Die Autoproduktion in Deutschland ist weit weg vom Jahr 2017 als noch fast sechs Millionen Einheiten pro Jahr in Deutschland hergestellt wurden
Deutschland wurde einst als „Autoland“ bezeichnet, was die Produktion an Kraftfahrzeugen anging. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die Wettbewerbsfähigkeit und der Standort Deutschland bedroht. So liegen die Kosten für eine Arbeitsstunden in der Autoindustrie inklusive Lohnnebenkosten bei 59 Euro, so das Center Automotive Research (CAR) in Duisburg. In den USA sind es umgerechnet etwa 43 Euro und in Spanien 28 Euro. In Ungarn und Polen sogar nur 13 Euro. Aus diesem Grund ist die Produktion kleiner Modelle in Deutschland zu vertretbaren Kosten nicht mehr möglich.
Seit 2020 laufen in der Bundesrepublik keine Fabrikate des Mini- und Kleinstwagensegments mehr vom Band, so das Handelsblatt nach einer Datenauswertung der VDA-Zahlen. Die Produktion von Kleinwagen und Großraumvans ist seit 2012 um jeweils 90 Prozent gesunken. Opel hat vor vier Jahren den Corsa aus Eisenach abgezogen und baut seinen Bestseller seitdem im spanischen Saragossa. Auch bei den Fahrzeugen der Kompakt- und oberen Mittelklasse hat sich das Volumen in den vergangenen zehn Jahren nahezu halbiert. So ist allein die Produktion des VW Golfs in Deutschland in diesem Zeitraum um fast 300.000 Stück zurückgegangen, auf zuletzt nur noch 219.000 Fahrzeuge.
Im Zeitraum 2014 bis 2017 wurden in Deutschland fast sechs Millionen Pkw pro Jahr produziert. Im Jahr 2022 waren es nur 3,4 Millionen Einheiten. Auch wenn in 2022 der Chipmangel die Produktion einschränkte, so gehen die Marktforscher von Inovev davon aus, dass auch bis 2027 die Produktion unter vier Millionen Einheiten bleiben wird. „Wir sehen momentan eine Deindustrialisierung der Autobranche, die durch den Wandel zur E-Mobilität zustande kommt“, sagt Oliver Falck, Leiter des Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien am ifo Institut für Wirtschaftsforschung.
Neben den Automobilherstellern verlagern auch die mittelständischen Zulieferer ihre Standorte verstärkt ins Ausland, mit Schwerpunkt Osteuropa, China oder USA. 44 Prozent der Zulieferunternehmen in Baden-Württemberg gaben an, dass sie die Produktion verstärkt ins Ausland verlagern. Der Autoforscher Professor Dr. Bratzel sagte dem Handelsblatt: „Wir sind in einer sehr kritischen Situation, man muss die Kostenstruktur bei Personal und Energie in den Blick nehmen und auch die Förderkulissen beachten. Wir preisen uns gerade aus dem Markt“.
Um die teuren Strukturen in Deutschland zu finanzieren, fokussieren sich Fahrzeughersteller wie VW mit Porsche/Audi, BMW und Mercedes verstärkt auf die Fertigung von Luxusbaureihen in der Heimat. So steigerten sie hierzulande die Produktion von Oberklassefahrzeugen, wie der 7er BMW oder die S-Klasse und den A8 von Audi und dies seit 2012. Zudem rollen immer mehr SUV und Geländewagen vom Band. Professor Dr. Bratzel vom CAM Institut warnt: „Aktuell haben wir keine große Arbeitslosigkeit in Deutschland – aber das kann schnell drehen“.
Der Automobilsektor bleibt bei einer weiterwachsenden Weltbevölkerung und bei einem wachsenden Wohlstand in bevölkerungsreichen Ländern, wie zurzeit in Asien, ein Wachstumsmarkt. Der weltweite Pkw-Bestand, der aktuell 1,3 Milliarden Pkw beträgt, wird laut einer Studie der Internationalen Energieagentur bis 2035 auf 1,7 Milliarden Pkw und bis 2050 auf 2 Milliarden Pkw wachsen. Der heutige weltweite jährliche Pkw-Absatz von rund 80 Millionen wird bis 2035 auf 100 Millionen und bis 2050 auf 120 Millionen PKW steigen.
Die KFZ-Hersteller können mit ihren Kosten in Deutschland dauerhaft nur im Premiumsektor des Weltmarktes eine wichtige Position in diesem Wachstumsmarkt einnehmen. Porsche, Mercedes und BMW verfolgen diese Ziele. Allerdings werden auch diese mit ihren Absatzzahlen nicht sicherstellen können, dass auch zukünftig drei bis vier Millionen Pkw in Deutschland produziert werden. Entweder sie verlagern ihre Produktionen immer mehr ins Ausland oder sie werden am wachsenden Weltmarkt für PKW mit zu teuren Autos nicht teilnehmen können.