Im Sommer waren die Tankstellenpreise dank sinkender Rohölpreise und zu hohen Raffineriekapazitäten besonders attraktiv.

Der Preis für die Rohölsorte Brent ist im September 2024 zeitweilig unter 70 Dollar gefallen. Anfang Juli 2024 kratzte der Rohölpreis für die Brentware noch an der Preismarke von knapp 90 Dollar. Seit dieser Zeit ist der Rohölpreis auf Talfahrt gegangen. Die Gründe hierfür waren eine schwächelnde Nachfrage aus China, USA, Europa und Indien. Vor allem die weiterhin kriselnde Wirtschaft in China, dem weltgrößten Ölimporteur, belastete die Preise. Ursprünglich hatten die OPEC plus-Staaten beabsichtigt, ihre freiwilligen Produktionskürzungen ab Oktober wieder aufzugeben. Die OPEC hat diese Entscheidung rechtzeitig revidiert und behält die Produktionskürzungen um weitere 2 Monate bis Dezember erstmal bei, um somit den Preisverfall zu stoppen. Hätte die OPEC tatsächlich begonnen wieder mehr zu produzieren, wären die Ölpreise unter erheblichen Druck gekommen.

Aktuell sieht es danach aus, dass das weltweite Ölangebot die weltweite Nachfrage weiter übersteigen wird. Während die Mitglieder des Ölkartells OPEC plus ihre Produktion zurückfahren, haben Nicht-Mitgliedsstaaten wie USA, Kanada, Norwegen und das Südamerikanische Land Guyana ihre Förderung und damit ihren Weltmarktanteil erhöht. Auch in 2025 rechnet die internationale Energieagentur mit einer höheren Rohölförderung in diesen Ländern. Die Reservekapazitäten der OPEC sind auf 4,5 Millionen Barell pro Tag gestiegen. Dies sind die Mengen die die OPEC plus Gruppe mehr fördern könnte, wenn der Markt diese Mengen aufnehmen würde. Die hohe OPEC-Reserve, die selbst eine plötzlich anspringende weltweite Nachfrage leicht abdecken könnte, führt dazu, dass die Märkte beim Rohölpreis, trotz aller politischen Krisen, ob in der Ukraine oder in Nahost in 2024 relativ gelassen blieben. Ohne diese gute Versorgungslage in 2024 wären bei den geopolitischen Spannungen in Nahost die Ölpreise mit Sicherheit Richtung 100 Dollar marschiert. Für uns in Europa kam hinzu, dass der Euro gegenüber dem Dollar an Wert zulegte, was unsere Rohöleinfuhren auf Eurobasis weiter verbesserte.

Mittlerweile haben sich nach dem Embargo gegenüber Russland die Ölmärkte weitestgehend neu sortiert. Russland fokussiert sich beim Ölexport stärker auf China und Indien sowie andere asiatische Länder, während Länder aus Nahost, Afrika oder die USA verstärkt ihr Rohöl oder auch Fertigprodukte nach Europa bringen. Dies führte dazu, dass neben den Rohölpreisen auch die Preise für die Fertigprodukte ab Raffinerie weltweit unter Druck kamen. In Deutschland fielen die Preise ab Raffinerie weitaus stärker als international, da wir ein Überangebot von inländischen Fertigprodukten hatten. Das Überangebot ab Raffinerie zeigt sich auch in den Raffineriemargen, die nachdem sie 2022 und 2023 auf einem extrem hohen Niveau waren, nun zusammengebrochen sind. Lieferten in 2022 und 2023 die Raffinerien riesige Gewinne ab, so wurden sie 2024 zum Verlustbringer. Neben dem gesunkenen Rohölpreis bewirkte der Überschuss an Raffinerieware, dass die Tankstellenpreise ab Juli auf Talfahrt gingen. Ohne die CO2-Abgabe, die 2021 eingeführt wurde, würden sich die Tankstellenpreise fast wieder auf dem Niveau des September 2019 bewegen.

Wie es in 2025 mit den Rohöl- und Fertigproduktpreisen weitergeht, ist schwer zu sagen. So lange sich die Nachfrage in China nicht erholt, ist auf der Nachfrageseite keine nennenswerte Bewegung zu erwarten. Auf der Angebotsseite wird der Mengendruck beim Rohöl aus den Nicht-OPEC-plus-Staaten wie USA, Guyana zu nehmen, die auch in 2025 mehr Rohöl fördern wollen. Die OPEC-plus-Staaten werden deshalb entscheiden müssen, ob sie ihre niedrigen Produktionsziele im Dezember nochmal verlängern oder ob sie Gefahr laufen, mit erhöhten Produktionszielen die Preise unter Druck zu bringen. Je nachdem, wie Angebot und Nachfrage reagieren, kann es sein, dass sich die Preise wie in den letzten 12 Monaten zwischen 70 und 90 Dollar bewegen; es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass die Preise unter 70 oder gar 60 US-Dollar pro Barell fallen könnten. Die internationale Energieagentur geht aktuell von einem Rohölpreis in 2025 von 80 US-Dollar für die Brentware aus.
Beim Ölpreis gilt immer: Ein Schnapsglas zu viel in einem Barrel lässt die Fasspreise schnell fallen und ein Glas zu wenig lässt die Preise steigen. Und keiner kann wirklich in diese Fässer und Märkte reinschauen, vieles ist reine Spekulation.