Wie reagieren die Ölförderer mit ihren Investitionen auf neue Rahmenbedingungen?
Unter dem Druck der anhaltend niedrigen Ölpreise treten die großen privaten Energiekonzerne (Exxon, Shell, BP und Co.) bei den Ausgaben auf die Bremse. Die staatlichen Ölfirmen im mittleren Osten wollen ihre Upstream-Investitionen (Bohraktivitäten) zwar auch verringern, aber nicht in dem Maße, wie die internationalen privaten Konzerne. Dafür sind insbesondere geringere Förderkosten in Nahost verantwortlich. Öl im Wüstensand zu fördern, kostet nur einen Bruchteil gegenüber der Ölförderung Offshore auf den Weltmeeren oder im extrem kalten Sibirien bzw. Alaska. In Alaska hat Shell schon ein großes Investitionsprojekt gecancelt, weil dieses sich bei den aktuellen Ölpreisen nicht mehr rechnete.
Die Ölpreise bleiben vorerst günstig, weil die OPEC, hier angeführt von Saudi-Arabien, ihre Fördermengen nicht reduziert. Zudem wird damit gerechnet, dass der Iran, sobald das Embargo gegen dieses Land beendet ist, seine Fördermengen hochfährt. Auch soll Iran schon jetzt erhebliche Rohölmengen in Tankern lagern, die auf den Weltmarkt drängen, sobald das Embargo beendet ist. Auf der Angebotsseite kommt hinzu, dass die Fracking-Ölmengen in den USA wohl zwar geringer werden, allerdings nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau von mehr als 9 Millionen Barrel pro Tag verharren. Auf der anderen Seite sinkt die Nachfrage aus China, da das dortige Wirtschaftswachstum, wenn auch nach wie vor auf einem hohen Niveau, etwas an Schwung verliert. Das heißt, einer schwächeren Nachfrage aus China steht ein starkes Angebot entgegen, sodass auch in nächster Zeit mit einem Überhang an Rohölmengen zu rechnen ist.
Die Konsequenz ist, dass die Mineralölgesellschaften die Investitionen in 2016 kürzen werden. ConocoPhillips kündigte im Dezember an, die Investitionen 2016 um ein Viertel zu kürzen. Auch die amerikanische Chevron hatte eine Kürzung in ähnlichem Volumen avisiert. Die britisch-niederländische Royal Dutch Shell stellt auch weiterhin Unternehmensteile zum Verkauf, um sich Liquidität zu beschaffen. Shell plant zudem, sich aus Neuseeland zurückzuziehen, obwohl man dort bereits seit 100 Jahren tätig ist. Branchenanalysten erwarten, dass die Investitionen der Mineralölkonzerne in den nächsten Jahren um 20 Prozent gekürzt werden.
Anders sieht es in Nahost aus. Kuwait Petroleum kündigte an, in den nächsten Jahren 33 Milliarden US-Dollar zu investieren, um im Jahr 2020 rund 3,65 Millionen Barrel pro Tag fördern zu können. Abu Dhabi will seine Förderkapazitäten um 500.000 Barrel auf 3,5 Millionen Barrel pro Tag erhöhen. Auch Saudi-Arabien hat angekündigt, weiterhin Investitionen vorzunehmen, um seine derzeitigen Förderkapazitäten zu erhalten. Die in der Vergangenheit vernachlässigten Offshore-Projekte (Ölquellen auf dem offenen Meer anzapfen) werden im mittleren Osten in Zukunft laut Energieinformationsdienst eine größere Rolle spielen. Abu Dhabi hat angekündigt, dass sie in den nächsten Jahren etwa die Hälfte ihrer Rohölförderung aus Offshore-Vorkommen erschließen werden.
Die mit niedrigen Kosten produzierenden Ölgesellschaften im Mittleren Osten sind in ihren Investitionsplänen weniger betroffen als die in aller Welt tätigen privaten Mineralölgesellschaften aus dem Westen und die russischen Konzerne.
Für die großen privaten Konzerne bleibt, bis auf wenige Ausnahmen, von Vorteil dass sie sowohl Upstream (Bohrloch) sowie Downstream (Raffinerien, Vertrieb und Tankstellen) auf dem Weltmarkt tätig sind. In 2015 waren die Downstream-Aktivitäten und insbesondere das Raffineriegeschäft der rettende Anker der Konzerne, um Gewinne abzuliefern. In den vorherigen Jahren war es das Upstream-Geschäft, das für hohe Gewinne sorgte.
Eine spannende Frage ist, so der Energieinformationsdienst, wie die großen Handelsgesellschaften, wie die in der Schweiz gelisteten Glencor, Vitol, Mercuria und Trafigura sowie die in den Niederlanden registrierte Gunvor mit den neuen Marktverhältnissen zurechtkommen. Glencor hat bisher unter den fallenden Rohstoffpreisen am meisten gelitten. Immer wenn der Ölmarkt in der Vergangenheit umschwenkte, zeigte sich, dass auch eine der großen internationalen Mineralölhandelsgesellschaften in schwieriges Fahrwasser kam.
Es bleibt somit eine spannende Zeit.