Werksschließungen sind kaum aufzuhalten
Im Schnitt waren die deutschen Werke von Volkswagen, BMW, Mercedes und Co. im vergangenen Jahr nur zu etwas mehr als zwei Dritteln ausgelastet. Das geht aus einer Auswertung des Datenspezialisten Marklines für die Deutsche Presse Agentur (DPA) hervor. 6,2 Millionen Autos könnten alle deutschen Standorte diesen Angaben zufolge pro Jahr in Deutschland herstellen. Annähernd erreicht wurde diese Zahl zuletzt 2011, als fast 5,9 Millionen Autos in Deutschland produziert wurden. 2023 wurden nur 4,1 Millionen Einheiten hergestellt. Drei Viertel davon gingen laut Verband der Automobilindustrie in den Export. Während der Pandemiezeit sank die Produktion auf 3,1 Millionen Einheiten. Im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 betrug die Produktion in Deutschland 4,7 Millionen. Und im ersten Halbjahr 2024 ging es weiter bergab. Laut VDA wurden zwischen Januar und Juni in Deutschland 2,1 Millionen Pkws hergestellt, neun Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2023.
Bei den einzelnen Werken gab es unterschiedliche Auslastungen. Porsche Stuttgart schaffte in 2023 noch eine Auslastung von knapp 100 Prozent, Audi Ingolstadt und BMW München kamen auf 90 Prozent, während Opel in Eisenach nicht einmal 30 Prozent der möglichen Kapazitäten nutzen konnte. Auch große Standorte von VW und Mercedes Benz in Wolfsburg bzw. Sindelfingen waren nur zu 50 Prozent ausgelastet. Auch das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin schaffte nur 51 Prozent. Die ersten Autobauer haben deshalb ihre Konsequenzen gezogen. Ford hatte 2022 angekündigt, das Werk in Saarlouis Ende 2025 dichtzumachen. In Ingolstadt und Neckarsulm strich Audi die teuren Nachschichten, ebenso wie Volkswagen in Wolfsburg, Emden und Zwickau. Hierdurch fiel ein Viertel der Kapazitäten weg. Auch neue Investitionen wie den Bau einer zusätzlichen E-Auto-Fabrik am VW-Stammsitz in Wolfsburg wurden abgeblasen. Am Opel-Standort Kaiserslautern liegen die Pläne für eine neue Batteriefabrik auf Eis. Auf Grund der Überkapazitäten müssen die Hersteller ihre einzelnen Standorte durchforsten und prüfen welche geschlossen werden müssen um die Kapazitäten an die Nachfrage anzupassen.
Die Fahrzeuge sind insgesamt in den letzten fünf Jahren deutlich teurer geworden. Immer wenige Privatkunden kaufen einen Neuwagen. Auf Grund des hohen Preises werden die Fahrzeuge auch immer länger gefahren, so dass deren Nutzungszeit steigt. Der Kfz-Bestand in Deutschland wächst jährlich um 300.000 Pkw und bei den Neuzulassungen gehen die Zahlen zurück. Zudem sind die Kunden enorm verunsichert, wo die Reise mit den Autos hingeht, elektrisch oder doch Verbrenner. Wie sehen deren Wiederverkaufspreise in Zukunft aus? Ein wichtiger Punkt bei der Anschaffung eines langfristigen und teuren Wirtschaftsgutes. Die allgemeine Verunsicherung doch die Entwicklung der letzten Jahre lastet zudem auf der Verbraucherstimmung.
Ein baldiges Ende der schwachen Nachfrage ist nicht zu erwarten. Auch der Branchenexperte Prof. Bratzel sieht in Europa langfristig kaum Wachstum. „Der europäische Markt ist im Wesentlichen ein gesättigter Markt. Ein hohes Mengenwachstum wird es sicherlich nicht geben“, so der Professor Bratzel. Mehr als eine Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau von 2019 sei kaum zu erwarten und auf dem Level wird es wohl die nächsten zehn Jahre bleiben, so seine Anmerkung.
Das ist noch eine optimistische Annahme, denn vor Corona lagen die Neuzulassungen in Deutschland pro Jahr bei rund 3,5 Millioneneinheiten. 2023 und wahrscheinlich auch 2024 werden die Neuzulassungen rund 600.000 Einheiten unter 2019 liegen. In Europa sanken die jährlichen Neuzulassungen zwischen 2019 und 2023 von 15 Millionen auf 13 Millionen Pkw. Wenn 2 Millionen PKW innerhalb Europas pro Jahr weniger verkauft werden, dann führt dies zwangsläufig zu Produktionsanpassungen bei den europäischen Werken. Stellantis mit seinen Marken u.a. Opel, Fiat, Citroen, Peugeot sowie Ford haben diesen Anpassungsprozess in Europa schon hinter sich. Audi schließt sein Werk in Brüssel. VW wird nun als nächstes auf diese Überkapazitäten reagieren müssen.