Im Januar und Februar 2020 lagen die Rohölpreise für die Brentware an den Börsen in der Regel zwischen 50 und 60 Dollar. Anfang März 2020 war die weltweite Nachfrage nach Öl mit dem Ausbruch der Coronakrise in Asien eingebrochen. Hinzu kam, dass sich die OPEC, angeführt von Saudi-Arabien, mit Russland nicht einigen konnte, in welchem Umfang die jeweiligen Ölproduzenten ihre Rohölproduktion an die gesunkene Nachfrage anpassen müssen. Die Folge: Der Rohölpreis sank im März auf 31 Dollar. Dieser Kurs konnte im Monat März weitestgehend gehalten werden. Mitte April fiel der Rohölpreis für die Brentware auf 22 Dollar, da trotz sinkender weltweiter Nachfrage, ausgelöst durch die Corona-Lockdowns in diversen Ländern, die Nachfrage weiter gesunken war, ohne dass die OPEC in nennenswertem Umfang die Rohölproduktion senkte. Erst nach diesem dramatischen Preisverfall waren die OPEC und Russland bereit, 10 Millionen Barrel pro Tag weniger zu produzieren, um den Rohölmarkt wieder in ein gewisses Gleichgewicht zu bringen.
In der Folge stabilisierte sich der Rohölpreis Ende April bei rund 30 Dollar für die Brentware. Im Mai stieg der Brent-Preis an der Warenböse wieder auf 35 Dollar. Der Rohölpreis stand zeitweilig am absoluten Abgrund, da die Ölhändler nicht mehr wussten, wo sie das überschüssige Öl noch einlagern sollten und Abnehmer waren keine zu finden. Die Raffinerien, die immer in einer gewissen Mindestauslastung produzieren müssen, produzierten zudem mehr Benzin, Diesel oder auch Kerosin als die Abnehmer brauchten. Das heißt, nicht nur die überschüssigen Rohölmengen mussten in Tankern oder Depots eingelagert werden, sondern auch die überschüssigen Fertigproduktmengen mussten gepuffert werden. Die Tankkapazitäten sind weltweit begrenzt und es gab Befürchtungen, dass das Fass Rohöl irgendwann überläuft und man nicht mehr weiß, wo und wie man die Ware noch einlagern bzw. verkaufen kann. Allerdings griffen die OPEC-Maßnahmen, sodass die Produktionsmengen sanken und die Preise sich wieder stabilisierten. Zudem waren China und Korea, die früher in die Coronakrise hineingeraten waren, auch wieder früher aus der Coronakrise heraus, sodass sich die Nachfrage nach Öl im asiatischen Raum wieder stabilisierte. Auch in Europa wurden in diversen Ländern die Lockdowns immer mehr gelockert, sodass sich ab Ende Mai die Wirtschaft wieder stabilisierte.
Ein geringeres Angebot und eine wieder stärkere Nachfrage nach Öl, führte dazu, dass der Rohölpreis sich im Juni auf 40 Dollar und im Juli auf rund 42 Dollar für die Brentware verbesserte.
Die tiefen Rohölpreise hatten entsprechende Auswirkungen auf die Tankstellenpreise. Im März 2020 lagen diese 20 Cent, im April 24 Cent, im Mai 30 Cent und im Juni 20 Cent unter den Tankstellenpreise im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Bezogen auf die ersten sechs Monate, lag der Tankstellenpreis 14 Cent unter dem Preisniveau von 2019. In normalen Zeiten hätten solche Tankstellenpreise zu einem sehr starken Konsum beigetragen. Durch die Coronakrise war der Verkehr im Pendler- und Transportbereich stark eingeschränkt, so dass die tiefen Tankstellenpreise die Nachfrage nicht ankurbelten.
Erst im Juli zeichnete sich ab, dass die Tankstellenumsätze das Niveau des Vorjahres wieder erreichen können. Das Tankstellenpreisniveau war auch im Juli 2020 noch 18 Cent unter dem Niveau des Vorjahres.
Aktuell ist davon auszugehen, dass die Ölpreise noch längere Zeit unter 45 Dollar bleiben. Zum einen sind die Läger weltweit und insbesondere in China sehr gut gefüllt. Gerade China hat in den letzten Monaten erhebliche Mengen an Öl zu tiefen Preisen eingelagert und kann sich noch lange Zeit aus diesen Beständen günstigst versorgen. Auch in den USA und Europa sind die Läger noch weiter gut gefüllt. Die OPEC wird deshalb vorsichtig die Produktion hochfahren, damit nicht plötzlich wieder ein Überangebot entsteht. Bei Preisen von um die 40 Dollar beginnen auch die Frackingölproduzenten in den USA, von denen einige in der Krise insolvent gingen, wieder stärker zu produzieren. Hinzu kommt, dass die Raffineriepreise für die Fertigprodukte weiter unter sehr starkem Druck stehen. Benzin, Kerosin und Diesel werden in deutlich geringeren Mengen gebraucht als in normalen Zeiten. Dies führt dazu, dass die Raffinerieabgabepreise für die Fertigprodukte zusätzlich unter Druck stehen und die Raffination des Rohöls zu beträchtlichen Verlusten führt.
Anfang Juli 2020 lagerten 1,3 Milliarden Barrel mehr an Ölbeständen weltweit als im langjährigen 5-Jahres-Durchschnitt. Experten gehen davon aus, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis diese enorm hohen Lagerbestände abgebaut sind. In der letzten Ölpreiskrise von 2014 dauerte es mehr als fünf Jahre, um die Überbestände abzubauen, die damals bei weitem nicht so in die Höhe geschossen waren, wie dies in der Coronakrise der Fall ist.
Zudem bleibt die Situation weiterhin fragil, da nicht abzusehen ist, wie schnell sich die Nachfrageseite nach Öl weltweit erholt. Zudem haben alle Marktteilnehmer nach wie vor Angst davor, dass der Coronavirus, zumindest in Teilen der Welt zurückkehrt und damit auch Teile der Weltwirtschaft wieder zu einem Lockdown gezwungen werden könnten. Sollten die Rohölpreise auf dem aktuellen Niveau bleiben, besteht die Chance, dass die Tankstellenpreise bis Ende Dezember rund 15 bis 18 Cent unter dem Vorjahresniveau liegen werden. Am 31.12.2020 wird die Mehrwertsteuer wieder erhöht und eine CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel sowie Heizöl eingeführt und dies wird zu einem Preisanstieg – je nach Produkt – von 10 bis 13 Cent je Liter führen. Dann sind die günstigeren Kraftstoffpreise für deutsche Autofahrer wieder Geschichte.