Warum ist dies der Fall?

Der Rohölpreis ist in den vergangenen Monaten bei weitem nicht so stark gestiegen wie die Tankstellenpreise. Diese Besonderheit führte zunehmend zu entsprechend hitzigen Diskussionen, da immer wieder verkannt wird, dass sich der Rohölpreis aus Angebot und Nachfrage nach Rohöl zusammensetzt. Dieser Preis bildet sich an den internationalen Rohölbörsen, wo die Rohölhersteller OPEC und Nicht-OPEC-Länder mit ihrem Angebot auf die Nachfrage der Rohölverarbeiter (Raffinerien) treffen. An der Rohölförderung sind die westlichen privaten Ölgesellschaften, unter anderem Exxon, Shell, BP, Total etc., mit rund 15 Prozent der erzeugten Mengen beteiligt. 85 Prozent der Rohölproduktion ist in staatlicher Hand beziehungsweise staatliche Gesellschaften, wie die saudische Aramco oder die norwegische Equinor, um nur zwei sehr bekannte Gesellschaften zu nennen.

Der Preis für Vergaser- und Dieselkraftstoff bildet sich wiederum bei dem Verkauf ab Raffinerie für die jeweiligen Fertigprodukte. Hier sind die Anbieter die Raffinerien und die Käufer Tankstellengesellschaften sowie Groß- und Einzelhändler für Kraft- und Brennstoffe. Die Raffineure in Deutschland sind die britische Shell und BP, die französische Total, die italienische Eni, die amerikanische ConoccoPhillips/Jet und Exxon, die österreichische ÖMV, die internationalen Ölhändler Gunvor und Vitol und die russische Rosneft. Weltweit gibt es 5 Milliarden Tonnen an Raffineriekapazität mit ca. 1.500 Raffinerien. Fast die Hälfte der Raffinerieerzeugung findet in Asien inclusive dem Nahen Osten statt. Westeuropa macht nur 13 Prozent der weltweiten Rohölproduktion aus. Auf Russland entfallen 7% der weltweiten Raffinerieproduktion.

Die europäische Raffinerieproduktion ist, was die Produktion von Diesel, Heizöl und Kerosin angeht, nicht ausreichend groß genug, um den Bedarf der europäischen Verbraucher abzudecken. Diese fehlenden Produktionsmengen in Europa für Diesel, wurden in der Vergangenheit in erheblichem Umfange aus russischen Raffinerien, die den Diesel per Schiff nach Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, Hamburg, Marseille, Triest etc. brachten, abgedeckt. Seit dem Ukrainekrieg fehlen diese Mengen im Markt bzw. sollen durch andere Lieferanten ersetzt werden. Diese Verwerfungen führten dazu, dass die Dieselpreise sich wesentlich stärker verteuerten als der Rohöl- oder Benzinpreis.

Hierzu möchten wir folgende Fakten darlegen: Der Rohölpreis ist seit dem 2. Januar 2022 bis zum 31. Oktober 2022 von 82 Dollar (72 Euro) auf 95 Dollar (96 Euro) gestiegen. Der Euro verlor seit dem 2. Januar rund 15 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar und verteuerte die Preise für Rohöl in der EU um rund 9 Cent. Insgesamt stieg der Rohölpreis um 24 Euro pro Fass und dies sind bei 159 Liter netto 15 Cent je Liter Rohöl. Das heißt, seit Jahresanfang hat der Rohölpreis die Tankstellenpreise ohne Mehrwertsteuer um 15 Cent und inklusive Mehrwertsteuer, um 18 Cent verteuert.

Die internationalen Produktpreise für Superbenzin beziehungsweise Diesel, die in Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen an den Terminbörsen täglich ermittelt werden (Plattsbasis), entwickelten sich wie folgt: (Die nachstehenden Preise gelten je Tonne und sind über das spezifische Gewicht umzurechnen in Liter)

Zwischen dem 2. Januar 2022 und dem 31. Oktober 2022 verteuerte sich der Benzinpreis von 741 Dollar (652 Euro) auf 893 Dollar (901 Euro). Dies war ein Anstieg von 249 Euro je Tonne und dies sind bei einem spezifischen Gewicht von 0,755 Liter 19 Cent je Liter. Inklusive Mehrwertsteuer verteuerte sich der Benzinpreis um 23 Cent.

Das heißt, man kann an dieser Stelle bereits feststellen, dass der Rohölpreis im vorstehend genannten Zeitraum um 18 Cent anstieg, während der Benzinpreis sich um rund 23 Cent verteuerte.

Beim Diesel sah es im Zeitraum 2. Januar 2022 bis 31. Oktober 2022 wie folgt aus. Der Dieselpreis stieg von 686 Dollar (604 Euro) auf 1.149 Dollar (1.160 Euro). Dies entspricht einem Anstieg von 556 Euro je Tonne. Bei einem spezifischen Gewicht von 0,845, sind dies pro Liter 47 Cent und inklusive Mehrwertsteuer 56 Cent.

Da die Preise für Benzin und Diesel/Heizöl/Kerosin ab Raffinerie deutlich stärker gestiegen waren als die reinen Rohölpreisbeschaffungskosten, sind die Raffineriemargen in den letzten sechs Monaten auf einem historisch hohen Niveau. Die durchschnittliche Raffineriemarge lag in den letzten sechs Monaten in Europa bei 200 Euro je Tonne. Die Verteuerung, die wir an den Tankstellen erlebten, geht mit 18 Cent auf den Rohlölpreisanstieg sowie den stärkeren Dollar gegenüber dem Euro zurück. Der Diesel verteuerte sich um weitere 38 Cent inklusive Mehrwertsteuer und der Benzinpreis um weitere fünf Cent.

Wie geht es weiter?

Dies vorauszusehen ist kaum machbar. Auf der einen Seite brauchen wir den Zubau von Raffineriekapazitäten, wenn dieser Engpass bei Ausschluss der russischen Raffineriekapazitäten dauerhaft ausgeglichen werden soll. Die geplanten weltweiten Neubauten werden dafür aber nicht reichen. Alternativ müsste die Nachfrage so stark zurückgehen, dass die verbleibende Nachfrage durch das aktuelle Angebot der Raffinerien abgedeckt wäre. Dies wäre im Zuge einer weltweiten Rezession auch denkbar.

Was die vorstehenden Zahlen aufzeigen, ist, dass nicht das Bohrloch und der Ersatz des russischen Rohöls das Problem der Energieknappheit ist, sondern das Fehlen der Fertigprodukte ab Raffinerie und hier insbesondere des Diesels, der bisher aus Russland kam.

Die Mineralölbörsen sind in ihren täglichen Preisbewegungen sehr extrem, dies war in den vergangenen Wochen besonders stark zu beobachten. Wir hatten häufig an einem einzigen Tag einen Preisanstieg an den Handelsplätzen von drei bis fünf Cent je Liter Benzin oder Diesel, der am folgenden Tag teilweise wieder weg war und am übernächsten Tag dann wieder von neuen Preissteigerungen übertroffen wurde. Die Händler sind alle sehr nervös, da keiner weiß, wo die Reise mit den Produkten und der Versorgung hingeht. Beim Öl galt immer die Aussage, ein Tropfen zu viel an Ware im Markt, lässt die Preise recht schnell fallen und ein Tropfen zu wenig, lässt die Preise auch recht schnell steigen. Das Besondere aktuell ist: Es gibt keine Tendenz und keine Erfahrung aus der Vergangenheit, auf die die Akteure zurückgreifen könnten. Unsicherheiten sind nicht gerade das, was Börsenhändler lieben, da das Wetten auf fallende oder steigende Preise in solchen Zeiten mit hohem Risiko behaftet ist. Fakt ist: Wir haben weniger ein Rohölproblem in der Welt als einen weltweiten Raffinerieengpass. Solange dieser besteht bleiben die Preise hoch.