Kann der Gesetzgeber Tankstellen eine E-Säule aufzwingen?
Die Bundesregierung überlegt, die Mineralölwirtschaft dazu zu verpflichten, an ihren Tankstellen eine E-Ladesäule vorzuhalten. Rechtlich ist eine solche Vorgabe sehr bedenklich, denn der Gesetzgeber kann einem Unternehmen nicht vorschreiben, welche Produkte es verkaufen muss. Zudem würde sich auch die Frage stellen, ob der Gesetzgeber diese „Auflage“ der Mineralölwirtschaft oder der Stromwirtschaft machen müsste. Immerhin ist der Stromerzeuger viel näher an der Quelle als ein Mineralölunternehmen. Außerdem wäre die Frage zu stellen, ob der Gesetzgeber diese Auflage den Mineralöllieferanten macht oder dem Eigentümer des jeweiligen Tankstellengrundstücks. Auch diese Frage müsste erst einmal rechtlich beurteilt werden. Zurzeit investiert niemand großflächig in E-Ladesäulen, weil diese Investitionen sich nicht rechnen.
Alle Fachleute sind sich einig, dass 80 Prozent des Ladebedarfs für Elektroautos zuhause bzw. am Arbeitsort oder auf irgendwelchen Parkplätzen gedeckt werden. 20 Prozent des Bedarfs entfiele folglich auf sogenannte Schnellladesäulen und genau hier beginnt das Kostenproblem. Die Kosten für den Anschluss von E-Ladesäulen (Trafo, Zwischenspeicher, Erdarbeiten, Kabel verlegen) variieren sehr stark von Standort zu Standort und hängen davon ab, welche freien Elektrokapazitäten (kW) vor Ort vorhanden sind. Diese Kapazitäten kann letztlich nur der jeweilige Stromerzeuger in der jeweiligen Region beurteilen.
Hierzu folgende Beispiele:
Bei einer 150 kW Stromtankstelle, liegen die Kosten, je nachdem ob mit oder ohne zusätzliche Trafostation, zwischen 75.000 und 150.000 Euro. Bei einer 350 kW Anlage liegt das Invest bei 250.000 bis 350.000 Euro für das gesamte Equipment.
Wenn man eine Kombination aus zwei Säulen mit 350 kW und einer Säule mit 150 kW auf einem Tankstellengelände baut, liegen die Investitionen schnell bei 500.000 Euro. Um ein solches Invest wieder zurückzubekommen, müssen täglich schon eine stattliche Anzahl an Kunden kommen, die dann auch bereit sein sollten, 70 bis 80 Cent pro Kilowattstunde zu bezahlen. Wird der Kunde diesen teuren Strom unterwegs kaufen, wenn er zu Hause für 30 Cent mittels staatlich subventionierter Wallbox laden kann?
Aus Kostengründen werden heute auf Parkplätzen oder in Parkhäusern oftmals nur Zapfsäulen mit 11 bis 22 kW Leistung aufgestellt. Allerdings muss der Kunde dann auch entsprechend lange vor Ort parken, um das E-Fahrzeug aufzutanken. 11 bis 22 kW Zapfsäulen lassen sich zwischen 10.000 und 50.000 Euro erstellen, je nachdem, welche Kapazitäten vor Ort von den Stromerzeugern frei sind.
Wenn der Gesetzgeber tatsächlich überlegt, per Gesetz die Tankstellen zur E-Säule zu verpflichten, so sollte er auch bereit sein, die entstehenden Investitionskosten und die entsprechenden Folgekosten zu übernehmen. Es gilt auch in diesem Bereich der alte Grundsatz: „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.“
Dass die E-Säule kein Geschäft ist, zeigt sich auch an der Tatsache, dass weder die Stromwirtschaft noch die Automobilwirtschaft bisher ein Interesse bekundet haben, selbst ein Netz von Stromtankstellen in Deutschland oder gar Europa aufzubauen. Alle Marktteilnehmer wissen, dass die immensen Kosten sich nicht amortisieren.
In einer Studie sieht das Beratungsunternehmen Horváth & Partners auch noch andere Fallstricke. Die Firmenwagen mit Strom können zum Kostenrisiko für Unternehmen werden. Kalkuliert würden Vergleiche zwischen E-Autos und Verbrennern meist auf Basis des Haushaltsstromtarifs von 30 Cent pro kWh. Dann wären die E-Autos derzeit um den Faktor 1,6 günstiger. An öffentlichen Ladesäulen wird aber häufig deutlich mehr verlangt – 60 oder 80 Cent pro kWh, so Horváth. Dann kann das Stromtanken zur echten Kostenfalle für Unternehmen werden.
Die Schnellladesäulenanbieter fordern deshalb langfristig Planungssicherheit, bevor sie Investitionen tätigen. Auch die Fahrer brauchen mehr Durchblick, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Eine App, die – neben Verfügbarkeit und Status – den Strompreis von Ladestationen der Umgebung zeigt, wäre schon ein guter Anfang, so Horváth. Tatsächlich herrscht jedoch ein großes Ladechaos. Wo ist die Säule? Ist sie frei oder reservierbar? Wer ist der Anbieter? Wie ist der Preis? Für den Erfolg der E-Säule ist auch das Ladeerlebnis wichtig. Hier muss die Politik einen klaren Datenrahmen schaffen, damit Geschäftsmodelle auch funktionieren. Die Mineralöltankstellen werden vom Gesetzgeber dazu verpflichtet eine Auszeichnung der Preise am Straßenrand, gut sichtbar für den vorbeifließenden Verkehr, vorzunehmen. Alle Zapfsäulen verfügen über geeichte Abgaben und seit 2013 sind die Preise in Echtzeit jederzeit im Internet abrufbar. Warum macht der Gesetzgeber diesbezüglich keine klaren Preisauszeichnungsvorgaben für die Strombranche? Eine solche Vorgabe kann der Stromtanker eigentlich auch erwarten.
Es gibt jedoch noch einen anderen Punkt, der zu lösen ist. Wir haben bei der Herstellung der Batterie einen enorm hohen Stromverbrach. Das heißt, klimaneutral sind E-Autos erst dann, wenn der Strom auch regenerativ erzeugt wird. Selbst der Thinktank Agora Verkehrswende räumt ein, dass bis zu einer Laufleistung von 60.000 – 80.000 km das E-Fahrzeug den CO2-Rucksack mit sich trägt. Entscheidend ist hierbei, wo die Fertigung der Batteriezellen stattfindet.
Laut Handelsblatt verursacht ein E-Auto mit 48 kW Batterie bei der Stromherstellung folgende CO2-Emissionen:
In China bei heutigem Strommix | 16,8 Tonnen |
in China Strommix 2030 | 15,4 Tonnen |
Batterieproduktion in Europa: Strommix 2020 | 13,9 Tonnen |
Strommix 2030 | 12,6 Tonnen |
Laut Handelsblatt liegen die Gesamtemissionen eines Autos mit Dieselmotor bei 8,4 Tonnen.
Schaut man sich nur die Emissionen bei der Batterieherstellung an, so ergeben sich folgende Werte:
Strommix China heute | 8,9 Tonnen |
Strommix China 2030 | 7,4 Tonnen |
Strommix 2020 EU | 6,0 Tonnen |
Strommix 2030 EU | 4,6 Tonnen |
Das heißt, aus CO2-Sicht besteht die Notwendigkeit, die Produktion der Batteriezellen nach Europa zu verlagern. Andererseits steht der Batteriezellenproduktion in Europa der hohe Strompreis entgegen. Aus diesem Grund sollen auch die Batteriezellenproduzenten von den EEG-Umlagen befreit werden. Mit den heutigen Stromkosten sind wir in Deutschland aufgrund der EEG-Umlagen nicht in der Lage, günstige Batterien zu produzieren. Es macht auch keinen Sinn, diese Batteriezellenproduktion nach Tschechien oder Polen zu verlagern, da dort die Kohlekraftwerke noch längere Zeit laufen werden.
Berechnungen ab wann ein E-Fahrzeug einen vergleichbaren Verbrenner in der Umweltbilanz schlägt, haben zudem meistens einen gravierenden Denkfehler. In diesen Berechnungen wird in der Regel davon ausgegangen, dass die E-Fahrzeuge mit dem aktuellen deutschen Strommix – ca. 46% Anteil grüner Strom – betankt werden. Da die deutschen Stromproduzenten jedoch nicht in der Lage sind mehr als 50% der Stromerzeugung mit erneuerbarer Energie abzudecken, wird jede zusätzlich benötigte Kilowattstunde den Verbrauch von Kohle, Gas und Kernenergie um den Faktor 1 steigern und nicht wie oftmals angenommen nur um den Faktor 0,54 (bei 46% Anteil grüner Strom in Deutschland). Das heißt jedes E-Fahrzeug, das in Deutschland zugelassen wird, wird zumindest indirekt zu 100% mit Kohle, Gas und Kernenergie betrieben, wenn es am öffentlichen Stromnetz hängt.
Selbst wenn der Fahrer eines E-Fahrzeugs einen Ökostromvertrag bei seinem Stromanbieter hat, führt dies letztendlich nur zu einer Verschiebung. Das Ergebnis ist aber das gleiche. Der E-Fahrer verbraucht dann zwar grünen Strom, wenn er sein E-Fahrzeug tankt. Dieser Strom fehlt dann aber wiederum an einer anderen Stelle im Stromnetz, was nur durch das hochfahren von Gas, Kohle oder Kernenergie ausgeglichen werden kann. Die erneuerbaren Energien lassen sich nicht beliebig hochfahren. Deswegen tankt auch der E-Fahrzeugkunde, der einen Ökostromvertrag hat, letztendlich indirekt immer nur zu 100% konventionellen Strom. Dies wird so lange noch der Fall sein bis wir in der Lage sein werden unseren gesamten Strombedarf mit erneuerbaren Energien zu decken. Bis die E-Fahrzeuge also tatsächlich grünen Strom tanken, werden noch viele Jahrzehnte vergehen. Berücksichtigt man das in der Klimabilanz, ist ein sparsamer Dieselmotor noch viele Jahrzehnte die bessere Alternative – sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht.