Wie viele E-Säulen braucht Deutschland?
Bis 2030 sollen für die Elektroautos in Deutschland 1 Million öffentlich Ladepunkte zur Verfügung stehen, so lautet das ambitionierte Ziel der großen Koalition. Bei den Unternehmen, die die Ladesäulen bauen sollen, stößt der Plan jedoch auf heftige Kritik. „Das ist unrealistisch und unnötig“, so Eon-Chef Johannes Teyssen. Die Energiebranche hält das Ziel für völlig überzogen und fordert eine massive Förderung, um überhaupt in nennenswertem Umfang Ladesäulen zu installieren. Der Grund ist simpel. Das Geschäft lohnt sich für die Betreiber aktuell nur an ganz wenigen Standorten und daran dürfte sich auch langfristig nichts ändern, so das Handelsblatt in einem Artikel zum gleichen Thema.
„Wir gehen davon aus, dass 80 Prozent der Ladevorgänge zuhause und am Arbeitsplatz passieren“, so der Europa Chef des amerikanischen Ladesäulenanbieters Charge Point, Christian Burghardt im Handelsblatt.
Dass das Ziel der Bundesregierung ambitioniert ist, zeigt auch folgende Zahl: Zurzeit gibt es in Deutschland knapp 21.000 öffentliche Ladesäulen. Das sind zwar gut 50 Prozent mehr als noch vor einem Jahr, aber die Zahl ist noch sehr weit von einer flächendeckenden Versorgung entfernt. Im Jahr 2021 soll die Anzahl der Ladesäulen auf 70.000 erhöht werden. Die Autobauer haben sich verpflichtet 15.000 Ladestationen zu errichten. Ein Großteil dieser Ladestationen wird allerdings von Seiten der Industrie auf die Autohändler verlagert.
In zehn Jahren soll die Zahl der strombetriebenen Fahrzeuge laut Plänen der Bundesregierung auf bis zu zehn Millionen ansteigen. Auch diese Zahl bezweifeln die Ladeanbieter. Und selbst wenn das gelingen sollte, halten sie das Ziel von einer Million Ladepunkten, die dann installiert sein sollen, für völlig übertrieben, so das Handelsblatt. Der Eon-Geschäftsführer Matthias Wicher meinte hierzu: „Es ist eine leicht einprägsame Zahl, die aber unrealistisch ist.“ Eine Ladesäule müsse mindestens zwei bis vier Stunden unter Volllast genutzt werden, um überhaupt die Betriebskosten und eine angemessene Verzinsung einzuspielen, so der Eon-Manager im Handelsblatt. Aktuell sei das nur an einzelnen Standorten entlang der Autobahnen der Fall.
In der Regel werden die öffentlichen Ladesäulen aber kaum genutzt und in den Städten werden sie sogar häufig blockiert, weil Fahrer ihr Elektroauto nach dem Ladevorgang noch mehrere Stunden an dem Standort parken. „Selbst wenn es dann 2030 – wie erhofft – zehn Millionen Elektrofahrzeuge geben sollte, lassen sich eine Million Ladesäulen nicht wirtschaftlich betreiben“, so der Geschäftsführer Wicher von Eon weiter.
Für eine normale Ladesäule mit 20 Kilowatt (kW) Leistung, beginnen die Kosten inklusive Installation und Netzanschluss bei rund 5.000 Euro. Bei einer Schnellladesäule mit 50 kW, sind es schon 40.000 Euro. Bei einer Ultraschnellladesäule mit 150 bis 175 kW, liegen die Kosten sogar bei 100.000 bis 120.000 Euro. Die Schwierigkeit beim Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur ist, dass eine flächendeckende Infrastruktur gewünscht wird, aber wenn dies gewährleistet würde, wären die Ladesäulen zu schlecht ausgelastet, als dass sie sich rechnen könnten. Hochgerechnet müssten bei einer Million öffentlicher Ladesäulen 30 Millionen Elektroautos auf der Straße sein, so das Handelsblatt. „Von sich aus werden die Marktteilnehmer das nicht machen können“, so der Geschäftsführer Wicher von Eon. Dies ist nur mit einer attraktiven Förderung von Seiten der Bundesregierung möglich. Im Klimapaket ist eine Förderung mit entsprechendem Programm bis 2025 ausdrücklich vorgesehen. Derzeit werden Ladesäulen mit bis zu 40 Prozent der Kosten bezuschusst. Von einer Rentabilität sind die Ladesäulenbetreiber aber selbst damit noch weit entfernt.
Im Rahmen des Klimapaketes der Bundesregierung wurde auch diskutiert, ob man den Tankstellen in Deutschland eine Versorgungsauflage machen kann, sodass jede Tankstelle auch einen E-Ladepunkt anbieten müsste. Dass man einem Tankstellenunternehmer vorschreiben will, welche Energieart er wo anzubieten hat, ist schon sehr weltfremd. Wie sollen die Tankstellenunternehmen dies bezahlen, wenn die Wirtschaftlichkeit einer solchen Leistung überhaupt nicht gegeben ist. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geht nach eigener Schätzung davon aus, dass 350.000 öffentliche Ladepunkte ausreichen, um die bis 2030 angepeilten zehn Millionen E-Autos in Deutschland zu versorgen. Der Verband unterstellt dabei, dass nur 20 Prozent der Ladevorgänge an öffentlichen Ladepunkten stattfinden, während 80 Prozent am Arbeitsplatz oder in der heimischen Garage erfolgen.
Viel wichtiger wäre es deshalb, dass die Regierung die Infrastruktur dort aufbaut, wo die Autos am Ende auch geparkt und damit betankt werden. Dies sind Parkhäuser, Tiefgaragen, Mietshäuser, Eigenheime oder Arbeitsplätze, so der Charge Point Manager Burghardt zum Handelsblatt. Vor allem braucht es nach seinen Worten jetzt eine schnellere Änderung im Miet- und Wohnungsrecht. Bisher kann ein Eigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft nur dann eine Ladesäule aufstellen, wenn alle anderen Eigentümer dieser Gemeinschaft einwilligen. Zudem kann in einer Mietimmobilie der Vermieter den Bau einer Ladesäule schlichtweg verweigern.
40 Prozent aller Deutschen glauben laut einer BDEW-Umfrage, dass es länger als zehn Jahre dauern wird, bis Elektroautos in Deutschland zum ganz normalen Straßenbild gehören. Eon sieht beim Aufbau des öffentlichen Ladenetzes den Bund in der Pflicht, den Ausbau zu koordinieren. Eine Million klingt einfach gut. „Die Zahl ist durch nichts begründet und völlig willkürlich aus der Luft gegriffen“, so Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Car-Instituts der Universität Duisburg-Essen. „Unglaublich unseriös, was die Kanzlerin und ihr Verkehrsminister da machen.“ Dudenhöffer zieht als Beispiel Tesla heran. Auf 20.000 Tesla Fahrzeuge kommen in Deutschland 1.000 Ladestationen. Tesla rechnet folglich mit einer Relation von 1:20 und nicht mit einer Relation von 1:10, wie es die Bundesregierung als Ziel für 2030 ausgegeben hat. 10 Millionen E-Fahrzeuge stehen 1 Million Elektrosäulen gegenüber.
Die Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach unter der Leitung von CAM-Direktor Stefan Bratzel, sagte gegenüber der Welt: „Ich sehe derzeit keinen nationalen Markt ohne eine Regulatorik für die Elektromobilität, sei es bei den Kaufanreizen, vor allem aber auch beim Ausbau der nötigen Ladeinfrastruktur.“
Seit der Reduzierung der E-Auto-Förderung Mitte des Jahres 2019, ist der Elektrofahrzeugmarkt in China regelrecht eingebrochen“, so Bratzel. Auch in den Niederlanden wurden mit dem Jahr 2020 die Subventionen für E-Fahrzeuge reduziert. „Allein im Dezember 2019 wurden rund 12.000 Tesla Model 3 in den Niederlanden neu zugelassen“, so das CAM-Institut. In 2020 rechnet Bratzel deshalb mit einem starken Rückgang der E-Nachfrage in den Niederlanden. Oder wie die Welt schrieb: Ohne Planwirtschaft ist das E-Auto chancenlos.