Neue Shell-Prognose

Shell hat aktuell die 26. Auflage ihrer Pkw-Studie veröffentlicht. In der Regel wird diese Studie alle fünf Jahre einer Überarbeitung unterzogen.

Die wichtigste Feststellung: Die höchste Pkw-Motorisierung in Deutschland werden wir voraussichtlich im Jahr 2022 erreichen. Frauen und ältere Menschen treiben den Fahrzeugbestand auf deutschen Straßen weiter nach vorn. Beim Antriebsmix wird sich bis 2040 bei den Motoren wenig ändern. Otto- und Dieselkraftstoff bleiben die Nummer 1.

In Deutschland wird ein demographischer Wandel erfolgen. Während die Weltbevölkerung wächst, wird die Bevölkerung in Deutschland von heute 81 auf knapp 77 Millionen Einwohner bis 2040 abnehmen. Der Anteil der jüngeren und mittleren Altersgruppen sinkt, während der Anteil der über 65-Jährigen von 21 auf 31 Prozent steigt. Die Anzahl der privaten Haushalte legt von 40 auf 41,3 Millionen zu und die durchschnittliche Haushaltsgröße sinkt von zwei auf 1,8 Personen. Weltweit hingegen wird die Menschheit wachsen und mit zunehmendem Wohlstand auch die Motorisierung steigen. Die Wachstumsmärkte für den Fahrzeugabsatz und das Folgegeschäft liegen in den nächsten 25 Jahren in Asien und Südamerika.

Dass die Motorisierung in den nächsten Jahren in Deutschland steigt, ist in der Tat-sache begründet, dass die Frauenmotorisierung weiter zunimmt. Auch ältere Perso-nen nutzen heute häufiger einen Pkw als noch vor 10 Jahren. Und da die Älteren auch im hohen Alter noch mobil bleiben wollen, nimmt gerade die Motorisierung in diesem Lebensabschnitt weiter zu. Motorisierungshemmend wirkt, dass die Jüngeren sich heute weniger für Autos interessieren und sich durch die längeren Ausbildungszeiten auch erst später ein Fahrzeug leisten können. Der Trend sowohl als junger als auch als älterer Mensch in größeren Städten zu leben, die über einen entsprechenden öffentlichen Nahverkehr verfügen, mindert ebenfalls die Notwendigkeit eines Pkw-Besitzes.

Wenn man diese Trends in die heute bekannten Daten, wie Länge der Fahrzeugnutzung, jährliche Kilometerleistung, Bevölkerungsentwicklung, einfließen lässt, so kann man hieraus ein relativ verlässliches Szenario für die nächsten Jahre entwickeln, und genau dies hat Shell getan. Die Pkws, die heute auf deutschen Straßen rollen, haben eine Lebensdauer von 12 Jahren – Tendenz steigend. Eine Folge dieser langen Nutzungsdauer ist, dass sich der Fahrzeugbestand und seine damit verbundene Antriebstechnik nur langsam verändert. Aufgrund dieser Erkenntnis kann Shell auch den Fahrzeugbestand und den Motormix für die nächsten 10-12 Jahre prognostizieren. Das Gleiche gilt für den Kraftstoffverbrauch, da bekannt ist, welche Modelle die Kfz-Industrie in den nächsten 5-6 Jahren in die Märkte bringt.

Die Pkw-Motorisierung der deutschen Bevölkerung wird bis 2027/2028 noch leicht ansteigen. Heute kommen auf 1.000 Einwohner 550 Fahrzeuge und im Jahr 2027 werden es 570 Fahrzeuge je 1.000 Einwohner sein und anschließend bis zum Jahr 2040 auf 558 Pkw pro Einwohner zurückgehen. Die Motorisierung der Männer er-reicht 2016 bis 2017 ihren Höhepunkt, während die Motorisierung der Frauen bis 2040 kontinuierlich wächst. Auch die jüngeren Alten werden bis 75 Jahre ihr Motori-sierungsniveau noch steigern. Für Autohäuser bedeutet dies, dass man die Kundengruppe der Frauen und der Älteren, die den eigentlichen Wachstumsmarkt bilden, im Blick halten muss. Der gesamte Pkw-Bestand steigt von heute mit 44,2 Millionen Pkws auf gut 45,2 Millionen in den Jahren 2022 bis 2023.Dann sollte der Peak erreicht sein. Da bis 2040 in Deutschland die Einwohnerzahl um vier Millionen schrumpft, wird der Pkw-Bestand bis zum Jahr 2040 auf 42,7 Millionen Pkws zurückgehen und damit immer noch auf einem nachhaltig hohen Niveau bleiben.

Die durchschnittliche Jahresfahrleistung je Pkw, die schon in der Vergangenheit leicht gesunken ist, wird von heute gut 14.000 km bis 2040 auf etwa 13.600 Kilome-ter pro Jahr abnehmen. Die Pkw-Fahrleistung steigt laut Untersuchung von heute 617 Milliarden Pkw-Kilometer bis 2020 auf 626 Milliarden Pkw-Kilometer. Bis 2040 wird die jährliche Pkw-Kilometerleistung auf 580 Milliarden abnehmen. Dies ent-spricht dann in etwa dem Niveau des Jahres 2005.

Der Anteil der Ottomotoren im Pkw-Bestand betrug zum 01.01.2014 68,3 Prozent (rund 30 Millionen Pkws). 30,1 Prozent entfielen auf Dieselmotoren (13,2 Millionen). Weitere 1,6 Prozent (680.000 Pkws) waren mit alternativen Antrieben unterwegs. Bei den alternativen Antrieben führt Flüssiggas mit 500.000 Fahrzeugen vor den Hybrid-Pkws mit 86.000 Fahrzeugen und den Erdgas-Pkws mit 79.000 Fahrzeugen. Reine Elektrofahrzeuge kommen nur auf einen Anteil von 12.000 Einheiten. 99,8 Prozent aller zurzeit in Deutschland zugelassenen Pkws entfallen auf Otto-, Diesel- und Gasmotoren. Ottokraftstoffe werden in der Folge im Konsum sinken, während der Dieselkonsum steigt. Dennoch wird der Konsum an Vergaser- und Dieselkraftstoffen weiter sinken, da die Motoren immer effizienter werden. Die 43 bis 45 Millionen Pkw-Nutzer werden weiterhin ihren Convenience- und Fahrzeugpflegebedarf an Tankstellen nutzen wollen, denn Tankstellen verkaufen Mobilität:

• Mobilität, um sich mit dem Fahrzeug individuell von A nach B zu bewegen und
• Mobilität für den Fahrer und Beifahrer, nebenher schnell und bequem ihren eigenen Motor mit Dingen des täglichen Konsums am Laufen zu halten.

Die Studienmacher der Shell haben, um die zukünftige Entwicklung des Motorenantriebs zu berechnen, zwei Trendszenarien entwickelt. In der einen Variante werden die technologischen Fortschritte bei Elektroantrieben deutlich positiver beurteilt als in der anderen.

Die Studie geht davon aus, dass in den nächsten Jahren der Hybridmotor, das heißt, eine Kombination aus einem Fahrzeug, das mit einem herkömmlichen Kraftstoff und zusätzlich einem Elektromotor angetrieben wird, zunehmen wird. Diese Einschätzung wird durch folgende Entwicklung untermauert: Insbesondere die im mittleren und oberen Preisklassesegment tätigen deutschen Automobilhersteller wollen, mit Hilfe der Kombination aus Otto- und Hybridmotor, die ab 2021 zu realisierenden CO2-Vorgaben der EU erreichen. Einige Automobilhersteller bieten deshalb Hybrid-Fahrzeuge zum gleichen Preis an, wie ein Fahrzeug, das ausschließlich von Otto- oder Dieselkraftstoff angetrieben wird. Wie lange die Automobilindustrie sich die Bezuschussung dieser teureren Elektrotechnik leisten kann, bleibt abzuwarten, so das Handelsblatt zu diesem Thema.

Auf Basis der Daten und der Szenarien kommt Shell zu dem Schluss, dass im Jahr 2040, je nachdem, welche Szenario man zugrunde legt, 80 bis 90 Prozent aller Pkws mit flüssigem Kraftstoff angetrieben werden. Hierbei wurde auch berücksichtigt, dass der Anteil der Biokraftstoffe, der dem Otto- und Dieselkraftstoff beigemischt wird, in einem Szenario auf bis zu 20 Prozent zunehmen kann. Fahrzeuge, die rein elektrisch oder über die Brennstoffzelle angetrieben werden, könnten im Jahr 2040 10 Prozent des Pkw-Marktes abdecken. Diese neuen Antriebstechnologien setzen sich nur langsam durch, da das durchschnittliche Fahrzeugalter, das heißt von der Erstzulassung bis zur Verschrottung, weiter zunimmt. Zudem sind alternative Antriebe, ob elektrische oder Brennstoffzellenantriebe, noch vergleichsweise teuer.

Für den Tankstellensektor lässt sich festhalten, dass in den nächsten Jahren die „Verdieselung“ weiter zunehmen wird. Der Neuzulassungsanteil von Dieselmotoren liegt bei knapp 50 Prozent und dieser Trend wird sich, solange der Dieselkraftstoff mit einer niedrigeren Energiesteuer als Ottokraftstoff belegt ist, fortsetzen.

Sollte die Politik weiter den Gasantrieb, sei es Erd- oder Flüssiggas, steuerlich be-günstigen, könnte auch der Anteil der erd- und flüssiggasbetriebenen Fahrzeuge bis 2040 zunehmen. Hierzu eine Aussage zu machen, fällt Shell schwer, denn staatliche Eingriffe könnten diesen Markt in die eine oder andere Richtung beeinflussen.

Bezüglich der politisch gewollten Energieziele lässt sich Folgendes feststellen: Bis 2020 soll laut Bundeswirtschaftsministerium der Endenergieverbrauch im Verkehrs-sektor gegenüber dem Jahr 2005 um 10 Prozent und bis 2050 um 40 Prozent sinken. Das nationale Endenergieziel für den gesamten Verkehrssektor würde der Pkw-Verkehr nach den Szenarien der Shell erreichen.

Shell kommt deshalb zu folgendem Schluss: „Wir sehen mehr alternative Antriebe, gleichwohl keine Revolution, eher eine Evolution im einzelnen Pkw wie auch im Pkw-Bestand. Deutschland ist und bleibt ein großer und attraktiver Tankstellenmarkt.“ Shell verweist auch auf die Tatsache, dass der in diesen Szenarien nicht berücksichtigte Güterkraftverkehr weiter wachsen wird und die Transporter und Lkws folglich ebenfalls zu einer stabilen Kraftstoffumsatzentwicklung bis 2040 beitragen werden.

Die Szenarien der Shell (alle 5 Jahre) und auch die Prognosen der Esso, die jedes Jahr aktualisiert werden, decken sich in vielen Teilen. Bei solchen langfristigen Mo-dellen geht es auch nicht darum, eine Punktlandung zu erreichen. Letztlich geht es um den Trend, denn es gilt heute, Investitionsentscheidungen für die Zukunft zu treffen. Zudem zeigten sich in der Vergangenheit die Einschätzungen von Shell und Esso als sehr realitätsnah, insbesondere in einem Zeitraum von 10 bis 12 Jahren. Das heißt, der Blick bis 2025/2027 ist schon sehr realistisch, denn viele Grunddaten, die diesen Zeitraum beeinflussen werden, sind heute schon bekannt und nur mit einem Kraftakt zu verändern.