Ölpreis, wohin gehst du?

Euroschwäche bremst den Preisverfall

Anfang November 2014 war es so weit, dass selbst altgediente Marktbeobachter überrascht wurden: Saudi-Arabien hatte seine Preise für Ölexporte in die USA ge-senkt. In der Folge kam nicht nur die amerikanische Rohölsorte WTI, sondern auch die Nordseesorte Brent, preislich unter Druck. Seit dieser Zeit fallen die Rohölpreise, und dies kontinuierlich. Zunächst glaubte die Welt, die Rohölpreise würden bei 70 Dollar ihren Halt finden, doch das erwies sich als Trugschluss. Die Rohölpreise sackten bis Anfang Januar unter 50 Dollar. Manche sehen bei diesen Preisen den Bodensatz erreicht, andere halten einen weiteren Preisverfall – eventuell sogar bis unter 40 Dollar – für möglich.

Wie konnte es dazu kommen? In den letzten Jahren ist die Rohölförderung weltweit stärker gestiegen als erwartet. Noch wenige Jahre zuvor hatten verschiedene Exper-ten davor gewarnt, dass der Höhepunkt der maximal jährlich förderbaren Ölmenge bald erreicht sei. Diese sogenannte Peak-Oil-Theorie, die eigentlich der Club of Ro-me schon in den 70er Jahren aufgestellt hatte, wurde jedoch von den Märkten rasch in ihre Schranken verwiesen. Die umstrittene Fracking-Methode führte dazu, dass seit einigen Jahren Öl aus Gesteinsschichten gewonnen wird, die man früher als nicht förderbar ansah. Hierdurch ist die USA zu einem führenden Rohölproduzenten aufgestiegen. Saudi-Arabien hat sich dieser Realität als erster großer Rohölproduzent gestellt und mit den sinkenden Ölpreisen einen Marktanteilskampf mit den anderen Ölanbietern losgetreten. Da die Rohölförderung weltweit stieg, wird mehr Rohöl produziert als der Markt braucht.

Hinzu kam, dass die Nachfrage nach Öl durch eine schwächere Weltwirtschaft in Europa und auch in Asien geringer ausfiel, als sie ursprünglich für 2014 und 2015 erwartet wurde. Sowohl die internationale Energieagentur als auch die OPEC haben in den vergangenen Wochen ihre globale Ölnachfrageprognose für 2015 kontinuierlich reduziert.

Die Folge war, dass die Experten und Analysten ihre Ölpreisprognosen für 2015 kräftig senkten. So wird für das 1. Quartal 2015 der Brentpreis mit knapp 50 Dollar prognostiziert.

Laut der Internationalen Energieagentur werden in der ersten Jahreshälfte 2015 etwa 0,88 Millionen Barrel pro Tag mehr Rohöl gefördert als weltweit verbraucht wird. Erst in der zweiten Jahreshälfte rechnet die Internationale Energieagentur damit, dass nur noch etwa 0,2 Millionen Barrel pro Tag mehr Rohöl gefördert werden als weltweit verbraucht wird. Aus diesem Grund geht die Internationale Energieagentur davon aus, dass der Brentpreis sich im 2. Halbjahr 2015 auf ca. 60 Dollar stabilisieren könnte.

Andere Experten sehen im 1. Quartal einen Preis von durchschnittlich 45 Dollar und im 2. Halbjahr den Preis auf 55 Dollar ansteigen. Einige Ölminister aus der arabischen Region haben auch erklärt, dass die OPEC das Überangebot an Öl, das auf bis zu 2 Millionen Barrel pro Tag ansteigen könne, in diesem Maße nicht kürzen wolle. Im Gegenteil, einige Vertreter aus arabischen Ländern haben angekündigt, dass sie davon ausgehen, dass der Ölpreis längere Zeit braucht, um wieder auf ein höheres Niveau zu kommen.

Viele fragen sich deshalb: Wie geht es mit dem Fracking-Oil in den USA weiter? Ei-nige Experten hatten erwartet, dass bei einem Rohölpreis von unter 80 Dollar Fra-cking-Oil in den USA unwirtschaftlich würde. Andere haben dem widersprochen und erklärt, dass Fracking-Oil auch bei 40 Dollar noch rentabel wäre. Zurzeit kann man in den USA wohl zwar beobachten, dass weniger Fracking-Quellen angezapft werden, allerdings rechnen die Experten der Citigroup damit, dass selbst bei Budgetkürzungen von 40 Prozent, die Fracking-Ölförderung in den USA in 2015 um 0,6 Millionen Barrel pro Tag über der Fördermenge des Jahres 2014 liegen wird. Petroleum Intellegency Weekly, ein anderes Fachblatt, schätzt die Rohölzunahme in den USA auf 1,6 Millionen Barrel pro Tag und erwartet selbst für 2016 eine Zunahme um 800.000 Barrel. Es ist deshalb nicht mit einem kurzfristigen Zusammenbruch der Ölförderung in den USA zu rechnen.

Allerdings kann es in Kanada mittelfristig zu einer geringeren Förderung aus Ölsan-den kommen. Shell gab bekannt, bis zu 10 Prozent seiner 3.000 Beschäftigen in der Ölsandgewinnung zu entlassen. Auch bei den Zulieferern der Ölindustrie, wie Schlumberger, Halliburton oder Baker Hughes, werden Arbeitsplätze wegen rückläufiger Aufträge abgebaut. Nicht kurzfristig, aber mittelfristig kann dies dazu führen, dass Produktionsanlagen fehlen und sich dadurch das Angebot zu stark verringert.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung glaubt, dass die Ölfracker aus Texas zäher sind als man denkt. Je mehr diese Ölhersteller unter Kostendruck geraten, umso eher denken sie über neue Techniken und weitere Optimierungspotenziale nach. So testen erste Unternehmen das sogenannte Down-Spacing. Dabei werden neue Förderanlagen nahe der bereits produzierenden Förderanlagen errichtet. Dies hatte die Ölindustrie bei der Ausbeutung konventioneller Vorkommen stets vermieden, weil sie eine Kannibalisierung fürchtete, indem die neuen Anlagen den alten das Öl abgraben. Beim Fracking, bei dem das Material wie aus einem Schwamm aus dem Gestein herausgepresst wird, scheinen sich nebeneinander liegende Anlagen weniger ins Gehege zu kommen. Angesichts dieser neuen Möglichkeiten senken die Beobachter die Preisgrenzen der Rohölförderung, bei denen die Fracker aus dem Markt gedrängt würden, beständig. Inzwischen ist man der Ansicht, dass Fracking auch unter 40 Dollar noch rentabel ist. Die Citigroup rechnet für 2015 mit einem Produktivitätsschub von 10 Prozent in der Frackingbranche. Ohne Hilfe aus den USA ist ein Preisanstieg des Öls nicht möglich, so die Einschätzung von Experten. Da die USA aber einen sehr hohen Ölverbrauch haben, kann die amerikanische Wirtschaft von den sinkenden Ölpreisen stark profitieren.

Laut FAZ haben die Fracker allerdings noch ein weiteres Plus in der Tasche. Viele dieser größeren Firmen haben sich mit Finanzderivaten gegen Preisstürze versi-chert. „Die OPEC sollte nicht erwarten, dass der niedrige Ölpreis im 1. Halbjahr ir-gendeinen Einfluss auf das Produktionswachstum in den Vereinigten Staaten hat“, sagt der Chefanalyst der Citibank Ed Morse.

Die arabischen Ölproduzenten scheinen sich mit der neuen Realität abzufinden. Prinz Alwaleed bin Talal, saudischer Investor, Milliardär und Mitglied der Königsfamilie, sagte in einem Interview, ein Preis von 100 Dollar je Fass, werde wohl nie mehr erreicht werden. Dieser Preis sei ohnehin künstlich hoch gewesen. Er rechne damit, dass der Preis von 40 bis 50 Dollar noch längere Zeit bliebe.

Die Erfahrung aus früheren Ölpreisabstürzen hat auch gezeigt, dass die Märkte in der Regel 6 bis 12 Monate brauchten, bis sich ein neues Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage und damit ein neues Ölpreisniveau bildete. Einige Rohölproduzenten hoffen, dass die Weltwirtschaft durch den niedrigen Ölpreis wieder an Schwung zulegt und dadurch die Nachfrage nach Rohöl auch wieder steigt. Laut IWF bringt ein Rückgang um 10 US Dollar pro Barrel Öl ein zusätzliches globales Wachstum von 0,2 Prozent. Aktuell bedeutet das ein zusätzliches weltweites Wachstum von 1 Prozent. Zwei Billionen Dollar werden zurzeit von den Produzenten zu den Konsumenten verteilt, so der IWF. Die USA und die OECD-Länder zählen zu den Gewinnern eines niedrigen Ölpreises, die Förderländer zu den Verlierern. Gerade Staaten wie Ecuador, Venezuela, Iran und Russland, die mit dem Öl ihren Staatshaushalt finanzieren, werden unter Druck kommen. Mit einer kurzfristigen Kürzung der Rohölproduktion ist zurzeit nicht zu rechnen, sodass eine steigende Nachfrage am ehesten zum Abbau der Überproduktion beitragen könnte. Die Marktteilnehmer sind deshalb gut beraten, nicht nur die Angebotsseite kurz- und mittelfristig zu betrachten, sondern auch die Nachfrageseite.

Für uns Europäer gilt es jedoch, nicht nur den Rohölpreis, sondern auch den Dollarkurs im Auge zu behalten. Der Euro befindet sich gegenüber dem Dollar jetzt seit fast einem Jahr auf Talfahrt. Die weitere Talfahrt des Euros ist das erklärte Ziel der EZB. Aus diesem Grund müssen wir Europäer auch den Euro im Auge behalten, wenn wir uns ein Bild über die zukünftigen Energiekosten machen wollen. Der schwache Euro hat ein weiteres Absinken der Tankstellenpreise verhindert. Die von den Kunden und der Presse schon herbeigeredeten 99,9 Cent/Liter Diesel Mitte Januar 2015 rückten durch den schwachen Euro wieder in weitere Ferne.

Wenn man sich alle Meinungen zum Thema Rohölpreis 2015 ansieht, kann man davon ausgehen, dass sich der Rohölpreis in den nächsten 6 bis 12 Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 40 und 70 Dollar bewegen wird. Der Euro/Dollar-Wechselkurs wird nach Meinung der Experten zwischen 1,00 bis 1,10 Euro für einen Dollar liegen. Demzufolge sind Tankstellenpreise für Diesel zwischen 1,00 Euro und 1,30 Euro und für E5 zwischen 1,20 Euro und 1,50 Euro zu erwarten. Diese Differenz zeigt, dass die Preisentwicklungen wieder einmal mit großer Unsicherheit behaftet sind. Allerdings wären diese Preise immer noch deutlich tiefer als 2013 und 2014.

In 2013 lag der durchschnittliche Tankstellenpreis für E5 bei 1,64 Euro und für Diesel bei 1,49 Euro. In 2014 lag der Preis für E5 bei 1,59 Euro und für Diesel bei 1,43 Euro. Das heißt, es kann im Laufe des Jahres für den Autofahrer wieder teurer werden. Allerdings sollten im Jahresdurchschnitt die Preise deutlich unter den Preisen der vergangenen beiden Jahre liegen, auch wenn der schwache Euro einen Teil der niedrigen Rohölpreise aufzehrt.