinkende Preise für Batteriezellen zunichtemachen.

Das Start-up Vulcan Energy will im Oberrheingraben Lithium fördern. Renault hat sich ab 2026 bereits jährlich 17.000 Tonnen bei Vulcan gesichert. Vulcan Energy will der weltweit erste Hersteller von Zero-Carbon-Lithium sein, den Lithium-Abbau also ohne Treibhausgasemissionen anbieten. Das Besondere an Vulcan Energy ist die Art und Weise der Lithiumgewinnung. Statt der wasserintensiven Minenförderung will das Start-up Lithiumvorkommen im Oberrheingraben im Südwesten Deutschlands mithilfe des Geothermie-Verfahrens heben. Dabei wird mit einer Förderpumpe heißes Thermalwasser aus einer Tiefe von drei bis vier Kilometer an die Oberfläche gepumpt. Das in diesem Wasser enthaltene Lithiumhydroxid wird extrahiert, das Wasser selbst wird wieder zurückgepumpt. Nach Schätzungen von Geologen birgt die Region im Südwesten Deutschlands genug Lithium für mehr als 400 Millionen Elektroautos.

Unklar ist zudem, wie lange Lithium-Ionen noch die beherrschende Technik für die Elektromobilität sein werden. „Wir befinden uns im letzten Drittel des Lithium-Ionen-Hubs“, sagt BMW Entwicklungsvorstand Weber im Handelsblatt. Bis Ende des Jahrzehnts werde es noch einen großen Effizienzsprung geben, dann werde die Entwicklung stagnieren. Genau dann wird die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien aber ihren Höhepunkt erreicht haben. Weber gehört zu denen, die auf einen Technologiesprung wetten. Wie BMW setzt Ford, Renault und Volkswagen auf den Durchbruch der Feststoffbatterie. Hier wird das flüssige Elektrolyt durch Keramiken ersetzt. Feststoffbatterien sind kompakter, halten länger und können mehr Energie aufnehmen. Allerdings funktionieren sie bislang nur im Labor. Die Alltagstauglichkeit ist ebenso unklar wie die Kosten. Sollte sich diese Technik durchsetzen, müsste aber die jetzt geplante Batteriezellenproduktion, mit hohen staatlichen Zuschüssen in ganz Europa, neu überdacht werden. Feststoffbatterien brauchen neue Prozesse, so das Handelsblatt.

Für die kommenden zehn Jahre sind – gemäß dem europäischen Mobilitätsverband Transport & Environment – mehr als 40 Batteriefabriken in Europa angekündigt. Von diesen sind im Moment 1.200 Gigawattstunden zu erwarten. Die Experten sehen allerdings in 2030 nur einen Bedarf von 900 Gigawattstunden. Folglich würden beträchtliche Überkapazitäten entstehen. Batteriezellfabriken seien nur dann ökonomisch erfolgreich, wenn sie mit 90 Prozent Auslastung gefahren würden, so die Unternehmensberatung Roland Berger. Eins scheint schon jetzt klar: nicht alle Projekte werden überleben. Roland Berger warnt: „Viele der Projekte, die wir gerade sehen, hätte es ohne Subventionen nicht gegeben. Und die Frage ist, wie viele davon es noch geben wird, wenn die Subventionen irgendwann auslaufen“. Tesla bekommt für seine Gigafabrik in Brandenburg von Bund und Land rund 1,2 Milliarden Euro an Steuergeld. Northvolt, ACC und CATL profitieren ebenfalls von milliardenschweren Fördergeldern aus Berlin und Brüssel. Der Opel-Mutterkonzern Stellantis und der deutsche Autokonzern Daimler haben sich ebenfalls zusammengetan zur Automotive Cells Company (ACC), die eigene Zellen für Elektroautos herstellen wird. Zwei Fabriken sind bislang geplant. Eine am Opel-Standort Kaiserslautern und die andere im nordfranzösischen Duvrin. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte 2021 für den Bau der rheinland-pfälzischen Anlage ACC bereits 437 Millionen Euro Unterstützung zugesichert.

Ein gigantischer Subventionswettlauf, der in den Augen des Beratungsunternehmens Roland Berger gar nicht erforderlich wäre. „Es gab eine Veränderung in der Strategie der Autokonzerne in den letzten zwei Jahren. Sie wollen sich selbst absichern und investieren deshalb in Zellproduktionen, versuchen selbst welche aufzubauen oder arbeiten mit etablierten Herstellern zusammen.“ Eine solch strategische Investition macht kein Autokonzern nur wegen der Subventionen.