Forscher fanden heraus, dass das Sitzen hinter dem Lenkrad eines selbstfahrenden Autos Stress bedeutet

Sind die Menschen schon bereit für automatisierte Fahrsysteme? Und reduziert die Technik den Stress am Steuer spürbar? Diesen Fragen gingen Wissenschaftler der Hochschule Kempten nach. „Wir wollen herausfinden, wie das Auto der Zukunft aussehen muss, damit die Menschen ihrem Auto entspannt vertrauen können“, erklärte Professor Bernhard Schick gegenüber NTV.

Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass die Menschen nicht sehr entspannt sind, wenn sie sich auf den Computer als Chauffeur verlassen sollen.

In einer Studie mit 50 Teilnehmern, 36 Männer und 14 Frauen, im Alter von 18 bis 65 Jahren, wurde an der Allgäuer Hochschule der Spurhalteassistent genau unter die Lupe genommen. Dieses System erkennt die Fahrbahnmarkierungen und kann durch leichtes Gegenlenken eingreifen, wenn der Fahrer zum Beispiel müde wird und ein Abweichen von der Straße droht.

Die Fahrer mussten bei dem Versuch mit bis zu 160 km/h auf Autobahnen und bis 100 km/h auf Bundesstraßen fahren, jeweils mit und ohne Assistenzsystem. Dabei wurde der Stresslevel der Fahrer überprüft, indem Atmung und Puls aufgezeichnet wurden. Das Ergebnis war überraschend: „Der Stresslevel stieg bei allen Probanden an, sobald der Spurhalteassistent eingeschaltet war“, so die Psychologin Corinna Seidler, die die Tests begleitete. „Im Durchschnitt waren die Probanden deutlich weniger gestresst, wenn sie bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h ohne Spurhalteassistenten fuhren als bei 120 km/h mit Spurhalteassistent. “

Die Wissenschaftler führten zwei Faktoren an, die dies bedingen. Zum einen falle es schwer, die durch jahrelange Fahrpraxis erlernte Kontrolle abzugeben. Zum anderen sei die Technologie noch nicht ausgereift, sodass der Assistent in bestimmten Situationen ausfallen könne. „Da kam dann bei einigen Probanden nach der Fahrt auch mal der Ausruf: So einen Stress tue ich mir nicht mehr an!“, so die Psychologin Seidler. „Im Moment ist die Technik noch nicht so weit, dass Unfälle komplett vermieden werden können“, so Professor Schick. Bis Fahrassistenzsysteme oder gar komplett selbstfahrende Autos den Insassen das nötige Sicherheitsgefühl vermitteln, ist es noch ein langer Weg.

Bei selbstfahrenden Autos gilt es, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer vor eine möglichst schnelle Entwicklung zu stellen. Internetfirmen, Chip- und Kfz-Hersteller wollen möglichst viele Daten mit den selbstfahrenden Autos und deren Kameras aus deren Umfeld, sowie den Bewegungsdaten der Insassen, einsammeln und diese Daten gewinnbringend vermarkten. Ein einziges selbstfahrendes Auto werde in 24 Stunden 4000 Gigabyte an Daten erzeugen, so der Konzernchef von Intel zum Handelsblatt. Laut dem BMW Vorstand Fröhlich seien zwei Generationen in der Chipentwicklung notwendig, ehe die selbstfahrenden Autos serientauglich würden. Auch Uber, ein Unternehmen das weltweit Fahrdienste anbietet, möchte den Fahrer des Fahrzeugs durch das selbstfahrende Auto ersetzen. Der Elektrofahrzeughersteller Tesla möchte dem Fahrer Zeitgewinn für andere Aktivitäten während der Fahrt verschaffen und auch dessen Daten verwerten.

Am 23. März 2018 ist ein Tesla Modell X auf einer Autobahn im Silicon Valley gegen einen Betonpoller gefahren. Laut Tesla hatte der Fahrer des Modell X den adaptiven Tempomat eingeschaltet, bei dem der Wagen einen automatischen Abstand zum vorderen Fahrzeug einhält. Zusätzlich sei die Funktion auf Mindestentfernung eingestellt gewesen. Der Fahrer habe, laut Tesla, mehrere visuelle und akustische Warnungen bekommen und etwa 5 Sekunden Zeit und 150 Meter Entfernung bis zum Aufprall gehabt. Seine Hände seien vor der Kollision 6 Sekunden lang nicht auf dem Lenkrad gewesen.

Allerdings, so berichtet die Zeitung TZ, stellt sich die Frage, wieso das Fahrzeug gegen den Betonpoller fuhr, da der Spurhalteassistent der Software dies hätte verhindern sollen. Darüber hinaus geriet das Elektrofahrzeug nach dem Aufprall in Brand, sodass auch dieser Ursache nachgegangen werden muss. Die Unfallermittler der US Behörde NTSB untersuchen zurzeit, wieso es zu diesem Unfall kommen konnte und wieso das Fahrzeug in Brand geriet. Die gleiche Behörde untersucht auch einen weniger schweren Unfall, der sich im Januar ereignete, bei dem ein Tesla mit eingeschaltetem Autopilotassistenten auf einen stehenden Feuerwehrlastwagen auffuhr.

Diese Unternehmen müssen aufpassen, dass sie vor lauter Forschergeist nicht zu schnell nach vorne preschen. Der Automobilindustrie wird oft vorgeworfen, dass sie bei der Umsetzung dieses Themas zu langsam vorgehe. Doch sie weiß aus langjähriger Erfahrung, dass eine neue Technik im Automobil vom Nutzer nur dann akzeptiert wird, wenn er sich hundertprozentig darauf verlassen kann. Zudem sollte der Gesetzgeber klären, wem die Daten gehören, die das selbstfahrende Auto einsammelt und an wen diese Daten weitergegeben werden dürfen.

Deshalb sollte das selbstfahrende Auto nicht zu einem bedingungslosen Wettbewerb der Unternehmen aus dem Silicon Valley gegen die Automobilindustrie ausgerufen werden. Ob der Mensch fünf Jahre früher oder später selbstfahrende Autos nutzen kann, spielt letztlich für die Wirtschaftsgeschichte keine so große Rolle, erst recht nicht, wenn hierfür Menschenleben riskiert werden. Unfälle, die von selbstfahrenden Autos verursacht werden, werden die Menschen nur noch mehr verunsichern und verhindern, diese Technik positiv wahrzunehmen. Deshalb sollte auch bei der Entwicklung der selbstfahrenden Autos das Motto gelten: Sicherheit zuerst!