Die EU will den Tabakschmuggel mit neuer Bürokratie bekämpfen – was nichts bringt:
Jede Zigarettenschachtel und jede Tabakpackung sollen in Zukunft lückenlos verfolgt werden, um den Schmuggel zu bekämpfen. Obwohl der Tabakhandel und die Tabakhersteller ebenfalls ein großes Interesse haben den Tabakschmuggel zu bekämpfen, sind diese von der Idee nicht sehr angetan.
Die Durchführungsbestimmung zu dieser Tabakproduktrichtlinie ist extrem komplex. Die EU-Kommission hat diese im September veröffentlicht, mit dem Ziel, den Schmuggel zu stoppen. Laut EU-Parlament entgehen den Mitgliedsstaaten durch geschmuggelte und gefälschte Zigaretten jedes Jahr mehr als 10 Milliarden Euro an Steuern und Zöllen. Deshalb will die EU künftig die Lieferkette jeder einzelnen Zigarettenschachtel und jedes Tabakbeutels lückenlos dokumentiert sehen. Bis zum 4. Oktober 2017 hat der Handel und die Industrie Zeit, Änderungen an der Durchführungsverordnung der EU vorzuschlagen.
Laut Lebensmittelzeitung stellt die von der EU angedachte Kontrolle die komplette Logistik von Händlern und Herstellern auf den Kopf: Jede einzelne Packung bekommt einen bis zu 50 stelligen Code, den Unique Identifier (UID), der bei einer unabhängigen zentralen Stelle angefordert werden muss und sechs Monate lang gültig ist. Wer diese Stelle sein soll und wie viel Geld sie für diese Dienstleistung verlangen darf, ist unklar. Diese Stelle darf sich zwischen 24 Stunden und zwei Werktagen Zeit lassen, die Codes zu generieren und an Hersteller oder Händler zu verschicken. Auf Stangen, Kartons und Paletten stehen ebenfalls UIDs, allerdings mit bis zu 100 Stellen. Kommt die Ware beim Großhändler an, muss er jede einzelne Stange in sein Trackingsystem einlesen und beim Kommissionieren eingeben, an welche Tankstelle, Einzelhandelsfiliale, welchen Kiosk oder welchen Tabakautomat die Ware geht. Dafür bekommt jeder dieser Abnehmer eine eigene Registrierungsnummer. Diese Daten gehen ebenfalls an eine unabhängige Kontrollstelle, die diese Daten verwaltet.
Handel und Hersteller fürchten, dass es ein komplett neues Codierungssystem für die UIDs geben wird. Bei großen Kunden mit Originalkartons wäre ein solches System noch zu handeln. Aber bei kleinen Kunden mit gemischten Kartons mit einer Stange Marlboro, einer Stange Camel und fünf Artikeln Feinschnitt, entsteht hier ein gigantischer Aufwand. „Den Schmuggel unterbinden diese Regeln nicht, sie belasten den legalen Handel und kreieren einen riesigen Datenfriedhof“, so Dirk Falke vom deutschen Zigarettenverband. Die Kosten dieses Systems sind nicht abschätzbar und der Zeitplan ist auch mehr als ambitioniert. Bis zum Mai 2019 müssen diese neuen Systeme regelkonform laufen, sonst droht ein Lieferverbot.
Eigentlich kann man das Ganze nur wieder schildbürgerhaft nennen. Tabakwaren, die ohne Besteuerung illegal innerhalb oder außerhalb der EU produziert und in der EU verkauft werden, gehen in der Regel nicht über die Ladentheke des LEH, Tabakautomaten, Kioske oder Tankstellen. Diese Schwarzmarktzigaretten werden in Großstädten an Eingängen zur U- oder S-Bahn verkauft. Mittlerweile ordern auch viele Schwarzraucher bei ihrem Straßenhändler per SMS auf dessen Handy. Die Ware kommt dann frei Haus per Boten in seine Wohnung. Die Jin Ling ist wohl die europaweit bekannteste Schwarzmarktzigarette, die in baltischen Tabakfabriken produziert wird. Aber auch in der Ukraine sowie in Weißrussland werden illegal Zigaretten produziert und in die EU Länder geschmuggelt. Durch die hohen Preise für Tabakwaren ist dieses Geschäft für die organisierte Kriminalität interessant und relativ risikolos. „Die organisierte Kriminalität verdient mit der Zigarettenfälschung mehr Geld als mit dem Drogenhandel und das bei einem viel geringeren Risiko“, sagt ein ehemaliger Polizist, der jetzt als verdeckter Ermittler arbeitet, gegenüber der Welt.
Die Herstellkosten von Schmuggelzigaretten schätzen Experten auf 25 Eurocent pro Packung. Der Verkaufspreis dieser Zigaretten soll im Straßenhandel in Deutschland bei mindestens 3 Euro liegen. Man sieht, welche Profitspannen hier zu Verfügung stehen. Wie die EU mit Hilfe der jetzt vorgetragenen Verordnung dem organisierten Verbrechen den Schmuggel und den Vertrieb erschweren will, ist nicht ersichtlich.