Drohen Brownouts?

Bei Energieversorgern und in der Politik wächst die Sorge, dass das Stromnetz an sonnigen Feiertagen überlastet werden könnte. Das Problem ist dabei nicht eine Unterversorgung, sondern ein potenziell unkontrollierter Überschuss an Solarstrom. Besonders an Frühjahrs- oder Sommerfeiertagen, wenn der Stromverbrauch niedrig ist, könnte die Solarstromproduktion deutlich über dem Bedarf liegen.

In einem solchen Szenario müssten Solaranlagen abgeschaltet werden. Allerdings lässt sich nur ein Teil der deutschen Photovoltaikanlagen aus der Ferne steuern. Im Extremfall müsste das gesamte Verteilnetz vom Strom getrennt werden – mit der Folge eines flächendeckenden Stromausfalls.

Im Jahr 2024 wurden in Deutschland rund eine Million neue Solaranlagen mit einer Leistung von etwa 16 Gigawatt installiert – das entspricht der 16-fachen Leistung des Kohlekraftwerks Datteln. Dieser massive Ausbau war politisch gewollt, um auch an bewölkten Tagen genug Solarstrom verfügbar zu machen. Das Problem: Viele dieser Anlagen sind technisch nicht regelbar.

Hinzu kommt ein Fördersystem, das Fehlanreize schafft. Betreiber erhalten eine Einspeisevergütung für jede eingespeiste Kilowattstunde – selbst wenn der Strom aktuell nicht benötigt wird oder sogar netzschädlich ist. Für Hausdachanlagen gibt es oftmals keine technische Möglichkeit, die Einspeisung wetterabhängig zu steuern. Diese Anlagen leisten meist zwischen fünf und zehn Kilowatt.

Für größere Anlagen ab 25 Kilowatt schreibt das Gesetz eigentlich eine Abschaltbarkeit durch den Netzbetreiber vor. Laut einer Analyse des Bayernwerks sind jedoch rund 40 Prozent dieser Anlagen faktisch nicht steuerbar.

Der Stromhändler FlexPower beschreibt ein realistisches Szenario: An einem Feiertag könnte die Stromnachfrage von den üblichen 50–70 Gigawatt auf nur 40 Gigawatt sinken. Hausdachanlagen könnten zur Mittagszeit bis zu 34 Gigawatt liefern, hinzu kämen etwa 12 Gigawatt aus größeren erneuerbaren Anlagen sowie rund 8 Gigawatt aus konventionellen Kraftwerken, die wirtschaftlich nicht kurzfristig heruntergefahren werden können. Die Gesamtmenge an erzeugtem Strom würde dann 54 Gigawatt betragen – bei lediglich 40 Gigawatt Nachfrage. Da auch in Nachbarländern bei sonnigem Wetter wenig Nachfrage besteht, wären laut FlexPower nur rund 8 Gigawatt exportierbar. Es bliebe ein Überschuss von 6 Gigawatt. Diese Zahlen erscheinen auch dem Netzbetreiber Amprion plausibel. Über Ostern 2024 lag die Nachfrage zeitweise bei nur 35–36 Gigawatt, die Exporte erreichten bis zu 13 Gigawatt. Ein gefährlicher Stromüberschuss ist also durchaus möglich.

Wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, fällt der Strompreis – mitunter sogar ins Negative. Laut dem Ökonomen Lion Hirth kam es 2024 in rund 6 Prozent aller Stunden zu negativen Strompreisen.

Noch kritischer ist jedoch die Netzstabilität. Bei Überangebot steigt die Netzfrequenz über die Sollmarke von 50 Hertz hinaus. Ab 50,2 Hertz greifen Notfallmechanismen: Viele Solaranlagen schalten sich automatisch ab. Doch nicht überall geschieht das koordiniert, was in einem europaweit verbundenen Netz zu erheblichen Problemen führen kann. Hirth warnt: „Kommt es durch eine Frequenzsteigerung zur massenhaften Abschaltung von PV-Anlagen, fällt die Frequenz abrupt – die Anlagen schalten sich erneut ein. Das System beginnt zu schwingen, was gefährlich ist.“

Gelingt es nicht, durch geeignete Software- und Steuerungssysteme rechtzeitig einzugreifen, könnte ein Worst-Case-Szenario eintreten: Einzelne Netzgebiete müssten vom übergeordneten Übertragungsnetz getrennt werden, um einen großflächigen Blackout zu verhindern. Zwar droht kein landesweiter Stromausfall, doch sogenannte Brownouts – also zeitlich und regional begrenzte Versorgungsausfälle – wären denkbar. Etwa zur Mittagszeit könnten dann einzelne Städte oder Gemeinden für mehrere Stunden vom Stromnetz getrennt werden.

Ob ein solches Szenario schon 2025 Realität wird, ist unter Experten umstritten. Einige halten es für wahrscheinlich, andere für verfrüht. Einigkeit besteht jedoch darin, dass die Gefahr Jahr für Jahr zunimmt – insbesondere, wenn der Zubau unkontrolliert weitergeht. Bereits im ersten Quartal 2025 wurden zahlreiche weitere Solaranlagen installiert. Wahrscheinlich wird 2025 sogar das Rekordjahr 2024 übertreffen.

Am 12. Dezember 2024 zeigte sich das umgekehrte Problem: Eine sogenannte Dunkelflaute brachte kaum Strom aus Wind und Sonne. Um die Nachfrage zu decken, mussten Kohle- und Gaskraftwerke hochgefahren werden. Zusätzlich wurde über Seeleitungen Strom aus Norwegen und Schweden bezogen. Die Börsenstrompreise schossen auf bis zu 93 Cent pro Kilowattstunde – auch die nordeuropäischen Nachbarn spürten die Folgen. In Norwegen stiegen die Preise auf bis zu 35 Cent pro Kilowattstunde. Die Kritik war laut: Schweden drohte sogar, den Bau einer zweiten Verbindung nach Deutschland zu stoppen, wenn Deutschland nicht endlich seine Stromstrategie überdenkt.

Deutschland muss dringend mit dem Bau neuer Gaskraftwerke beginnen, um Stromlücken bei Dunkelflauten zu überbrücken – ohne die europäischen Partner über Gebühr zu belasten. Die Kritik aus dem Ausland ist deutlich: Deutschland habe verlässliche Kraftwerke zu schnell abgeschaltet und setze einseitig auf Wind und Sonne – ohne tragfähiges Backup.

Statt pauschaler Ziele für 80 Prozent Solar- oder Windstrom in 2030 wäre eine präzisere Planung notwendig: Wo und wann wird wie viel Strom tatsächlich gebraucht?
Neue Anlagen sollten bevorzugt dort gebaut werden, wo auch ein entsprechender Energiebedarf besteht. Windräder im Norden helfen wenig, wenn der Strom im Süden gebraucht wird. Zugleich müssen finanzielle Anreize angepasst werden: Bei Überangebot darf es keine Einspeisevergütung geben – im Gegenteil, Stromproduzenten sollten in diesen Zeiten den negativen Strompreis zahlen müssen.

Das würde Investitionen in Speichertechnologien fördern, die überschüssige Energie regional puffern können – so die Forderung des E.ON-Chefs Lennard Birnbaum.