Ein Aus- und Einblick – Löst Rosneft Shell als Marktführer ab?
Im Jahr 2022 hat Deutschland eine Raffineriekapazität von 101 Millionen Tonnen.
Diese verteilt sich auf folgende Standorte:
- Rheinland Raffinerie 16,6 Millionen Tonnen – 100 Prozent Shell
- MiRO Karlsruhe 14,9 Millionen Tonnen – 32,25 Prozent Shell, 25 Prozent Esso, 24 Prozent Rosneft, 18,75 Prozent Phillips 66
- Ruhröl Gelsenkirchen 12,8 Millionen Tonnen – 100 Prozent BP
- PCK Schwedt 11,6 Millionen Tonnen – 37,5 Prozent Shell, 54,2 Prozent Rosneft, 8,3 Prozent Eni
- Total/Leuna 12,0 Millionen – 100 Prozent Total
- Bayernoil/Vohburg Neustadt 10,3 Millionen Tonnen – 45 Prozent Varo, 25 Prozent Rosneft, 20 Prozent Eni, 10 Prozent BP
- Gunvor/Ingolstadt 5 Millionen Tonnen – 100 Prozent Gunvor
- OMV/Burghausen 3,7 Millionen Tonnen – 100 Prozent OMV
- Holborn/Hamburg 5,15 Millionen Tonnen – 100 Prozent Holborn
- Raffinerie Heide 4,2 Millionen Tonnen – 100 Prozent Klesch
- Erdölraffinerie Emsland/Lingen 4,7 Millionen Tonnen – 100 Prozent BP
Zudem gibt es noch die Nynas, eine Bitumenraffinerie in Hamburg mit 1,8 Millionen Tonnen, die allerdings für den Mineralölmarkt keine Rolle spielt.
Die einzelnen Raffinerien sind unterschiedlich in ihrer Ausprägung. Dies gilt zum einen für die Produktion, das heißt, welchen Schwerpunkt bilden die Mitteldestillate, wie Heizöl und Diesel oder auch Ottokraftstoffe in der Erzeugung. Sind es reine Mineralölraffinerien oder auch Raffinerien mit einem chemischen Schwerpunkt. Zudem bestimmt die geografische Lage die Verkaufsmöglichkeiten einer Raffinerie. Raffinerien in Küstennähe sind geeignet, auch Fertigprodukte zu exportieren, während Raffinerien im Inland, sofern sie über keine eigene Produktpipeline zur Küste verfügen, weniger für den Export geeignet sind. Diese müssten, um in den Export gehen zu können, über die Binnenwasserstraßen Fertigprodukte an die Küste transportieren was in der Regel zu teuer ist.
Insgesamt muss Deutschland knapp 15.000 bis 20.000 Tonnen Fertigprodukte importieren, um den innerdeutschen Mineralölverbrauch abzudecken. Rund zwei Drittel unserer importierten Fertigprodukte kommen über Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen (ARA) nach Deutschland. In diesen drei europäischen Städten stehen die größten Tanklagerkapazitäten und die größten Raffinerien Europas. Die geographische Lage mit Küstennähe und mit der Anbindung an den Rhein, der wichtigsten Wasserstraße in Europa, macht dies möglich. Unseren zweitwichtigsten Lieferant bilden die GUS-Staaten mit 16 Prozent Mengenanteil an der inländischen Belieferung, gefolgt von den restlichen europäischen Ländern mit 12 Prozent Lieferanteil. Afrika, der amerikanische Kontinent und der Nahe Osten spielen bei den Fertigprodukten nur eine untergeordnete Rolle. Rein rechnerisch könnten wir in Deutschland rund 102 Millionen Tonnen Mineralölprodukte herstellen. Eine Raffinerie ist allerdings in der Regel mit knapp 90 Prozent jährlich ausgelastet, sodass in Deutschland in der Regel rund 90 Millionen Tonnen von den Raffinerien verarbeitet werden.
Die größten Raffineriebetreiber in Deutschland waren 2021 Shell mit 25 Millionen Tonnen, BP mit 18,5 Millionen Tonnen, Rosneft mit 12,2 Millionen Tonnen und Total mit 12,0 Millionen Tonnen. Diese vier Anbieter stehen für zwei Drittel der deutschen Raffinerieproduktion.
Die Raffinerien im Osten, wie Leuna und Schwedt werden in hohem Maße über die Druschba Pipeline aus Russland versorgt. Russland liefert jährlich rund 30 Millionen Tonnen Rohöl (33 Prozent Marktanteil) nach Deutschland. Bei Erdgas liegt der russische Marktanteil bei 55 Prozent. Die Raffinerien im Norden und Westen werden über die Pipelines von Wilhelmshaven beziehungsweise Rotterdam und die Raffinerien im Süden über die Pipeline aus Triest mit Rohöl versorgt.
Die erzeugten Fertigprodukte der Raffinerien in Deutschland werden zu rund 85 Prozent für Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin verwendet. Die restlichen Mengen gehen in die verschiedensten Anwendungsbereiche.
In naher Zukunft stehen Veränderungen im deutschen Raffineriemarkt an. Shell möchte weltweit nur noch sechs Raffinerien betreiben und wird sich deshalb aus den Beteiligungen in Schwedt und Karlsruhe verabschieden. In Schwedt sieht es so aus, dass wohl die Rosneft, ein russischer Konzern, die Anteile der Shell übernimmt. Sofern das Kartellamt dieser Übernahme zustimmt, würden sich die Marktanteile in der Produktion verändern. Diese sähen wir folgt aus: Shell 20,7 Millionen Tonnen, BP 18,5 Millionen Tonnen, Rosneft 16,5 Millionen Tonnen, Total 12,0 Millionen Tonnen.
Wann sich Shell aus Karlsruhe verabschiedet, ist noch nicht abzusehen und ob einer der Miteigentümer diesen Anteil übernimmt, wird sich auch noch zeigen müssen. Sollte allerdings Rosneft auch diesen Anteil übernehmen, so würde Rosneft mit den Shell-Anteilen in Schwedt und Karlsruhe seinen Marktanteil bei der Raffinerieproduktion auf 21 Prozent erhöhen. Rosneft wäre dann der größte Raffineriebetreiber in Deutschland, der an den Standorten in Karlsruhe, Schwedt und Vohburg bundesweit recht gut aufgestellt wäre. Lediglich im Westen wären BP und Shell die Hauptanbieter ab Raffinerie. Zudem plant die Shell nach eigenem Bekunden in 2025 7,3 Millionen Tonnen durch Umwidmung der Raffinerie in Köln aus dem Markt zu nehmen. In der Folge würde Shell, wenn bis dahin die Anteilsverkäufe in Schwedt und Karlsruhe abgeschlossen sind, von heute 25,0 Millionen Tonnen Raffineriekapazität auf 8,6 Millionen Tonnen zurückfallen.
Aus heutiger Sicht ist damit zu rechnen, dass bis 2030 der Inlandsverbrauch von Mineralölprodukten um rund 20 Prozent abnimmt. Folglich müssten auch 20 Millionen Tonnen Raffineriekapazität aus dem deutschen Markt genommen werden. Das bedeutet, dass neben der Produktionsreduktion durch Shell von 7,3 Millionen Tonnen in Wesseling, noch weitere 13 Millionen Tonnen Raffineriekapazität stillgelegt werden müssten. Die großen Raffinerien mit einer Verarbeitungskapazität von 10 bis15 Millionen Tonnen sind den kleineren Raffinerien kostenmäßig überlegen. Inlandsraffinerien sind im Nachteil, da sie in der Regel die Ware nicht exportieren können. Welche Raffinerien bis 2030 geschlossen werden, wird der Markt zeigen.
Was heißt dies für die deutsche Mineralölversorgung? Im ARA-Raum stehen rund 100 Millionen Tonnen Raffineriekapazität und 30 Millionen Kubikmeter an Tankraum zur Versorgung zur Verfügung. Von hier aus führen eine Anzahl von Rohölpipelines nach Deutschland sowie eine Produktpipeline in das Rhein-Ruhr-Gebiet und in den Großraum Frankfurt/Ludwigshafen. Über den Rhein wird eine intensive Binnenschifffahrt betrieben und damit auch über die Nebenflüsse des Rheins sowie über Kanäle in andere Flüsse. Gerade die großen Gesellschaften, wie Esso, Shell, BP und Total sind mit großen Raffinerien beziehungsweise Raffineriebeteiligungen in ARA tätig. Diese vier internationalen Konzerne aus den USA, England und Frankreich sind für die Versorgung des europäischen Marktes und insbesondere für den deutschen Markt von großer Bedeutung.
Der Raffineriesektor der namhaften Produzenten wird sich deshalb der Frage stellen müssen, wie viele Raffinerien wir dauerhaft in Europa bei einer rückläufigen Nachfrage brauchen. Hierbei ist es wichtig, dass die Raffineriekapazitäten nicht schneller sinken als die Nachfrage. Würden die Raffinerien schneller aus dem Markt gehen als die Nachfrage sinkt, würden die Preise für die Fertigprodukte umso höher steigen. Zudem würde die Versorgungssicherheit und damit die Mobilität gefährdet. Es könnte auch zu einer einseitigen Abhängigkeit von Lieferanten oder Lieferländern (siehe Russland) kommen.
In Deutschland gibt es seit 2000 – nach dem Verkauf der RWE-Tochter DEA an Shell und dem Verkauf der Veba-Tochter Aral an BP- keinen Mineralölkonzern mehr, der vom Bohrloch bis zur Zapfsäule die komplette vertikale Versorgungskette abdeckt. Auf europäischer Ebene spielen Konzerne wie Total aus Frankreich sowie Shell und BP aus England in der ersten Liga. Daneben sind in Europa die amerikanischen Konzerne Exxon und Phillips 66 (Jet) vertreten. Die skandinavischen ost- und südeuropäischen Länder haben oftmals noch Raffineriegesellschaften mit staatlicher Beteiligung, die die Landesproduktion sichern. In Deutschland ist dies seit 2000 nicht mehr gegeben.