Eine neue Studie der Citigroup

In dieser Studie kommt die Bank zu dem Ergebnis, dass der weltweite Ölbedarf sei-nen Höhepunkt bald überschreiten wird. Die internationale Energieagentur (IEA) sah dies vor kurzem noch anders. Im Gegensatz zu den üblichen Prognosen, die bis 2020 mit einem deutlichen Anstieg des weltweiten Ölverbrauchs rechnen, erwartet die Citigroup am Ende des laufenden Jahrzehnts einen deutlich geringeren Anstieg. Der Energieinformationsdienst folgert daraus, dass den Ölgesellschaften nicht das Öl sondern die Kunden ausgehen.

Wie schnell sich die Welt doch ändern kann. Noch vor 5 Jahren wurde von Fachleuten diskutiert, dass sich die höchstmögliche Rohölproduktion 2020 dem Gipfel nähern wird und der Nachfrage nach Öl nicht mehr gerecht werden kann (Peak-Oil-Theorie). Damals hieß es, es müsse schneller und mehr Geld in die Exploration und die Raffination investiert werden, damit es zu keinen Engpässen kommt. Massive „Papierwetten“ folgten an den Rohölbörsen dieser Einschätzung. In der Folge schoss der Rohölpreis nach oben.

Heute wird die Gefahr nicht ausreichend sprießender Ölquellen von keinem der damaligen Experten mehr gesehen. Auch liegen die Reserveproduktionskapazitäten der OPEC laut IEA zurzeit wieder bei 2,8 Millionen Barrel täglich und dies, obwohl der Iran aufgrund des Boykotts nur noch 1,1 Millionen Barrel täglich produziert.

Die Schieferölproduktion in den USA, die kontinuierlich steigt, der massive techni-sche Fortschritt beim Ausbeuten von Ölsanden in Kanada, dessen Abbau bis 2025 um 2 Millionen Barrel pro Tag gesteigert werden soll, und neue größere Funde an Rohöl vor den Küsten Südamerikas, lassen die weltweiten Ölreserven und die Re-serveproduktionskapazitäten drastisch ansteigen.

Auf der Nachfrageseite wurde seinerzeit argumentiert, der wachsende Ölbedarf Chi-nas und die steigende Zahl der Autos in Schwellen- und Entwicklungsländern würde die Nachfrage nach Öl weiter steigen lassen.

Von dem globalen Ölverbrauch entfallen mehr als 50 Prozent auf das Transport- und Verkehrswesen wie Autos, Flugzeuge, Schiffe und den Schienenverkehr. Der restliche Ölverbrauch geht in die Strom- und Wärmeerzeugung sowie in die Chemie.

In der Strom- und Wärmeerzeugung hat allerdings der Ersatz von Öl durch Gas be-reits längst begonnen.

In der Chemieerzeugung wird Naphta (Rohbenzin, das aus der Destillation von Rohöl gewonnen wird) ebenfalls schon vermehrt durch Ethan und Propan, welches aus Erdgas erzeugt wird, ersetzt, so die Citigroup. Auch im Sektor Transport und Verkehr zeichnet sich ab, dass Öl von Erdgas zunehmend ersetzt wird. Erdgas kann dabei in Form von LNG (Liquified Natural Gas) oder CNG (Compressed Natural Gas) verwendet werden.

Die Studie geht davon aus, dass Erdgas bei Eisenbahnen sowie größeren Kfz-Flotten eine wachsende Bedeutung erlangen wird. 2012 befanden sich in China unter zugelassenen schwereren Lkws schon 8 Prozent Erdgas-Fahrzeuge. Auch die Luftfahrt testet bereits Treibstoffe auf Basis von Erdgas. Die Studie geht deshalb davon aus, dass Erdgas auch bei Pkws gegenüber dem Elektroauto das Rennen machen wird. Auch für die Schifffahrt sollte Erdgas als Antriebsart interessant sein.

Erdgas ist dank der neu gefundenen unkonventionellen Erdgase weltweit reichlich vorhanden. Fachleute sehen das Ölzeitalter in das Gaszeitalter übergehen. Die Mi-neralölkonzerne mischen auch immer stärker in der Gasexploration und/oder auch in der Verflüssigung von Gas mit – wie Shell in Katar.

Doch selbst wenn sich der Wechsel zum Erdgas langsamer vollzieht als angenom-men, kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Nachfrage der Autofahrer nach Mineralöl nur noch wenig steigt. Den Grund sieht die Citigroup in der jährlichen, technischen Verbesserung der Motoren, die dazu führt, dass der Verbrauch der Kraftfahrzeuge sinkt und deren Verbrauchseffizienz jährlich zunimmt.

Laut dieser Studie wird die weltweite Ölnachfrage die nächsten Jahre anziehen, bevor sie zwischen 2016 und 2020 wieder unter 92 Millionen Barrel pro Tag sinken wird (2013 89,5 Millionen Barrel pro Tag). Aufgrund der relativ stabil bleibenden Nachfrage bei gleichzeitiger Zunahme des Angebotes, gehen die Verfasser der Studie davon aus, dass die Preise für Mineralöle bis 2020 auf 80 bis 90 US-Dollar pro Barrel sinken werden.

Die internationale Energieagentur geht zurzeit noch davon aus, dass bis im Jahr 2035 der Verbrauch auf rund100 Millionen Barrel pro Tag ansteigt, jedoch war die IEA 2008 noch von 106 Millionen Barrel Ölbedarf in 2035 ausgegangen. Wahrscheinlich wird die Wahrheit, die wir in wenigen Jahren schon erfahren werden, irgendwo zwischen den Prognosen der Citigroup und denen der IEA liegen. Verlässliche Ölpreisprognosen zu stellen, kommt dem Blick in die Glaskugel gleich.

Es gilt zu bedenken, dass die Investitionen, ob am Bohrloch, in die Raffinerien und in den Transportsektoren wie Schiffe oder Pipelines auf Basis solcher langfristigen Einschätzungen getroffen werden müssen. Ein Überangebot an Öl, denken wir nur an den Zeitraum 1986 bis 1997, kann zu nachhaltig sinkenden Rohölpreisen führen.

Eine zeitweilige Knappheit der Raffinations- und Explorationskapazitäten, wie zu Anfang des neuen Jahrtausends, verbunden mit Spielgeld an den Börsen, ließen die Ölpreise nach oben schießen. Mit welchen Rohölpreisannahmen die multinationalen Konzerne ihre Investitionen planen, ist ein gut gehütetes Geheimnis in diesen Häusern.

Es gilt auch, die politischen Entwicklungen, insbesondere in Nahost oder in Südamerika, im Auge zu halten, denn in diesen Ländern liegen die größten Ölreserven. Ein Ölpreis, der nachhaltig unter 100 Dollar fällt, würde einige rohölproduzierende Staaten recht schnell in eine wirtschaftliche Schieflage bringen. Auch die kanadische Ölförderung, die überwiegend auf Ölsand beruht, könnte bei niedrigen Rohölpreisen einen Rückschlag erleiden. Folglich könnte ein sinkender Ölpreis das Angebot an Rohöl oder die Möglichkeiten der Rohölgewinnung reduzieren, sodass Angebot und Nachfrage hiernach wieder ein neues Gleichgewicht suchen würden.

Da die Produzenten von Öl bei ihren langfristigen Investitionen solche Studien nicht unberücksichtigt lassen können, führt in der Regel eine solche neue Prognose fast zwangsläufig zu einem anderen Verhalten auf der Angebotsseite. Es wird deshalb interessant zu beobachten sein, wie sich die staatlichen, aber auch privaten Konzerne, auf die Zukunft einstellen.